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SBV – Umfang der Unterrichtungspflicht bei Einstellungen

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Nach § 178 Absatz 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die SBV in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die (schwer-)behinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Zudem muss der Arbeitgeber der SBV die danach getroffene Entscheidung unverzüglich mitteilen.

Drei Personen besprechen den Umfang der Unterrichtungspflicht bei Einstellungen

Diese Unterrichtungspflicht ist sehr weitreichend – sie geht sogar weiter als das Informationsrecht des Betriebsrats. Der Schwerbehindertenvertretung soll damit die Wahrnehmung ihrer Aufgaben ermöglicht werden.

Von der Unterrichtungspflicht werden Maßnahmen erfasst, die (schwer-)behinderte Menschen unmittelbar betreffen, also insbesondere Einstellungen oder Versetzungen. Es reicht aber auch schon, wenn es um eine Angelegenheit geht, die einen einzelnen (schwer-)behinderten Menschen oder (schwer-)behinderte Menschen als Gruppe berühren oder sonst betreffen.

Einstellung von (schwer-)behinderten Beschäftigten

Die Eingliederung von (schwer-)behinderten Menschen in den Arbeitsmarkt ist einer der zentralen Aspekte des Schwerbehindertenrechts. Arbeitgeber sind nach § 164 Absatz 1 SGB IX verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit (schwer-)behinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten (schwer-)behinderten Menschen, besetzt werden können. Dabei haben sie frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen. Die Bundesagentur für Arbeit oder ein Integrationsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete (schwer-)behinderte Menschen vor. Über diese Vermittlungsvorschläge und vorliegenden Bewerbungen von (schwer-)behinderten Menschen haben die Arbeitgeber die SBV und den Betriebsrat unmittelbar nach Eingang zu unterrichten, vgl. § 164 Absatz 1 Satz 4 SGB IX.

Die Schwerbehindertenvertretung hat nach § 178 Absatz 2 SGB IX das Recht auf

  • Einsicht in die Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur nach § 164 Absatz 1 SGB IX und sämtliche Bewerbungen (schwer-)behinderter Menschen,
  • rechtzeitige Information über die beabsichtigte Einstellung,
  • Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen,
  • Anhörung bei beabsichtigter Einstellung, sowie auf
  • Teilnahme an allen Vorstellungsgesprächen, die Stellen für (schwer-)behinderte Arbeitnehmer vorsehen.

Verletzung der Unterrichtungs- und Anhörungspflicht

1. Ordnungswidrigkeit

Verletzt der Arbeitgeber die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht, indem er beispielsweise vorsätzlich oder fahrlässig

  • der Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX nicht nachkommt,
  • nicht frühzeitig Verbindung mit dem Arbeitsamt gemäß § 164 Absatz 1 SGB IX aufnimmt oder
  • die SBV und den Betriebsrat nicht über die Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamts und vorliegende Bewerbungen von (schwer-)behinderten Menschen unmittelbar nach Eingang unterrichtet,

kann diese Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 238 Absatz 1 SGB IX mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 EUR von der Bundesagentur für Arbeit geahndet werden, vgl. § 238 Absatz 2 SGB IX.

2. Aussetzung der Entscheidung

Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Unterrichtungs- und Anhörungspflicht aus § 178 Absatz 2 Satz 1 SGB IX, indem er die Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbungsgesprächen nicht beteiligt und vor seiner Entscheidung nicht anhört, so ist die Vollziehung der Einstellung auszusetzen und die Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen, vgl. § 178 Absatz 2 Satz 2 SGB IX. Nach Ablauf dieser Frist kann sodann eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Die Aussetzung führt insofern lediglich zur zeitlichen Aufschiebung der Entscheidung. Wird die SBV innerhalb der Frist von sieben Tagen erneut nicht beteiligt, ist die Maßnahme des Arbeitgebers – hier die Einstellung – trotz Zuwiderhandlung wirksam.

Hinweis: Für Kündigungen ist durch das Bundesteilhabegesetz eine Unwirksamkeitsregelung ins SGB IX aufgenommen worden. Nach § 178 Absatz 2 Satz 3 SGB IX ist die Kündigung eines (schwer-)behinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach § 178 Absatz 2 Satz 1 SGB IX ausspricht, unwirksam.

3. Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Bei den beiden zuvor genannten rechtlichen Möglichkeiten handelt es sich um eher begrenzte Mittel. Die Schwerbehindertenvertretung kann allerdings über die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats die Ansprüche (schwer-)behinderter Menschen besser durchsetzen. Insofern die die enge Zusammenarbeit von SBV und Betriebsrat von entscheidender Bedeutung.

Dem Betriebsrat steht nach § 99 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsrecht zu. In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Einstellung einzuholen. Dieser wiederum kann die Zustimmung zur personellen Maßnahme verweigern, wenn einer der in § 99 Absatz 2 BetrVG genannten Gründe vorliegt, insbesondere wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt.

Der mit § 178 Absatz 2 Satz 1 SGB IX vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die Schwerbehindertenvertretung bei Entscheidungen über solche Maßnahmen einzubeziehen, die einen schwerbehinderten Arbeitnehmer betreffen, kann jedoch nur dadurch erreicht werden, dass die Durchführung der Maßnahme unterbleibt, solange die Schwerbehindertenvertretung nicht angehört worden ist. Arbeitgebern ist es daher bei darauf Bezug nehmender Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats verwehrt, die beabsichtigte Versetzung durchzuführen.

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