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Ein Werkzeug gegen digitalen Stress: Die Gefährdungsanzeige

4 Minuten Lesezeit
07.10.2025

Die digitale Transformation bringt Chancen, aber auch Risiken für Beschäftigte. Neue Technologien, Künstliche Intelligenz und ständige Vernetzung erleichtern viele Prozesse, können aber auch zu Überlastung und gesundheitlichen Gefahren führen. Die Gefährdungsanzeige bietet eine einfache Möglichkeit für Mitarbeiter, diese Probleme frühzeitig anzusprechen. Als Betriebsrat sind Sie in der Verantwortung, auf die Anzeigen zu reagieren und zum Schutz der Gesundheit beizutragen. Wie Ihnen das gelingt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Mann sitzt spät abends verzweifelt vor seinem Laptop im Arbeitszimmer

Digitaler Stress: Was belastet die Beschäftigten?

Ob Mails, Chatnachrichten oder permanente Erreichbarkeit – die digitale Arbeitswelt kennt kaum Pausen. Hinzu kommen komplexe Softwarelösungen, fehleranfällige Technik oder Kontrollmechanismen, die das Gefühl von Überwachung verstärken. Auch Unsicherheit im Umgang mit KI-Systemen oder Sorgen über Diskriminierung durch Algorithmen belasten viele Beschäftigte.

Die Folgen sind häufig innere Unruhe, Schlafprobleme, Erschöpfung und in schlimmeren Fällen sogar Burnout. Immer mehr berichten, dass sie nach Feierabend nicht mehr „abschalten“ können. Hier setzt die Gefährdungsanzeige an: Arbeitnehmer dokumentieren ihre Belastungen und der Arbeitgeber wird gezwungen, Gefahrenquellen zu prüfen und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Als Betriebsrat sind Sie die Person, die diese Anzeigen erhält und dafür sorgt, dass die Probleme ernst genommen und aktiv angegangen werden.

Was leistet eine Gefährdungsanzeige?

Mit einer Gefährdungsanzeige teilen Mitarbeiter dem Arbeitgeber mit, dass die Arbeitsbedingungen gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Diese Mitteilung erfolgt formlos, sollte aber aus Gründen der Klarheit und Nachvollziehbarkeit schriftlich festgehalten werden. Ihre Kollegen sollten konkret schildern, welche Ursachen für Belastungen bestehen, welche gesundheitlichen Folgen sie erwarten und – wenn möglich – auch Verbesserungsvorschläge machen.

Laut Arbeitsschutzgesetz (§§ 15, 16 ArbSchG) sind die Beschäftigten sogar verpflichtet, erhebliche Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit zu melden. Bei digitalem Stress ist oft unklar, ob schon eine „erhebliche Gefahr“ vorliegt. Wichtig ist: Wie die betroffene Person die Lage in dem Moment einschätzt – nicht, ob sich später tatsächlich eine Gesundheitsgefahr nachweisen lässt.

Für die Mitarbeiter bedeutet das: Eine Anzeige darf keine Nachteile nach sich ziehen. Der Arbeitgeber muss die Gefährdungen aktiv prüfen und entsprechend handeln.

Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Betriebsräten

Sobald eine Gefährdungsanzeige beim Arbeitgeber eingegangen ist, muss dieser die Situation prüfen und Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört auch die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, die regelmäßig oder bei gehäuft auftretenden Gefährdungen vom Arbeitgeber wiederholt werden muss. Werden Belastungen ignoriert, können Beschäftigte im Zweifel auf Abhilfe klagen.

Für Sie als Betriebsrat ergibt das ein breites Handlungsfeld:

  • Mitbestimmung bei Fragen der Arbeitszeit, der technischen Überwachung und des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 7 BetrVG).
  • Informationsrecht, wenn neue digitale Systeme oder eine KI eingeführt werden (§ 90 BetrVG).
  • Zuziehung von Sachverständigen, um die gesundheitlichen Auswirkungen beurteilen zu lassen (§ 80 Abs. 3 BetrVG).

Praxis-Tipp: Sie sollten eine Betriebsvereinbarung mit folgenden Inhalten aufsetzen:

  • Meldewege
  • Zuständigkeiten
  • Bearbeitung
  • Rückmeldungen

Eine klare Regelung schafft Transparenz und Vertrauen – sowohl bei den Arbeitnehmern als auch beim Arbeitgeber. Alles über die Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung erfahren Sie im Seminar Gefährdungsbeurteilung.

Wie Sie als Betriebsrat aktiv unterstützen können

Es ist wichtig, dass Sie als Betriebsrat die Beschäftigten darüber informieren, wie sie eine Gefährdungsanzeige richtig ausfüllen und einreichen können.

Seien Sie proaktiv und machen durch Aushänge, das digitale Schwarze Brett, Sprechstunden oder Betriebsversammlungen darauf aufmerksam. Machen Sie deutlich, dass sich die Kollegen jederzeit an den Betriebsrat wenden können, wenn sie eine Anzeige gestellt haben oder Unterstützung brauchen.

Wie eine Überlastungsanzeige aufgebaut sein sollte, erfahren Sie in dieser Checkliste.

Indem Sie die Gefährdungsanzeigen aktiv begleiten, erkennen Sie akute Belastungen frühzeitig. Gleichzeitig stärken Sie damit Ihre Rolle als Betriebsrat, der für eine gesunde Arbeitswelt sorgt. Gerade in Zeiten von KI und digitaler Transformation leisten Sie so einen entscheidenden Beitrag zur Prävention. Mehr dazu lernen Sie im Seminar Überlastungsanzeige.

Auf den Punkt: Die Kernunterschiede

 GefährdungsbeurteilungGefährdungsanzeige
Was?Systematische Analyse aller Arbeitsplätze/Tätigkeiten zur Ermittlung von Gefährdungen und Risiken.Konkrete Meldung eines aktuellen Missstands/einer Gefahr am Arbeitsplatz.
Warum?Prävention: Risiken früh erkennen und Maßnahmen festlegen.Akut handeln: Arbeitgeber auf konkrete Gefahr hinweisen und Abhilfe anstoßen.
Wer?Arbeitgeber ist verantwortlich; unterstützt durch Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt.Mitarbeiter oder Betriebsrat melden; ggf. mit SiFa/Betriebsarzt begleiten.
Wann?Regelmäßig: Bei Änderungen von Technik, Organisation oder Arbeitsmitteln, nach Unfällen/Beinaheunfällen.Anlassbezogen: Sofort bei erkannten Gefahren oder ausbleibenden Maßnahmen.
Wo?§5, §6 ArbSchG§15, §16, §17 ArbSchG
Wie?Strukturiert dokumentiert: Bereiche, Gefährdungen, Bewertung, Maßnahmen, Verantwortliche, Fristen.Schriftlich empfohlen: Datum, Ort, Gefahr, Betroffene, gewünschte Maßnahmen, Fotos/Anlagen.
BR-Rolle
  • Mitbestimmung im Gesundheitsschutz
    (§87 Abs.1 Nr.7 BetrVG)
  • Teilnahme an Begehungen/ASA
  • Wirksamkeitskontrolle einfordern
  • Meldeweg bereitstellen
  • Anzeigen dokumentieren
  • Fristen setzen und Rückmeldung nachverfolgen
  • Schutz der Meldenden beachten

5 To dos für den Betriebsrat

  1. GBU aktiv mitgestalten: Checklisten, Begehungen, Teilnahme an ASA und Wirksamkeitskontrollen einfordern.
  2. Meldewege klarziehen: Anzeigen entgegennehmen und Vorlagen bereitstellen.
  3. Dokumentation sichern: Bei Anzeigen Datum, Ort, Gefahr, bereits bekannte Vorfälle und gewünschte Maßnahme notieren.
  4. Dranbleiben: Fristen setzen, Rückmeldung einfordern und gegebenenfalls Einigungsstelle einbinden.
  5. Schutz bieten: Keine Nachteile für Meldende zulassen und sachlich bleiben.
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