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Beschwerderecht der Arbeitnehmer

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Sämtliche im Betrieb beschäftigte Personen haben nach § 84 BetrVG das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs oder der Dienststelle zu beschweren.

Was Sie als Betriebsrat dabei zu tun haben, erfahren Sie hier.

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Beschwerderecht - Behandlung durch den Betriebsrat

Wird ein Arbeitnehmer individuell benachteiligt oder ungerecht behandelt, bzw. beeinträchtigt, so hat er das Recht sich nach § 84 Abs. 1 BetrVG bei den zuständigen Stellen des Betriebes zu beschweren. Er kann den Betriebsrat um Unterstützung und/oder Vermittlung ersuchen.

Nach § 84 Abs. 3 BetrVG dürfen dem Arbeitnehmer durch das Erheben einer Beschwerde keine Nachteile entstehen, siehe auch § 612 a BGB, Maßregelungsverbot.

Es kann sich hierbei auch um Beschwerden handeln, die einen Mitbestimmungsgegenstand des Betriebsrats betreffen, z.B. das Leisten von Überstunden.

Wird ein Arbeitnehmer entgegen der Grundsätze des § 75 BetrVG unterschiedlich zu anderen Arbeitnehmern behandelt, kommt es nicht darauf an, von wem die Ungleichbehandlung ausgeht, z.B. Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.

Der Arbeitgeber ist nach dem Beschäftigtenschutzgesetz verpflichtet, Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz zu schützen. Es handelt sich hierbei um jedes vorsätzliche sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt, vgl.F.K.H.E., § 84 Rn. 9, 20. Auflage.

Der Gesetzgeber sieht in § 84 Abs.1 BetrVG vor, dass sich der Arbeitnehmer mit seiner Beschwerde an die „zuständigen Stellen im Betrieb“ wenden kann. Gleichwohl schließt dies nicht aus, dass ein Arbeitnehmer sich mit einer Beschwerde erst an den Betriebsrat wendet und diesen bittet, tätig zu werden. Hierbei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf anonyme Behandlung seiner Beschwerde hat, solange sein allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht verletzt wird. Im allgemeinen besteht keine besondere Schweigepflicht des Betriebsrats.

Der Betriebsrat sollte jedoch den Arbeitnehmer darüber unterrichten, wie er der eingegangenen Beschwerde nachgehen will. Erachtet der Arbeitgeber die Beschwerde für berechtigt, so hat er im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für Abhilfe zu schaffen und dem Arbeitnehmer und/oder dem Betriebsrat, soweit dieser vom Arbeitnehmer über die Beschwerde in Kenntnis gesetzt wurde, über die getroffenen Maßnahmen zu unterrichten.

Lehnt der Arbeitgeber die Behandlung einer Beschwerde des Arbeitnehmers ab, hat er die Ablehnung zu begründen. Sind individualrechtliche Ansprüche des Arbeitnehmers betroffen, so kann dieser Klage vor dem Arbeitsgericht erheben.

Anrufung der Einigungsstelle

Der Betriebsrat hat Beschwerden der Arbeitnehmer entgegenzunehmen, sie auf ihre Berechtigung hin zu prüfen und beim Arbeitgeber entsprechende Abhilfe zu beantragen.

Der Arbeitgeber hat der Beschwerde nachzugehen und den Betriebsrat über den jeweiligen Stand der Dinge zu informieren. Die Beschwerde gilt als erledigt, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der ihm gebotenen Möglichkeiten für Abhilfe geschafft hat. Über die Art der Abhilfe hat der Arbeitgeber den Betriebsrat und den betroffenen Arbeitnehmer zu unterrichten.

Sind Arbeitgeber und Betriebsrat über die Berechtigung einer Beschwerde uneinig, so kann der Betriebsrat nach § 85 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen. In diesen Fällen kann die Einigungsstelle nur vom Betriebsrat angerufen werden.

Einer Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf es nicht. Der Arbeitnehmer selbst kann die Einigungsstelle nicht anrufen, wird aber im Einigungsstellenverfahren gehört. Zieht er seine Beschwerde zurück, so ist das Einigungsstellenverfahren einzustellen, vgl. F.K.H.E., § 85 Rn. 3, 20. Auflage.

Im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens wird die Berechtigung einer Beschwerde geprüft. Wie der Arbeitgeber einer berechtigten Beschwerde abhilft, ist dagegen nicht Verhandlungsgegenstand.

Erachtet die Einigungsstelle eine Beschwerde als berechtigt, so hat der Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen für Abhilfe zu schaffen.

Individualrechtliche Ansprüche können nicht Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens sein.

Die Zuständigkeit der Einigungsstelle ist gegeben, wenn es sich um Angelegenheiten bzgl. der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht, den Grundsätzen von Recht und Billigkeit oder der Gleichbehandlung handelt, vgl. F.K.H.E., § 85 Rn. 4c, 20. Auflage.

Innerbetriebliche Beschwerdestelle

Durch Tarifvertrag oder freiwillige Betriebsvereinbarung können Einzelheiten zur Durchführung von Beschwerdeverfahren geregelt werden.

Hierbei kann die Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG durch eine innerbetriebliche Beschwerdestelle ersetzt werden, deren Mitglieder von Arbeitgeber und Betriebsrat zu benennen sind. Man kann einen sog. innerbetrieblichen Instanzenzug (Beschwerdehierarchie) vereinbaren.

Praxis-Tipp

Im Zweifelsfalle sollte sich der Betriebsrat bei Eingehen von Beschwerden die ausdrückliche Zustimmung des Beschwerdeführers bzgl. seines Tätigwerdens einholen. Es macht für den Betriebsrat keinen Sinn, wenn er sich für die Belange des Beschwerdeführers einsetzt, dieser sich aber dann evtl. distanziert. Werden durch die Beschwerde gleichzeitig Beteiligungs- oder Mitbestimmungsrechte erfasst, so kann der Betriebsrat von sich aus tätig werden. Bei Eingang von anonymen Beschwerden ist genauestens zu prüfen, ob sie berechtigt sind und wie evtl. vorgegangen werden kann.

Der Betriebsrat sollte sich nicht unnütz instrumentalisieren lassen.

Bei der Behandlung von Beschwerden hat der Betriebsrat auf die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer und ggf. auf seine Schweigepflicht nach § 79 BetrVG zu achten.

Beschwerden gegen den Betriebsrat werden von § 84 BetrVG nicht erfasst. In diesen Fällen kommt nur ein Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Betracht, vgl. F.K.H.E. § 84 Rn. 12, 20. Auflage.

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