Wirtschaftsausschuss – einfach erklärt
Lars Althoff
Ein Wirtschaftsausschuss ist ein Gremium, das nach § 106 BetrVG in Unternehmen ab 100 Arbeitnehmern vom Betriebsrat bzw. bei Bestehen eines Gesamtbetriebsrats von diesem bestellt werden muss. Im Wirtschaftsausschuss beraten Betriebsrat und Unternehmer über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens. Der Wirtschaftsausschuss ist ein wichtiges Hilfsorgan des Betriebsrats und hat ganz eigene gesetzlich definierte Aufgaben, Rechte und Pflichten.
Der Wirtschaftsausschuss – eine ehrenamtliche Tätigkeit
Die Tätigkeit im Wirtschaftsausschuss ist gem. § 37 Abs. 2 und 3 BetrVG ehrenamtlich. Seine Mitglieder- mindestens drei und maximal sieben, von denen (mindestens) ein Mitglied gleichzeitig auch Betriebsratsmitglied sein muss- sind ohne Minderung des Arbeitsentgelts für die Tätigkeit im Wirtschaftsausschuss freizustellen. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit im Wirtschaftsausschuss nicht benachteiligt oder begünstigt werden.
Kündigungsschutz des Wirtschaftsausschusses
Einen besonderen Kündigungsschutz wie Betriebsratsmitglieder nach § 15 Kündigungsschutzgesetz haben Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, sofern sie nicht auch dem Betriebsrat angehören, nicht. Sie genießen lediglich einen relativen Kündigungsschutz nach § 78 Satz 2 BetrVG, da sie nicht zum Personenkreis des § 15 KSchG gehören.
Soll ein Mitglied des Wirtschaftsausschusses allein wegen seiner Tätigkeit im Wirtschaftsausschuss gekündigt werden, so ist diese Kündigung nichtig.
Die Dauer der Amtszeit eines Wirtschaftsausschusses
Die Amtszeit des Wirtschaftsausschusses entspricht grundsätzlich der Amtszeit des Betriebsrats, d.h. im Regelfall vier Jahre (§ 107 Abs. 2 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 21 BetrVG). Wurden die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses vom Gesamtbetriebsrat bestimmt, richtet sich ihre Amtszeit nach der Amtszeit der Mehrheit der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats. Durch einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats können die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses jedoch auch jederzeit ohne Angabe von Gründen nach § 107 Abs. 2 Satz 3 BetrVG abberufen werden. Darüber hinaus kann jedes Wirtschaftsausschussmitglied seine Amtszeit allzeit durch die Niederlegung seines Amts beenden. Außerdem endet die Amtszeit eines Mitglieds des Wirtschaftsausschusses automatisch auch durch dessen Ausscheiden aus dem Betriebsrat
Aufgaben des Wirtschaftsausschuss
Der Wirtschaftsausschuss muss versuchen, das wirtschaftliche System im Unternehmen zu überblicken, um dessen Inhalte sowie die wirtschaftlichen Abläufe kennenzulernen. Erst dann hat er die Fähigkeit, den aus seiner Meinung korrekten Informations- und Beratungsbedarf festzulegen. Damit kann er sich zumindest teilweise von der unternehmerseitigen Informationsbereitschaft lösen.
Die Rechte des Wirtschaftsausschusses gegenüber dem Arbeitgeber
Um seine Aufgabe zu erfüllen, hat der Wirtschaftsausschuss das Recht auf Einsicht wirtschaftlicher Unterlagen und Kennzahlen des Unternehmens. Um dem Wirtschaftsausschuss diese Planung zu ermöglichen, sollte der Unternehmer seine Gesamtplanung inklusive alle dazugehörigen Teilpläne, z.B. nach Geschäftsfeldern, Sparten oder Standorten, unterteilen.
Recht auf Informationspflicht durch den Arbeitgeber
Nach § 106 Abs. 2 BetrVG muss der Wirtschaftsausschuss durch den Arbeitgeber rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen informiert werden. Diese Unterrichtungspflicht muss der Unternehmer ohne ausdrückliches Verlangen des Wirtschaftsausschusses erfüllen.
Das BAG hat hierzu klargestellt: "Die Verpflichtung, den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig zu unterrichten, soll sicherstellen, dass der Wirtschaftsausschuss und der von ihm unterrichtete Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat Einfluss auf die Gesamtplanung nehmen kann, weil sich die Gesamtplanung in der Regel auch auf die Personalplanung auswirkt" (BAG 20.11.1984, EzA § 106 BetrVG 1972 Nr. 6).
Mit dieser Rechtsprechung bekräftigt das BAG, dass für die Unterrichtung des WA besonders Planinformationen enorm wichtig sind. Aufgrund der Auswirkungen der Unternehmensplanung auf die Personalplanung, welche für die Arbeitnehmerinteressen bedeutend ist, soll die festgelegte, rechtzeitige und umfassende Information gewährleisten, dass der WA und der BR die Möglichkeit haben, einen Einfluss auf die Gesamtplanung des Unternehmens ausüben zu können. Der Wirtschaftsausschuss hat das Recht, dazu nötige Informationen vom Arbeitgeber einzufordern, die dem (Gesamt-) Betriebsrat nicht zustehen. Diese Tatsache bringt für den Betriebsrat einen enormen Vorteil mit sich.
Nach § 106 Abs. 3 BetrVG hat der Unternehmer vor allem über die in dieser nicht abschließenden Aufstellung aufgelisteten, wirtschaftlichen Angelegenheiten den Wirtschaftsausschuss zu unterrichten und die nachfolgenden Punkte mit ihm zu beraten:
- Die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens. Dazu gehören insbesondere Gewinne, Verluste, Außenstände, steuerliche Belastungen, wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, Auftragsbestand, Liquidität usw.
- Die Produktions- und Absatzlage (Dies betrifft z.B. Fragen der Kapazitätsauslastung, der Produktion und der Lagerbestände)
- Das Produktions- und Investitionsprogramm (zum Beispiel: Unterrichtung über die Durchführung von Investitionsvorhaben und ihrer Finanzierung, geplante Produktionsumstellungen)
- Rationalisierungsvorhaben (zum Beispiel Automatisierung und Mechanisierung, Straffung der Betriebsorganisation, um Kosten zu senken)
- Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden (zum Beispiel: Umstellung von Einzelarbeit auf Gruppenarbeit oder Einführung von Schichtarbeit)
- Fragen des betrieblichen Umweltschutzes
- Die Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben oder Betriebsteilen
- Die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen
- Der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben
- Die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks (Beachte: Die wirtschaftlichen Angelegenheiten der unter Nr. 6 bis 9 aufgeführten Merkmale stellen nach § 111 BetrVG Betriebsänderungen dar. Somit ist eine Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses und des Betriebsrats durch den Unternehmer erforderlich!)
- Sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können. Zum Beispiel Auswirkungen der Steuerpolitik, allgemeine wirtschaftliche Lage der Branche, Verlagerung der Produktion ins Ausland, Fusionen usw.
Wichtig: Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, dem Wirtschaftsausschuss Unterlagen in schriftlicher Form dauerhaft zu überlassen. Eine gesetzliche Grundlage für den Wirtschaftsausschuss fehlt an dieser Stelle. Allerdings steht es dem Wirtschaftsausschuss zu, sich Notizen während der Einsicht der Unterlagen zu machen. Meist wird dem Wirtschaftsausschuss die Einsicht nur in den Räumlichkeiten des Unternehmers gewährt. Bei besonders schwierigen und umfangreichen Themen kann der Wirtschaftsausschuss auch für einen begrenzten Zeitraum Unterlagen zur vorübergehenden Überlassung anfordern, um sich auf die Sitzung und Beratung mit dem Unternehmer vorbereiten zu können.
Kommt er Unternehmer seiner Verpflichtung zur umfassenden Unterrichtung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nach, kann über den (Gesamt-) Betriebsrat gemäß § 109 BetrVG die Einigungsstelle angerufen werden. Der Unternehmer ist daher gut beraten, wenn er dem Wirtschaftsausschuss die gewünschten Informationen zu den gesetzlich aufgezählten wirtschaftlichen Angelegenheiten zeitnah zur Verfügung stellt.
Recht auf Kenntnisse zum „Informationssystem des Unternehmens“
Für die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses ist es von Vorteil, wenn sie einen Überblick über das Informationssystem des Unternehmens haben. So hat der Wirtschaftsausschuss die Möglichkeit, relevante Auskünfte und Unterlagen detailliert zu beantragen, um unternehmerische Entscheidungen verfolgen zu können und, falls nötig, kritisch nachzufragen.
Allgemein sollten zuerst die für den Wirtschaftsausschuss relevanten und vorhandenen Unterlagen erfasst werden. Sobald sich der Wirtschaftsausschuss einen Überblick verschaffen konnte, gilt es als nächstes mit dem Unternehmer zu vereinbaren, welche Unterlagen zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten gemäß der Auflistung in § 106 Abs. 3 BetrVG dem Wirtschaftsausschuss zur Sitzungsvorbereitung auszuhändigen sind. Nachdem die organisatorischen Grundsätze geklärt sind kann man beginnen, die richtigen Unterlagen und Inhalte genau zu thematisieren.
Dieser Ratgeber ermöglicht Ihnen, sich wirtschaftliche Informationen und betriebswirtschaftliche Kenntnissen anzueignen. Er beinhaltet wertvolle Tipps, die Ihnen Ihre Arbeit im Wirtschaftsausschuss erleichtern.
Recht auf Zugang zu wirtschaftlichen Informationen des Unternehmens
Von außen zeigt sich das Unternehmen meist selbst ansehnlich. Intern und auch im Wirtschaftsausschuss hingegen bemüht man sich, die wirtschaftliche Situation so schlecht wie möglich darzustellen, damit der Unternehmer z.B. die Erforderlichkeit weiterer wirtschaftlicher Kostensenkungsmaßnahmen gegenüber der Arbeitnehmerseite begründen kann.
Immer wieder haben Arbeitnehmervertreter die Möglichkeit, aus solchen Einwänden entsprechende Argumente für Ihre Positionen zu ziehen. Aus diesem Grund sind Informationen über das Unternehmen (wie z.B. der Jahresabschluss) zur Außendarstellung wichtig. Im Gegensatz zur Zusammenfassung der Unternehmensaussichten, welche der Wirtschaftsausschuss bekommt, lässt sich der dortige Lagebericht besser lesen. Um die Kreditkosten zu senken, versuchen viele Unternehmen, bei den Kreditinstituten einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen. Um immer auf dem neuesten Stand zu sein, wäre es für den Wirtschaftsausschuss wichtig, derartige Unterlagen zu bekommen.
Auch die finanzielle Unternehmenssituation ist eine dem Wirtschaftsausschuss zustehende Information. Daher kann er Fragen im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit und die Ratingkennziffern stellen und Auskunft verlangen.
Der Wirtschaftsausschuss hat zu Planungszwecken das Recht, sich Zugang zu folgenden Informationsquellen zu verschaffen:
Handelsregister
Jedes Unternehmen muss sich im örtlichen Handelsregister eintragen lassen und bestimmte Auskünfte veröffentlichen. Diese Informationen kann und darf jeder einsehen.
Jahresabschluss
Bei Kapitalgesellschaften gehören zum Jahresabschluss die Handelsbilanz nach HGB, die Gewinn- und Verlustrechnung und der Anhang. Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften müssen zudem einen Lagebericht erstellen.
Monatliche Erfolgsrechnung
Der Jahresabschluss dient zur Analyse der Geschäfte in der Vergangenheit, die monatliche Erfolgsrechnung hingegen gibt einen Überblick über die aktuellen Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens. Damit wird erst eine kurzfristige Reaktionsfähigkeit und die Funktion der Frühwarnung gewährt.
Monatliche Liquiditätsplanung
Um die Zahlungsfähigkeit der Gläubiger zu kontrollieren, dient die Transparenz, z.B. über die anstehenden kurzfristigen Verbindlichkeiten, Zahlungen, Forderungen und Einnahmen.
Unternehmensplanung
Die Unternehmensplanung setzt sich aus den Teilplänen (Absatzplan, Produktionsplan, Beschaffungsplan, Personalplan, Investitionsplan und Finanzplan) zusammen. Zukünftige Absichten des Unternehmers können erst bei Kenntnis dieser Pläne erkannt werden.
Prüfungsbericht
Den Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften müssen externe Wirtschaftsprüfer kontrollieren. Als Resultat fertigen diese einen Prüfungsbericht an, welcher die Feststellungen der Prüfer genauestens beschreibt.
Berichte der Unternehmensberater/Consultants
Hinweise der Berater haben meist beträchtliche Konsequenzen für die Beschäftigten.
Kostenrechnung
Bei spezifischen Fragen über wirtschaftliche Hintergründe reichen die oben genannten Unterlagen meistens nicht. Der Einblick in die Kostenrechnung ist deshalb die beste Lösung für Transparenz und Vertrauen.
Wichtig: Ausnahmen von der Unterrichtungspflicht bestehen nur, wenn Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden. Unabhängig davon unterliegen die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses der Geheimhaltungspflicht des § 79 BetrVG. Dies gilt (selbstverständlich) nicht gegenüber dem Betriebsrat und dessen Mitgliedern.
Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat
Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsausschusses und Betriebsrat
Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat können eine solide Zusammenarbeit im Sinne des Unternehmens leisten und voneinander profitieren. Hierbei ist es wichtig, dass der Wirtschaftsausschuss die notwendigen Informationen rechtzeitig vom Arbeitgeber erhält und den Betriebsrat entsprechend informiert. So können alle Beteiligten und langfristig auch die Arbeitnehmer im Betrieb erfahren, wo es mit dem Unternehmen hingehen soll und was genau auf alle Beteiligten zukommen wird.
Da ein Teil der Unterrichtungspflicht nach § 111 BetrVG mit der Unterrichtungspflicht nach § 106 Abs. 3 BetrVG vergleichbar ist, sollten der Betriebsrat und der Wirtschaftsausschuss ständig in Kontakt zueinander stehen.
Die Pflichten des Wirtschaftsausschusses gegenüber dem Betriebsrat
Die Pflicht des Wirtschaftsausschusses ist es, mit dem Unternehmer wirtschaftliche Angelegenheiten zu beraten und den Betriebsrat über die Beratungsgegenstände zu informieren. Der Bericht an den Betriebsrat über jede Sitzung muss durch den Wirtschaftsausschuss unverzüglich und vollständig erfolgen (§ 108 Abs. 4 BetrVG). Der Jahresabschluss ist dem BR durch den Wirtschaftsausschuss zu erläutern (§ 108 Abs. 5 BetrVG).