Als Betriebsrat den Betriebsübergang kompetent begleiten
Ein Unternehmen wird verkauft, aus einer GmbH wird eine GmbH & Co. KG oder der Seniorchef übergibt seine Einzelfirma an den Nachfolger. All das kann einen Betriebsübergang darstellen, der den Betriebsrat auf den Plan rufen sollte.
Das Gute daran vorweg: Der neue Unternehmer tritt grundsätzlich in die Arbeitsverhältnisse ein. Er übernimmt also sämtliche Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers. Selbst eine Änderung der Arbeitsverträge ist nicht erforderlich.
Doch was an dieser Stelle so einfach klingt, ist in der Praxis häufig mit Problemen belastet. Denn häufig besteht Streit, ob ein Betriebsübergang überhaupt vorliegt und welche Rechtsfolgen gegebenenfalls daran anknüpfen.
Die Rechte des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat das Recht, über den bevorstehenden Betriebsübergang vom bisherigen und vom neuen Inhaber informiert zu werden (§§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1, 92 Abs.1 BetrVG).
Besteht im Unternehmen ein Wirtschaftsausschuss hat dieser ebenfalls einen Anspruch darauf, rechtzeitig über den bevorstehenden Betriebsübergang informiert zu werden (§ 106 Abs. 2 BetrVG).
Das sind die Kriterien eines Betriebsübergangs
Ob überhaupt ein Betriebsübergang vorliegt, ist nicht immer ganz einfach erkennbar.
Ein Betriebsübergang, der auch als Betriebsinhaberwechsel bezeichnet wird, liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn
- ein Betrieb oder ein Betriebsteil
- als wirtschaftliche Einheit
- unter Wahrung ihrer Identität
- auf einen neuen Rechtsträger übergeht.
Mitarbeiter können sich entscheiden − bleiben oder gehen
Arbeitnehmer können bei einem Betriebsübergang selbst entscheiden, ob sie zum neuen Inhaber wechseln oder lieber im alten Betrieb verbleiben möchten. Um dieses Recht richtig ausüben zu können und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, sieht § 613a Abs. 5 BGB eine Informationspflicht des bisherigen oder des neuen Inhabers gegenüber den betroffenen Mitarbeitern vor.
Widerspruchsfrist beachten
Werden diese dann korrekt über den Betriebsübergang informiert, haben sie einen Monat Zeit, sich zu entscheiden: Entweder sie gehen mit oder sie widersprechen dem Betriebsübergang schriftlich gegenüber dem Erwerber oder Veräußerer und verbleiben dann (zunächst) beim alten Arbeitgeber.
Vorsicht: Wollen Arbeitnehmer beim alten Arbeitgeber bleiben, droht eine (häufig rechtmäßige) betriebsbedingte Kündigung, da die Arbeitsplätze ja entfallen!
Die einmonatige Widerspruchsfrist läuft aber nur an, wenn die Information den Vorgaben in §[A1] 613a Abs. 5 BGB entspricht. Passiert hier ein Fehler oder werden die Mitarbeiter gar nicht informiert, können sie dem Übergang quasi unbegrenzt widersprechen.
Diese 4 Punkte muss das Informationsschreiben zum Betriebsübergang enthalten:
Zeitpunkt sowie konkreter Ablauf und Umfang des Betriebsübergangs
Rechtsgrund für den Übergang (z. B. Verkauf)
Information der Mitarbeiter über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie über die in Aussicht gestellten Maßnahmen (z. B. Weiterbildungsmaßnahmen im neuen Betrieb)
Information über das einmonatige Widerspruchsrecht!
Außerdem muss die Mitteilung rechtzeitig (mindestens einen Monat) vor dem geplanten Übergang in Textform (z.B. Brief oder E-Mail) erfolgen.
Betriebsübergang ist kein Kündigungsgrund
Kündigungen wegen eines Betriebsübergangs sind nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Dieses Kündigungsverbot umfasst auch alle Umgehungsgeschäfte, wie z.B. den Abschluss von Aufhebungsverträgen und die Neueinstellung zu schlechteren Konditionen beim neuen Betriebsinhaber. Ebenso unzulässig ist eine nur vorgeschobene Betriebsstilllegung bei späterer Wiedereinstellung.
Die Ausnahmen vom Kündigungsverbot
In folgenden Ausnahmefällen ist eine Kündigung auch bei einem Betriebsübergang zulässig:
- Kündigung aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen.
- Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber, kann der Betriebsveräußerer betriebsbedingt kündigen, weil bei ihm in der Regel die Arbeitsplätze ersatzlos entfallen sind.
- Kündigung nach dem Erwerberkonzept: Steht fest, dass beim neuen Betriebsinhaber kein Platz für den Mitarbeiter ist, darf schon der Betriebsveräußerer kündigen. Voraussetzung ist aber, dass der Erwerber bereits ein verbindliches Konzept oder einen Sanierungsplan hat.
Einjährige Besitzstandswahrung
Bei einer Übernahme gilt die einjährige Besitzstandswahrung. Das heißt, die vereinbarten Regelungen im Einzelarbeitsvertrag müssen für diese Zeit eingehalten werden.
Zuvor geltende tarifliche Vereinbarungen werden zunächst auch in das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber übernommen. Für ein Jahr darf der Arbeitgeber mit dem Mittarbeiter keine im Vergleich zu den bisherigen tariflichen Bestimmungen nachteiligen Vereinbarungen treffen. Das wird Sperrfrist genannt. Die Regelung gilt aber nur für solche Arbeitnehmer, die schon im Zeitpunkt des Betriebsübergangs von tariflichen Regelungen erfasst waren. Ist der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt nicht tariflich gebunden, werden auch keine tariflichen Regelungen in das Arbeitsverhältnis übernommen. Aber auch hier haben mögliche Verweise des Einzelarbeitsvertrags auf tarif- oder betriebsvertragliche Regelungen Vorrang.
Ausnahme: Abweichen von altem Tarifvertrag
Gegenüber vormals tariflich gebundenen Arbeitnehmern kann der neue Arbeitgeber dennoch seine eigenen Regelungen durchsetzen, wenn sein Unternehmen einem Tarifvertrag unterliegt. Das geht aber vor Ablauf der Sperrfrist nur, wenn
- der neue Arbeitgeber und der Mitarbeiter Mitglied der tarifschließenden Vereinigung (also Arbeitgeberverband und Gewerkschaft) sind oder er einzelvertraglich die Anwendung seines Tarifvertrags vereinbart hat und
- der neue Tarifvertrag für die übernommenen Arbeitsverhältnisse einschlägig und nicht ort- oder branchenfremd ist.
Übernehmer haftet auch für Altlasten
Ein neuer Inhaber tritt in alle bestehenden Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein, insbesondere besteht weiterhin
- Anspruch auf Zahlung des (unveränderten) Arbeitsentgelts,
- Anspruch auf Gewährung der vertraglich vereinbarten Urlaubstage,
- Versorgungszulagen und Anwartschaften der betrieblichen Altersvorsorge,
- Betriebszugehörigkeitszeiten bei dem alten Arbeitgeber,
- Ansprüche aus betrieblicher Übung, z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Der Betriebsrat geht mit
Ebenso wie die Arbeitsverhältnisse, wird auch der amtierende Betriebsrat vom Betriebsübernehmer übernommen (BAG, Beschluss vom 08.12.2009, Az. 1 ABR 66/08).
Achtung: Verändert sich durch die Betriebsübernahme die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer, kann eine Neuwahl des Betriebsrats erforderlich werden, vgl. § 13 Abs. 2 Nr[A2] . 1 BetrVG.
Ein Fortbestand des Gesamtbetriebsrats beim Erwerber kommt nur in Betracht, wenn auf diesen sämtliche Betriebe des bisherigen Unternehmers übertragen werden.
Schwieriger bei Betriebsspaltung oder Betriebszusammenfassung
Geht nur ein Teil eines Betriebes auf einen anderen Inhaber über, wird von einer Betriebsspaltung gesprochen. Auch kann es vorkommen, dass Betriebe oder Betriebsteile zu einem Betrieb zusammengefasst werden. Die Zukunft des Betriebsrats wird in § 21a BetrVG nach diesen Grundsätzen geregelt:
- Wird infolge eines Betriebsübergangs ein Betrieb gespalten, so bleibt dessen Betriebsrat im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit diese betriebsratsfähig sind und nicht in einen Betrieb mit bestehendem Betriebsrat eingegliedert werden, § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG. Er hat allerdings unverzüglich einen Wahlvorstand zu bestellen.
- Werden Betriebsteile zu einem Betrieb zusammengefasst, so nimmt der Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebs oder Betriebsteils das Übergangsmandat wahr, vgl. § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG. Auch er hat unverzüglich einen Wahlvorstand zur Neuwahl eines Betriebsrats für die neu geschaffene Betriebseinheit zu bestellen.