Wie läuft das eigentlich mit der Einigungsstelle?
Wenn Sie sich als Betriebsrat mit dem Chef in einer Angelegenheit der echten Mitbestimmung festfahren, dann soll die Einigungsstelle den Fall lösen. Denn die Einigungsstelle bietet eine strukturierte Möglichkeit, Lösungen zu finden, die für beide Seiten akzeptabel sind. Doch wie genau funktioniert dieses Gremium? Und welche rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen gibt es?
Was ist eine Einigungsstelle?
Die Einigungsstelle ist ein Schlichtungsgremium, das dazu dient, betriebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu lösen. Bei ihr handelt es sich um eine Form der Konfliktbeilegung, die außerhalb der normalen gerichtlichen Verfahren steht. Die Einigungsstelle kann in allen Fragen angerufen werden, bei denen der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte hat. Besonders häufig wird sie bei Fragen zur erzwingbaren betrieblichen Mitbestimmung, also in Angelegenheiten des § 87 BetrVG, genutzt. Ein typischer Anwendungsfall ist die Einführung neuer Schichtpläne, bei denen sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf eine einvernehmliche Regelung einigen können. In solchen Fällen dient die Einigungsstelle als neutrale Instanz, die den Streit schlichten soll.
Weitere Beispiele für die Zuständigkeit einer Einigungsstelle:
- Herabsetzung der Zahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats
- Zeit und Ort der Sprechstunden des Betriebsrats
- Mitbestimmung bei Personalfragebögen, persönlichen Angaben und Beurteilungsgrundsätzen
- Umfang der Auskunftspflicht gegenüber dem Wirtschaftsausschuss
- Verhandlungen über einen Interessenausgleich bei Betriebsänderungen
Anruf bei der Einigungsstelle
Sie als Betriebsrat sollen im Streitfall die Einigungsstelle „anrufen“. Wie aber geht das genau und gibt es dafür ein rotes Telefon, das der Vorsitzende für diesen Fall in einem Koffer mit sich herumträgt? Mit „anrufen“ ist gemeint, dass die Einigungsstelle zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht besteht, sondern erst noch gebildet werden muss. Die Begriffe „zusammenrufen“ oder „einberufen“ wären hier klarer. Denn die Einigungsstelle ist kein ständiges Organ der Betriebsverfassung. Sie tritt nur dann zusammen, wenn dafür ein konkreter Bedarf besteht. Und den gibt es eben dann, wenn zwischen Arbeitgeber und BR keine Einigung erzielt werden kann und es sich um einen Fall der echten Mitbestimmung handelt. Der Betriebsratsvorsitzende stellt dann per Beschluss klar, dass die Einigung zwischen den beiden Parteien gescheitert ist.
Das Betriebsverfassungsrecht kennt auch die „dauernde Einigungsstelle“. Das bedeutet, dass der Betriebsrat und der Arbeitgeber sich für einen bestimmten Zeitraum auf eine feste Zusammensetzung der Einigungsstelle einigen. Falls es zu einem Konflikt kommt, kann die Einigungsstelle dadurch schneller einberufen werden, weil die Mitglieder schon feststehen und nicht erst neu bestimmt werden müssen. Dies beschleunigt den Prozess erheblich.
Wer ist dabei?
Die Einigungsstelle setzt sich aus mehreren Personen zusammen. Üblicherweise besteht sie aus einem unparteiischen Vorsitzenden sowie einer gleichen Anzahl von Beisitzern auf Arbeitgeber- und Betriebsratsseite. Die genaue Anzahl der Beisitzer kann im Vorfeld festgelegt werden. Die Parteien haben ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Beisitzer. Je mehr Beisitzer bestimmt werden, desto mehr steigen die Kosten für die Einigungsstelle an. Das erhöht wiederum den Druck auf die Parteien bzw. den meist zahlenden Arbeitgeber, sich zügig zu einigen.
Der Vorsitzende muss neutral sein. Oft übernehmen diese Aufgabe (pensionierte) Arbeitsrichter oder eine andere Person mit umfassender Erfahrung in der Schlichtung von Arbeitskonflikten. Personalvorschläge können wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit der Person bestehen. Kommt keine Einigung über den Vorsitzenden zustande, entscheidet das Arbeitsgericht. Beisitzer können hingegen nicht abgelehnt werden.
Praxistipp: Wenden Sie sich an einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt in Ihrer nahen Umgebung oder an Ihr zuständiges Arbeitsgericht, wenn Sie einen geeigneten Vorsitzenden suchen und niemanden in petto haben. Dort werden Sie Namen von Personen bekommen, die diese Tätigkeit schon einmal ausgeübt haben und an die Sie sich vertrauensvoll mit Ihrem Anliegen wenden können.
Die Neutralität des Vorsitzenden ist ein entscheidender Faktor für das Gelingen der Einigungsstelle. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und hat eine Stimme, die bei einem Patt entscheidend sein kann. Das bedeutet, dass er häufig eine vermittelnde und moderierende Rolle einnimmt, um die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss zu führen.
Beide Seiten dürfen die Einigungsstelle verlangen
Eine Einigungsstelle kann von beiden Seiten, also sowohl vom Arbeitgeber als auch von Ihnen als Betriebsrat, angerufen werden, wenn Verhandlungen festgefahren sind und keine Einigung erzielt werden konnte. Das Verfahren ist in § 76 BetrVG geregelt. Sobald eine Seite die Einrichtung einer Einigungsstelle beantragt, muss die andere Seite zustimmen.
Kommt es zu keiner Einigung über die Einsetzung der Einigungsstelle, entscheidet notfalls das Arbeitsgericht. Das ist auch der Fall, wenn sich die Parteien nicht über die Person des Vorsitzenden verständigen können. Hier hilft es, sich nicht auf einen möglichen Vorsitzenden zu versteifen, sondern mehrere Kandidaten auf dem Wunschzettel zu haben. So kann das Arbeitsgericht, sofern es nicht die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle feststellt, die Zahl der Beisitzer festlegen und auch einen Vorsitzenden bestimmen.
Der Ablauf des Verfahrens
Nachdem die Einigungsstelle einberufen wurde, findet eine Sitzung statt, bei der beide Seiten ihre Standpunkte darlegen. Diese Verhandlungen ähneln in gewisser Weise einem gerichtlichen Verfahren, sind jedoch flexibler und weniger formell. Die Parteien tragen ihre Argumente vor und der Vorsitzende leitet die Diskussion.
Die Aufgabe der Einigungsstelle besteht darin, eine Lösung zu erarbeiten, die beide Seiten akzeptieren können. Dabei wird oft versucht, durch Kompromisse oder Vermittlung eine Einigung zu erzielen. Sollte dies nicht möglich sein, kann die Einigungsstelle auch eine verbindliche Entscheidung treffen. Diese Entscheidung hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung, wenn es sich um ein Thema handelt, bei dem der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte hat.
Ein großer Vorteil der Einigungsstelle liegt darin, dass sie in der Regel schneller als ein Gerichtsverfahren zu einer Lösung führt. Darüber hinaus ermöglicht sie es den Parteien, die Kontrolle über den Prozess weitgehend zu behalten, da sie aktiv an den Verhandlungen beteiligt sind und nicht lediglich ein Urteil eines Gerichts abwarten müssen.
So könnte die Einigungsstelle ablaufen
- Sie als Betriebsrat fassen einen Beschluss über das Scheitern von Verhandlungen zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber und beantragen die Einberufung einer Einigungsstelle.
- Die Parteien einigen sich auf die Person des Vorsitzenden und über die Beisitzer.
- Die mündliche Verhandlung über das streitige Thema endet in einem Beschluss. Der Vorsitzende enthält sich zunächst.
- Eine weitere Beratung samt Abstimmung folgt, wenn es in der ersten Abstimmung keine Mehrheit gibt, diesmal unter Beteiligung des Vorsitzenden.
- Das Ergebnis wird als Beschluss der Einigungsstelle schriftlich festgehalten und vom Vorsitzenden unterzeichnet an beide Parteien weitergegeben.
Kosten und Verantwortung
Die Kosten der Einigungsstelle werden in der Regel vom Arbeitgeber getragen, es sei denn, es wird etwas anderes vereinbart. Dies umfasst sowohl die Honorare für den Vorsitzenden als auch eventuelle Kosten für die Beisitzer, falls diese extern hinzugezogen werden. Die Verfahrenskosten können je nach Dauer und Komplexität des Falls erheblich sein. Das kann dazu führen, dass beide Seiten eine rasche Einigung anstreben, um unnötige Kosten zu vermeiden.
Praxistipp: Sie als Betriebsrat können sich im Einigungsstellenverfahren auch von einem Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Wenn Sie als Betriebsrat der Meinung sind, dass die Unterstützung durch einen Anwalt notwendig ist, muss der Arbeitgeber die Anwaltskosten übernehmen. In der Regel ist das bei Einigungsstellenverfahren der Fall.
Vor- und Nachteile der Einigungsstelle
Die Einigungsstelle bietet zahlreiche Vorteile. Einer der wichtigsten ist ihre Flexibilität: Im Vergleich zu einem Gerichtsverfahren ermöglicht sie eine schnellere, weniger formale und oft pragmatischere Lösung. Darüber hinaus sind die Parteien in den Entscheidungsprozess stärker eingebunden, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die gefundene Lösung auch von beiden Seiten akzeptiert wird.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Einigungsstelle in vielen Fällen zu einer verbindlichen Entscheidung kommt, die genauso wirkt wie eine Betriebsvereinbarung. Dies schafft Rechtssicherheit und verhindert, dass Konflikte über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben.
Allerdings gibt es auch Nachteile. Die Kosten, insbesondere für den Vorsitzenden und externe Beisitzer, können hoch sein. Zudem besteht das Risiko, dass die Einigungsstelle eine Entscheidung trifft, die einer der beiden Seiten nicht gefällt, was das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat belasten kann.
Dennoch, die Einigungsstelle ist ein wichtiges Instrument im Betriebsverfassungsrecht, um festgefahrene Konflikte zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten zu lösen. Durch ihre Flexibilität und die Möglichkeit, eine verbindliche Entscheidung zu treffen, bietet sie eine attraktive Alternative zu langwierigen Gerichtsverfahren.