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Betriebsrätemodernisierungsgesetz

4 Minuten Lesezeit

Das „Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt” (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) ist am 01.06.2021 in Kraft getreten. Es soll Betriebsräten die Arbeit erleichtern und die Betriebsratswahl vereinfachen. Darüber hinaus wird die Position der Betriebsräte gestärkt, insbesondere durch erweiterte Rechte bei der Weiterbildung, den Einsatz von künstlicher Intelligenz und bei mobiler Arbeit.

Was sich durch das Gesetz genau ändert und wie sich dies konkret in Ihrer BR-Arbeit auswirkt, erfahren Sie hier.

Person lernt in einem Seminar etwas über das Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Warum gibt es das Betriebsrätemodernisierungsgesetz?

Hintergrund ist eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2019, wonach nur noch 9% der betriebsratsfähigen Betriebe in Westdeutschland und 10% der betriebsratsfähigen Betriebe in Ostdeutschland über einen Betriebsrat verfügen. Das hat zur Folge, dass nur noch rund 41% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Westdeutschland sowie 36% in Ostdeutschland von Betriebsräten vertreten werden. Potentielle Ursachen dafür dürften u.a. die starren Formalien des Wahlverfahrens als auch Blockadeversuche von Arbeitgebern sein.

Das Gesetz soll diesen Misständen entgegenwirken. Es war ursprünglich unter dem Namen „Betriebsrätestärkungsgesetz“ als Gesetzesentwurf geplant.

Die wichtigsten Neuregelungen

Vereinfachung und Schutz von Betriebsratswahlen

Das vereinfachte Wahlverfahren gilt zukünftig für Betriebe mit 5 bis 100 Beschäftigten verpflichtend.

Darüber hinaus können in Betrieben mit 101 bis 200 Beschäftigten Arbeitgeber und Wahlvorstand die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren. Durch die kurzen Fristen sollen Behinderungen von Betriebsratswahlen in kleineren Betrieben reduziert werden.

Die Zahl der notwendigen Stützunterschriften für einen Wahlvorschlag wird gesenkt, um künftig mehr Beschäftigte zu motivieren, sich für den Betriebsrat zur Wahl zu stellen.

Schließlich wird durch eine Änderung des Kündigungsschutzgesetzes der Kündigungsschutz für die Vorfeld-Initiatoren einer Betriebsratswahl verbessert.

Die Rechtssicherheit der Betriebsratswahl wird weiterhin durch eine Einschränkung der Möglichkeit zur Wahlanfechtung gesteigert, insbesondere wenn Grund für die Anfechtung die Unrichtigkeit der Wählerliste ist und zuvor nicht die rechtlich vorgesehene Möglichkeit zur Behebung eines solchen Wahlfehlers genutzt wurde. Gleiches gilt für den Arbeitgeber, wenn die Unrichtigkeit der Wählerliste auf seinen Angaben beruht.

Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wird auf 16 Jahre herabgesetzt, bei der Wahl der JAV komplett gestrichen werden. Stattdessen soll beim aktiven und passiven Wahlrecht zur JAV bei Auszubildenden nur noch auf den Status abgestellt werden.

Mehr Rechte bei der Berufsbildung

Zur Stärkung der Rechte des Betriebsrats bei der Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung durch die Möglichkeit der Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung gestärkt.

Betriebliche Mitbestimmung beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI)

Betriebliche Mitbestimmung und eine frühzeitige Einbindung der Betriebsräte stärken das Vertrauen und die Akzeptanz der Beschäftigten bei der Einführung und der Anwendung von KI.

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht insofern vor, dass im Hinblick auf die Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von KI im Betrieb

  • festgelegt wird, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen beim Einsatz von KI für den Betriebsrat als erforderlich gilt;
  • klargestellt wird, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann gelten, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist;
  • sichergestellt wird, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Richtlinien über die personelle Auswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden.

Möglichkeiten zu Online-Sitzungen auch nach der Pandemie

Mit der Neuregelung in § 30 Abs. 2 BetrVG ist nunmehr dauerhaft festgelegt, dass die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen kann, wenn

  • die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
  • nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
  • sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Qualifizierte elektronische Signatur

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz stellt klar, dass Betriebsvereinbarungen – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – auch unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden können.

Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit

Zur Klarstellung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat wurde in § 79a BetrVG eine ausdrückliche gesetzliche Regelung geschaffen.

Stärkung des Betriebsrats bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit

Um mobile Arbeit zu fördern und um zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei ihrer Wahrnehmung einen einheitlichen und verbindlichen Rahmen zu gewährleisten, wurde in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt.

Erweiterter Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Homeoffice

Der Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Homeoffice wird durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz erweitert. Bisher erstreckte sich der Versicherungsschutz auf sogenannte Betriebswege, etwa zum Drucker in einem anderen Raum, nicht jedoch auf Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang. Hier hielt der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung für geboten. Darüber hinaus wird der Unfallversicherungsschutz bei einer Homeoffice-Tätigkeit auch auf Wege ausgedehnt, die die Beschäftigten zur Betreuung ihrer Kinder außer Haus zurücklegen.

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