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Besonderheiten einer BR-Wahl zu Pandemiezeiten

4 Minuten Lesezeit

In nicht einmal mehr einem Jahr geht es los. In der Zeit vom 1. März bis 31. Mai wird in vielen deutschen Betrieben ein neuer Betriebsrat gewählt. Für diesen Zeitraum sind derzeit keine Einschränkungen durch die Corona-Pandemie absehbar. Doch eine Wahl kann auch noch dieses Jahr, insbesondere wenn im Betrieb noch kein Betriebsrat besteht oder aber eine der sonstigen Voraussetzungen für außerordentliche Betriebsratswahlen gegeben ist.

Zwei Frauen tragen eine Corona Maske und geben sich einen Ellbogen-Check

Wann finden die außerordentlichen Wahlen statt?

Außerordentliche Betriebsratswahlen sind an die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 BetrVG gebunden. Danach finden sie statt, wenn sich

  • die Zahl der Beschäftigten im Betrieb wesentlich ändert,
  • die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl sinkt,
  • der Betriebsrat zurücktritt,
  • der Betriebsrat durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst wird oder
  • wenn noch kein Betriebsrat besteht und dieser begründet werden soll.

In allen anderen Fällen gibt es keine rechtliche Grundlage für eine außerordentliche Betriebsratswahl.

Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf einen Betriebsrat?

Wenn in Ihrem Betrieb mindestens 5 ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, von denen 3 wählbar sind, kann nach § 1 Abs. 1 BetrVG ein Betriebsrat gegründet werden nach § 1 Abs. 1 BetrVG.

Wahlberechtigt (aktives Wahlrecht) sind alle volljährigen Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer, sofern sie länger als 3 Monate im Unternehmen eingesetzt werden (§ 7 BetrVG). Mit dem in Kürze erwarteten Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wird das erforderliche Wahlalter sodann auf sogar nur 16 Jahre herabgesetzt.

Wählbar (passives Wahlrecht) sind die Mitarbeiter – ausgenommen der Leiharbeitnehmer –, die

  • das aktive Wahlrecht besitzen,
  • länger als 6 Monate dem Unternehmen angehören und
  • nicht infolge einer strafrechtlichen Verurteilung das passive Wahlrecht verloren haben.

Auch wenn der Betrieb mehr als 5 Mitarbeiter hat, ist ein Betriebsrat keine Pflicht, sondern ein Recht der Arbeitnehmer, das diese durchsetzen können und sollten.

Keine Verschiebung der Wahl wegen Corona

Eine jetzt erforderliche Wahl zum Betriebsrat sollte nicht wegen Corona verschoben werden. Mit Hilfe des aktuellen § 129 BetrVG (der am 30.06.2021 ausläuft und mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetztes von § 30 Abs. 2 BetrVG n.F. abgelöst wird) können Beschlüsse des Betriebsrats zur Bestellung eines Wahlvorstands auch mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden.

Achtung: Der Wahlvorstand kann nicht auf einer virtuellen Wahlversammlung gewählt werden, denn das sieht der § 129 BetrVG nicht vor.

Der Wahlvorstand ist ganz wichtig, da dieser letztendlich die Betriebsratswahl organisiert und durchführt. Deshalb ist dessen Bestellung der erste Schritt, wenn ein neuer Betriebsrat gewählt werden soll.

Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht

In Betrieben, die keinen Betriebsrat haben, wird durch drei Initiatoren zu einer Wahlversammlung eingeladen und dann bestimmen alle wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Wahlvorstand, der die Wahl einleitet. Findet trotz Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wählt die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, § 17 Abs. 4 BetrVG.

Doch das Arbeitsgericht Lingen setzte sich aktuell über den Gesetzeswortlaut aus guten Gründen hinweg (ArbG Lingen, Beschluss vom 19.03.2021, Az. 1 BV 1/21).

Der neue Fall

Mehrere Arbeitnehmer wollten die Bestellung eines Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl im Betrieb des Arbeitgebers durchsetzen. Der Betrieb beschäftigte 190 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat bestand nicht. Zu einer an sich nach § 17 BetrVG notwendigen Betriebsversammlung luden die Arbeitnehmer aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen nicht ein. Trotzdem beantragten sie vor dem Arbeitsgericht, dieses solle zur Durchführung der Betriebsratswahl einen aus drei Personen bestehenden Wahlvorstand bestellen.

Arbeitsgericht entschied überraschend

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt und setzte einen Wahlvorstand ein.

Es galten wegen der Corona-Pandemie bereits seit mehreren Monaten erhebliche Kontaktbeschränkungen. Jegliche Menschenansammlungen waren nach Möglichkeit zu vermeiden. Es war deshalb vor dem Hintergrund drohender erheblicher Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht möglich oder zumindest nicht zumutbar, verantwortungsvoll eine Betriebsversammlung durchzuführen, an der 190 Personen gleichzeitig in einem Raum teilnehmen.

In einem solchen besonders gelagerten Fall ist nach Auffassung des Gerichts die Einladung zu einer Betriebsversammlung entbehrlich. Denn es wäre widersinnig, von den Arbeitnehmern die Einladung zu einer Betriebsversammlung zu verlangen, wenn sie dann gleichzeitig darauf hinweisen müssten, dass die Betriebsversammlung aber wegen der Pandemie nicht stattfinden kann.

Fazit aus dem Fall

Unter „normalen“ Umständen verlangt nicht nur das Gesetz, sondern auch die Rechtsprechung, dass zumindest eine Einladung zu einer Wahlversammlung erfolgt und deren Durchführung versucht wird. Scheitert das, kann dann das Arbeitsgericht zu Hilfe gezogen und ein Antrag auf Bestellung des Wahlvorstandes gestellt werden. Aber was ist derzeit schon noch normal? Solange uns die Pandemie noch im Griff hat, kann das Verfahren, das die Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Lingen in Gang gesetzt haben, für viele ein gutes Vorbild sein.

Der Wahlvorstand darf nicht digital tagen

Ist der Wahlvorstand dann bestimmt, hat dieser grundsätzlich in Präsenzsitzungen zu tagen. Virtuell können wohl keine Beschlüsse gefasst werden, da der Wahlvorstand in § 129 BetrVG und auch in § 30 Abs. 2 BetrVG n.F. nicht aufgeführt ist.

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