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Mit Job Carving zu mehr Inklusion

5 Minuten Lesezeit

Individuelle Arbeitsplätze gestalten? Mit Job Carving können Sie als SBV nach dem Baukastenprinzip den genau passenden Arbeitsplatz für einen bereits vorhandenen Mitarbeiter oder Bewerber zusammenstellen. Wir zeigen Ihnen wie das genau funktioniert und wie Sie neue Aufgaben(-bereiche) schaffen können.

Job Carving – wie geht das?

Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff, einen Arbeitsplatz zu schnitzen. Das beschreibt ziemlich genau, was beim Job Carving tatsächlich passiert. Aus bereits vorhandenen Stellenbeschreibungen werden bestimmte, häufig etwas leichtere, Aufgaben herausgelöst und neu zusammengefügt. Daraus entsteht dann ein neuer Arbeitsplatz, der genau auf die schwerbehinderte oder gleichgestellte Person zugeschnitten ist, die ihn anschließend ausüben soll. Das aus den USA stammende Konzept zielt darauf ab, Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistigen Behinderungen den Zugang zu attraktiven Arbeitsplätzen zu erleichtern. In Europa bewährt sich die Methode auch bei körperlichen Einschränkungen.

Unterschied zum leidensgerechten Arbeitsplatz

Kritiker mögen jetzt sagen, wir brauchen so etwas nicht. Wir haben doch schon den leidensgerechten Arbeitsplatz, mit dem wir auf die Bedürfnisse von schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen eingehen können.

Leider gibt es immer noch Unternehmen, die es vorziehen, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, anstatt einen schwerbehinderten Menschen einzustellen. Dies führt dazu, dass es an tragfähigen Konzepten mangelt, um die Inklusion in deutschen Betrieben weiter voranzubringen.

Beide Systeme funktionieren außerdem nach unterschiedlichen Prinzipien. Der leidensgerechte Arbeitsplatz konzentriert sich darauf, welche Defizite ein Mitarbeiter hat, die durch verschiedene Hilfsmittel ausgeglichen werden sollen. Im Gegensatz dazu stehen beim Job Carving die Stärken des Mitarbeiters im Vordergrund, wobei gefragt wird, welche Aufgaben er gut erledigen kann.

Gewinn für Unternehmen und Mitarbeiter

Diese Herangehensweise bietet verschiedene Vorteile. Für die schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Kollegen bedeutet es einen immensen emotionalen Gewinn, wenn sie einmal nicht als Baustelle oder Mangel betrachtet werden, sondern wenn es darum geht, ihre positiven Arbeitseigenschaften, ihre Fähigkeiten und ihre Kenntnisse zusammenzustellen, um daraus eine passende Stelle zu formen. Daraus folgen fast automatisch mehr Selbstbewusstsein und eine höhere Motivation.

Menschen mit Behinderung bewerben sich häufig nicht auf standardisierte Stellenausschreibungen, weil sie nicht über die geforderten Schul- oder Berufsabschlüsse verfügen. Dieses Problem entfällt bei den durch Job Carving geschaffenen Stellen.

Dem eigentlichen Ziel der Inklusionsbemühungen, nämlich der sozialen Teilhabe von Menschen mit Behinderung, können sich die Unternehmen damit besser annähern, weil es keine formalen Anforderungen an den Prozess gibt.

Auch für die Unternehmen gibt es zahlreiche Vorteile. Indem einfache Aufgaben aus den Stellenbeschreibungen der Fachkräfte herausgelöst und auf eine Job Carving Position übertragen werden, können sich die Fachkräfte stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Dies führt nicht nur zu einer Reduzierung der Überstunden, sondern entlastet auch die Organisation insgesamt. Zudem sparen Arbeitgeber die Kosten für die Ausgleichsabgabe.

Welche Aufgaben eignen sich für Job Carving?

Wenn sich Aufgaben regelmäßig wiederholen, ohne spezielles Hintergrundwissen erledigt werden können und sich leicht unter Anleitung erlernen lassen, deutet vieles darauf hin, dass sie sich gut für Job Carving eignen. Gleiches gilt für solche Aufgaben, die viel Zeit in Anspruch nehmen und die häufig unerledigt bleiben.

Überlegen Sie auch, ob sich bestimmte Aufgaben aus den vorhandenen Stellenbeschreibungen herauslösen lassen, ohne die Vollständigkeit der Position zu beeinträchtigen. So müssen beispielsweise Patienten nicht unbedingt von einer ausgebildeten Pflegefachkraft zu einer Untersuchung begleitet werden. Diese Aufgabe können ebenso gut Menschen übernehmen, die keine spezifischen Kenntnisse im Medizin- oder Pflegebereich haben.

Auch das Vorbereiten und Aufräumen von Räumen für Kundentermine, Besprechungen oder kleine Konferenzen muss nicht zwingend durch Fachkräfte erfolgen. Darüber hinaus gibt es viele weitere Aufgaben, die sich für Job Carving eignen: Die Pflege von Büropflanzen, das Bedienen der Kaffeemaschine oder das Archivieren von Unterlagen sind nur einige Beispiele. Diese Aufgaben können von Menschen mit besonderen Stärken übernommen werden, was nicht nur die Fachkräfte entlastet, sondern auch das Team insgesamt bereichert.

Job Carving bietet die Möglichkeit, Arbeitsplätze individuell zu gestalten, sodass sowohl die Mitarbeiter als auch das Unternehmen davon profitieren. Indem Sie gezielt Aufgaben delegieren, schaffen Sie nicht nur eine inklusivere Arbeitsumgebung, sondern fördern auch die Effizienz und Zufriedenheit aller Beteiligten.

Unterstützung durch Integrations- oder Inklusionsamt

Wenn Sie das Potenzial von Job Carving in Ihrem Unternehmen voll ausschöpfen möchten, steht Ihnen das Integrations- beziehungsweise Inklusionsamt als wertvolle Unterstützung zur Seite. Dort sind Integrationsfachdienste angesiedelt, die über speziell ausgebildete Job Coaches verfügen. Diese Fachkräfte arbeiten eng mit den Arbeitgebern zusammen, um Tätigkeiten und Aufgabenbereiche zu identifizieren, die sich besonders für Job Carving eignen. Darüber hinaus helfen sie dabei, aus diesen Aufgaben einen neuen Arbeitsplatz zu gestalten, der perfekt auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Person zugeschnitten ist, die diese Position übernehmen wird. Zusätzlich unterstützen die Job Coaches Ihr Unternehmen bei der Suche nach passenden finanziellen Fördermöglichkeiten.

Nutzen Sie als SBV das Job Carving als wertvolles Instrument, um in Ihrem Unternehmen individuell zugeschnittene Arbeitsplätze zu schaffen. Fördern Sie dabei optimal die Stärken Ihrer schwerbehinderten Kollegen. Entwickeln Sie gemeinsam mit den Integrationsämtern maßgeschneiderte Lösungen und gestalten Sie eine vielfältige Arbeitswelt, in der jeder seine eigenen Fähigkeiten einbringen kann.

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