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Abmahnung

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Eine Abmahnung ist eine einseitige Erklärung desjenigen, der eine Kündigung in Betracht zieht. Sie soll dem Vertragspartner die möglichen Folgen seines vertragswidrigen Verhaltens vor Augen führen. Ziel der Abmahnung ist somit, eine Verhaltensänderung des Vertragspartners herbeizuführen, indem er die Möglichkeit bekommen soll, sich wieder vertragskonform zu verhalten.

Im Arbeitsrecht sind Abmahnungen sowohl durch Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer möglich. Gründe für Abmahnungen durch den Arbeitgeber sind zum Beispiel Straftaten, Beleidigungen oder auch ausländerfeindliche Äußerungen. Grundsätzlich sind damit Handlungen gemeint, die bei mehrfachem Vorkommen zur Kündigung des Arbeitnehmers führen würden.

Was zu beachten ist und welche Rolle der Betriebsrat spielt, erfahren Sie hier.

In einem Brief ist ein Blatt mit der Überschrift Abfindung

Begriff und Zweck von Abmahnungen

Arbeitsrechtliche Abmahnungen werden von Arbeitgebern als Vorstufe zur verhaltens- oder leistungsbedingten Kündigung angewandt. Die Abmahnung drückt die Missbilligung des Arbeitgebers zu einem von ihm detailliert beschriebenen Fehlverhalten des Arbeitnehmers aus. Sie soll den Arbeitnehmer unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu einer positiven Verhaltensänderung bewegen.

Mit der Abmahnung weist der Gläubiger (im Normalfall der Arbeitgeber) den Schuldner der Arbeitsleistung (Arbeitnehmer) auf dessen vertragliche Verpflichtungen hin und zeigt ihm die gerügte Verletzung genau auf. Außerdem fordert er ihn unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen, wie der Kündigung auf, seine vertraglich geschuldeten Leistungen ordnungsgemäß zu erbringen (BAG, 10.11.1993, 7 AZR 682/92, bzw. BAG 15.07.1992, 7 AZR 466/91). Das Wort Kündigung muss nicht fallen. Fehlt die Androhung von Konsequenzen für den Wiederholungsfall, handelt es sich – auch wenn der Arbeitgeber das Schreiben als Abmahnung überschreibt oder bezeichnet – nicht um eine Abmahnung im Rechtssinne, sondern „nur“ um eine Ermahnung. Sie kann keine Abmahnung ersetzen. Der Arbeitgeber darf daher trotz einer Ermahnung bei einer Wiederholung des Fehlverhaltens nicht kündigen.

Vor der verhaltensbedingten Aussprache der Kündigung muss der Arbeitgeber grundsätzlich eine Abmahnung aussprechen. Sie ist immer erforderlich, wenn es sich um ein Verhalten des Arbeitnehmers handelt, das dieser selbst kontrollieren kann und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Die Abmahnung kann jedoch unterbleiben, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers so gravierend ist, dass eine Abmahnung keinen Erfolg zeigen würde.

Ein rechtswirksam und einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, er sei davon ausgegangen, dass sein Verhalten geduldet wurde.

Auch der Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber abmahnen, wenn dieser seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Beispiel: Vor der (fristlosen) Kündigung kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber wegen ausstehender Lohnzahlungen abmahnen.

Entstehung der Abmahnung

Das BAG geht davon aus, dass es sich bei Abmahnungen um das Ausüben eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts (individualvertragliches Rügerecht) handelt, das seine rechtliche Herkunft in § 326 Abs. 1 BGB findet (BAG 19.06.1967, 2AZR 287/66). Die Grundsätze der Abmahnung wurden von der Rechtsprechung im Laufe der Jahre weiter entwickelt.

Gründe

Gründe für die Erteilung einer Abmahnung gibt es viele. Im Einzelfall kann der Arbeitgeber auch berechtigt sein, ohne Erteilung einer Abmahnung gleich eine Kündigung auszusprechen.

Beispiele für Abmahn- und Kündigungsgründe:

  • Alkoholmissbrauch
  • Ausländerfeindliche Äußerungen
  • Beleidigungen
  • Beschädigungen
  • Sexuelle Belästigung
  • Straftaten oder Belästigungen unter Arbeitskollegen
  • Straftaten zu Lasten des Betriebes
  • Urlaubsüberschreitung
  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht

Voraussetzungen einer gültigen Abmahnung

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass eine Abmahnung folgendes Formerfordernis (Voraussetzungen in Form und Inhalt) erfüllen muss:

Rügefunktion

  • Fakten: was, wann, wer, wo, wie usw.
  • juristische Kritik, Verstoß gegen Haupt- oder Nebenpflichten des Arbeitsvertrages

Warnfunktion

  • arbeitsrechtliche Konsequenzen einschließlich Kündigung
  • Androhung der Kündigung, fristlos/ordentlich

Beweisfunktion

  • Urkundenbeweis: schriftliche Bestätigung durch Betroffene,
  • Anscheinsbeweis: schriftliche Bestätigung durch Zeugen,
  • ohne Beweiswert: einseitige Notizen

Bei ausländischen Arbeitnehmern kann eine Abfassung in deren Muttersprache notwendig sein.

In welcher Form muss eine Abmahnung erfolgen?

Mit einer Abmahnung macht der Arbeitgeber deutlich, dass

  • er eine Vertragsverletzung beanstandet,
  • er ein bestimmtes Verhalten erwartet und
  • im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beendet wird.

Wirksamkeit einer Abmahnung

Eine Abmahnung ist formal nur dann wirksam, wenn das Fehlverhalten klar und eindeutig beschrieben wird. Nur dann ist der Arbeitnehmer in der Lage sein Fehlverhalten abzustellen und sich wieder vertragstreu zu verhalten.

Abmahnung mündlich möglich

Eine Abmahnung muss zwar grundsätzlich nicht schriftlich erfolgen, auch mündlich ist es möglich, einen Arbeitnehmer abzumahnen. Das Gesetz sieht nämlich kein Schriftformerfordernis vor.

Aber: Wegen der einzuhaltenden Formalien, schrecken viele Arbeitgeber vor einer mündlichen Abmahnung zurück. Letztendlich muss der Arbeitgeber im Zweifelsfall auch Jahre später beweisen können, dass er eine formgültige Abmahnung ausgesprochen hat. Und das ist bei mündlichen Abmahnungen fast nie möglich. Werden Abmahnungen durch die Arbeitsgerichte geprüft, kommt es fast immer auf den genauen Wortlaut an. Und den nach einer mündlichen Abmahnung zu reproduzieren, ist in der Praxis fast unmöglich.

Wer ist abmahnungsberechtigt?

Abmahnungsberechtigt ist, wer aufgrund seiner Aufgabenstellung befugt ist, Anweisungen bzgl. Arbeitsort, Arbeitszeit sowie Art und Weise der auszuübenden Tätigkeit zu erteilen, d. h. Weisungs- und Direktionsrecht selbstständig ausübt.

Der Abmahnungszeitpunkt

Es gibt keine Frist, die jemanden dazu verpflichtet, innerhalb einer gewissen Zeit eine Abmahnung auszusprechen.

Allerdings kann der Arbeitgeber das Recht auf Abmahnung verwirken. Dies geschieht dann, wenn der Abmahnungsberechtigte zu lange wartet, so dass der evtl. Abmahnungsempfänger darauf vertrauen kann, sein (Fehl)Verhalten habe zu keiner Beanstandung Anlass gegeben.

Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Abmahnungen

Der Betriebsrat hat keinerlei Beteiligungsrechte beim Ausspruch von Abmahnungen, individualvertragliches Rügerecht.

Sollte eine spätere Kündigung u. a. auf eine Abmahnung oder mehrere Abmahnungen gestützt werden, so ist im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG dem Betriebsrat auch die Abmahnung zugänglich zu machen.

Der abgemahnte Arbeitnehmer kann sich beim Betriebsrat gem. §§ 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 BetrVG beschweren. Hält der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt, so kann er gem. § 85 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitgeber die Abhilfe der Beschwerde verlangen. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat von seinem Vorgehen zu unterrichten. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Berechtigung der Beschwerde nicht einigen, so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle gem. § 85 Abs. 2 BetrVG anrufen.

Der Arbeitnehmer kann eine Gegendarstellung schreiben, die mit der Abmahnung in der Personalakte gem. § 83 Abs. 2 BetrVG abzulegen ist.

Steht die Abmahnung im Zusammenhang mit der Leistung des Arbeitnehmers oder seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb, kann er ein Betriebsratsmitglied zu einem Gespräch mit dem Arbeitgeber gem. § 82 Abs. 2 BetrVG hinzuziehen.

Im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG ist dem Betriebsrat auch eine vom Arbeitnehmer verfasste Gegendarstellung zuzuleiten. Der Arbeitnehmer kann eine unberechtigte oder falsche Abmahnung auf dem Klagewege aus der Personalakte entfernen lassen.

Das gleiche gilt, wenn die Abmahnung durch Zeitablauf „verjährt“ ist, ihre Wirkung verloren hat.

Praxis-Tipp: Der Betriebsrat sollte versuchen eine freiwillige Betriebsvereinbarung über die Grundsätze der Abmahnungserteilung abzuschließen. Regelungsinhalte könnten u. a. folgende sein:

  • Abmahnungsfristen,
  • Anhörung, bzw. Unterrichtung des Betriebsrats,
  • Anhörung des Arbeitnehmers,
  • "Verjährungsfristen" einer Abmahnung, Herausnahme aus der Personalakte.

Dauer der Gültigkeit einer Abmahnung

Je länger eine Abmahnung in der Personalakte verweilt, desto schwächer wird sie. Das BAG geht davon aus, dass keine pauschalen Fristen festgelegt werden können, da es immer auf die Umstände des Einzelfalls ankomme (BAG, 18.11.1986, 7 AZR 674/84).

In der Praxis geht man davon aus, dass Abmahnungen nach 2 Jahren entfernt werden können, wenn kein ähnlicher oder nach gewissem Zeitablauf gleicher Fall eingetreten ist. Der Arbeitnehmer sollte von der Entfernung unterrichtet werden.

Entfernen aus der Personalakte

Falls der abgemahnte Arbeitnehmer der Auffassung ist, die Abmahnung sei nicht gerechtfertigt, hat er 2 Möglichkeiten:

  1. Er verfasst eine Gegendarstellung, die Ihr Arbeitgeber ebenfalls zur Personalakte nehmen muss.
  2. Er verklagt Ihren Arbeitgeber direkt auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.

Eine feste Zeitvorgabe, wann eine Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist, sieht das Gesetz nicht vor.

Bei einer Klage gegen eine Abmahnung muss Ihr Arbeitgeber beweisen, dass die Abmahnung formal rechtmäßig ist, der Abmahnungsgrund tatsächlich besteht und die Abmahnung dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Das Arbeitsgericht entscheidet dann darüber, ob Ihr Arbeitgeber die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen hat.

Wie viele Abmahnungen bis zur Kündigung?

Ausschlag gebend ist die Natur (Art) der Vertragsverletzungen. Da Vorfälle unterschiedlich schwer wiegen, die Rahmenbedingungen unterschiedlich sind, die Menschen unterschiedlich sind, kann es keine pauschalierten Angaben geben, z.B. drei verschiedene Vertragsverletzungen in zwei Jahren.

Wenn eine Abmahnung ihren Zweck nicht (mehr) erreichen kann, weil der Abgemahnte die (bereits) gerügte Schlechtleistung wiederholt und uneinsichtig ist, kann eine Kündigung ausgesprochen werden.

Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung

Dem Betriebsrat steht das Instrument der „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung“ zur Verfügung. Dieses kann zum Einsatz kommen, wenn der Betriebsrat durch den Arbeitgeber auf der Grundlage unwahrer Behauptungen abgemahnt wird. So kann er beispielsweise behaupten, dass ein Verhalten rechtswidrig sei, obwohl wohl dies nicht der Fall ist. Darüber hinaus kann das Vorgehen des Arbeitgebers im Hinblick auf den Empfängerkreis oder die Wortwahl einer Abmahnung auch eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellen. Hier besteht die Möglichkeit den Arbeitgeber zum Widerruf zu verpflichten. Außerdem können nach § 78 Abs. 1 BetrVG genau zu bezeichnende Unterlassungsansprüche bestehen.

Des Weiteren ist die „betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“ ein gutes Mittel, um den Arbeitgeber auf Pflichtverstöße hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass der Betriebsrat die Missachtung seiner Rechte nicht weiter dulden wird. Ebenfalls kann der Betriebsrat bei Nichterfüllung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Seiten des Arbeitgebers anmahnen, dass eine Änderung der Herangehensweise vollzogen werden muss. Die Wirkung der Abmahnung kann verschärft werden, wenn sie im Zug eines ordnungsgemäßen Beschlusses durch einen Anwalt ausgesprochen wird.

Der Vorteil der gleichzeitig zur Vorbereitung eines Beschlussverfahrens nach § 23 Abs. 3 BetrVG dienenden Abmahnung ist dem Arbeitgeber die Leugnung des Pflichtverstoßes zu nehmen und den erforderlichen Nachweis eines groben Verstoßes zu ermöglichen. Ob hierfür eine ohne mehrere Abmahnungen erforderlich sind, ist im Einzelfall zu klären. Das Instrument der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung sollte daher immer Einbeziehung der Rechtsvertretung des Betriebsrats genutzt werden.

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