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Telearbeit, Home-Office & Heimarbeit

Autor:
Markus Schliess
8 Minuten Lesezeit

Telearbeit, Home-Office und Heimarbeit gewinnen in immer mehr Betrieben eine größere Bedeutung.

Lesen Sie hier, welche Mitbestimmungsrechte der Betriebsrat bei Telearbeit hat.

Eine Frau arbeitet zu Hause im Home-Office.

Definition Telearbeit

Telearbeit ist eine auf IT-Systeme gestützte Tätigkeit, die an einem vom Betrieb des Arbeitgebers räumlich getrennten Arbeitsplatz ausgeführt wird, wobei der Telearbeitsplatz durch elektronische Kommunikationsmittel (etwa über ein VPN – virtual private network) mit dem Betrieb verbunden ist.

Der Arbeitnehmer nimmt dabei in der Regel die gleichen Aufgaben wie im Betrieb wahr - nur eben von einem anderen Platz aus.

Der Telebeschäftigte muss dabei nicht zwangsläufig ein Arbeitnehmer sein. Selbstständig ist jemand mit Telearbeit beschäftigt, der unternehmerische Entscheidungsfreiheiten hat, ein unternehmerisches Risiko trägt, auf eigene Rechnung im eigenen Namen handelt und für mehrere Auftraggeber tätig ist. Selbstständige gestalten ihre Tätigkeit bei der Telearbeit im Wesentlichen frei und bestimmen selbst ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort. Natürlich hat bei Selbstständigen der Betriebsrat auch keine Mitbestimmungsrechte.

Der Telearbeitnehmer

Nicht jeder Arbeitnehmer ist für die Telearbeit geeignet. Es besteht die Gefahr der sozialen Isolation, da die regelmäßigen Gespräche mit Kollegen fehlen. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen und können schnell zu gesundheitlichen und familiären Belastungen führen. Gerade die sozialen Folgen der Corona-Pandemie in jüngster Vergangenheit zeigen Möglichkeiten und Grenzen einer „erzwungenen“ Arbeit zu Hause – und damit auch in räumlicher Nähe zur Familie – auf.

Nachteile für den Betriebsrat

Für den Betriebsrat als Gremium hat Telearbeit ebenfalls viele Nachteile. Kollegen werden nicht vor Ort im Betrieb angetroffen und eine Tätigkeit von Telearbeitnehmern als Betriebsrat ist häufig in der Praxis nur schwer vorstellbar. Spontane Zusammenkünfte scheiden von vornherein aus. Und für reguläre Betriebsratssitzungen muss der Telearbeitnehmer erst zum Betrieb fahren.

Dies wird sich in naher Zukunft jedoch voraussichtlich ändern - § 129 BetrVG sieht neue Möglichkeiten der Betriebsratsarbeit unter Nutzung von IT-Systemen vor. Auch dies eine Folge der Coronakrise.

Arten von Telearbeit

Telearbeit kann in verschiedenen Facetten auftreten:

Telearbeit am häuslichen Arbeitsplatz (Home-Office; Heimarbeit)

Dies ist der Klassiker der Telearbeit. Der Kollege arbeitet fast ausschließlich von Zuhause aus.

Alternierende Telearbeit

Der Arbeitnehmer arbeitet teilweise von Zuhause aus, ist aber an einigen Tagen der Woche auch im Betrieb.

Mobile Telearbeit

Diese Art der Telearbeit ist für Außendienstmitarbeiter mittlerweile Standard. Im Gegensatz zur Telearbeitsform mit festen Arbeitsplätzen im Büro oder zu Hause, arbeitet der mobile Telearbeiter mit Notebook, Tablet oder Smartphone einfach dort, wo er sich befindet.

Arbeit in Telecentern

Bei der Arbeit in Telecentern sind Arbeitnehmer in Gebäuden tätig, deren Kosten häufig von verschiedenen Arbeitgebern gemeinsam getragen werden.

Arbeit in Televillages

Televillages sind ganze Dörfer von Telecentern. Hinter diesen Entwicklungen steckt der Versuch, hohe Büromieten in Ballungszentren zu minimieren. Der Umzug vor die Stadt und die Bündelung verschiedener Telecenter ist davon die Folge.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei Telearbeit?

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Telearbeit

Telearbeit ist eine Form der flexiblen Arbeitszeit. Das BetrVG ist auf Telearbeitsverhältnisse deshalb ohne Einschränkung anwendbar. Denn die Telearbeiter bleiben Arbeitnehmer des Betriebs. Deshalb werden sie sogar ausdrücklich in § 5 Abs. 1 BetrVG als Arbeitnehmer bezeichnet, für die der Betriebsrat zuständig ist. Der Telearbeitsplatz des Telearbeitnehmers ist auch ein betrieblicher Arbeitsplatz. Deshalb muss der Arbeitgeber sämtliche arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben einhalten und der Betriebsrat darf seinen Arbeitgeber auch nach § 80 Abs.1 Nr. 1 BetrVG kontrollieren.

Einführung von Telearbeit

Der Betriebsrat hat bei der Einführung der Telearbeit umfassende Mitbestimmungsrechte. Der Arbeitgeber muss seinen Betriebsrat bereits im Planungsstadium zur Einführung der Telearbeit unterrichten. Das Mitbestimmungsrecht ergibt sich aus § 90 BetrVG.

Ausgestaltung von Telearbeit

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG betrifft die inhaltliche Ausgestaltung der mobilen Arbeit. Dazu gehören zum Beispiel Regelungen

• über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit
• über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit
• über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf
• zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers
• zur Erreichbarkeit
• zum Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit oder
• über einzuhaltende Sicherheitsaspekte.

Das Mitbestimmungsrecht bildet einen Auffangtatbestand für alle Regelungen, mit denen
mobile Arbeit ausgestaltet werden kann. Bereits bestehende Mitbestimmungsrechte gelten
unverändert.

Im Einzelnen gilt für Telearbeit Folgendes:

Der Betriebsrat kann von seinem Arbeitgeber verlangen, dass er ihn rechtzeitig und umfassend über die Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen informiert, anhand von Unterlagen zur eigenen Information ins Bild setzt sowie bei den vorgesehenen Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Beschäftigten, unter besonderer Berücksichtigung der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse, über die menschengerechte Arbeit beteiligt.

Arbeitszeit bei Telearbeit

Werden für die Telearbeitnehmer Arbeitszeitregelungen getroffen, die Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und Überstundenanordnungen betreffen, bestimmt der Betriebsrat selbstverständlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG mit.

Festzulegen sind im Einzelnen:

  • die Anwesenheitstage der Kollegen im Betrieb,
  • die Vereinbarkeit von Kernarbeitszeiten am Telearbeitsplatz,
  • mögliche Fixzeiten zur Erreichbarkeit für Kollegen, Führungskräfte und Kunden,
  • die Zugangszeiten zum betrieblichen EDV-System und
  • Regelungen zu Arbeitszeitnachweisen.

Leistungs- und Verhaltenskontrolle bei Telearbeit

Besonders kritisch ist die Telearbeit durch die fast stets mögliche Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber. Ob der Arbeitgeber das tatsächlich vorhat und durchführt, ist dabei völlig unerheblich. Alleine die Möglichkeit der Kontrolle reicht aus, um dem Betriebsrat ein wichtiges Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG zu geben. Dieses Mitbestimmungsrecht sollte er nutzen.

Interne Ausschreibung

Der Betriebsrat hat nach § 93 BetrVG das Recht zu verlangen, dass Telearbeitsplätze intern ausgeschrieben werden.

Versetzung

Mit Einführung der Telearbeit kommt es immer zu einer Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG von Mitarbeitern. Hier benötigt der Arbeitgeber die Zustimmung seines Betriebsrats nach § 99 BetrVG.

Änderungskündigung

Ist die Versetzung nur durch eine Änderungskündigung möglich, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat auch dazu anhören nach § 102 BetrVG.

Die rechtssichere Vereinbarung von Telearbeit

Auf der individualrechtlichen Ebene handelt es sich um ein Problem eines jeden Kollegen und dessen Arbeitsvertrag. Auf der kollektiven Ebene ist es ein Problem zwischen dem Betriebsrat und seinem Arbeitgeber. Deshalb sollte Telearbeit stets durch eine umfassende Betriebsvereinbarung eingeführt werden.

Die Betriebsvereinbarung sollte folgende Punkte regeln:

  • Genaue Beschreibung des Arbeitsortes
  • Konkrete Arbeitszeitregelung
  • Art der Arbeitszeiterfassung
  • Regelungen zu Überstunden
  • Ausstattung des Telearbeitsplatzes
  • Ersatz entstehender Kosten
  • Kostentragungspflicht für die Fahrten zur Firma
  • Sicherstellung des Datenschutzes
  • Geregelte Zutrittsrechte des Arbeitgebers zur Privatwohnung des Mitarbeiters.

Datenschutz beachten

Telearbeitsplätze liegen außerhalb des Betriebs. Gerade deshalb gilt es, beim Thema Datenschutz einiges zu beachten. Auch dabei hat der Betriebsrat umfangreiche Mitbestimmungsrechte. Besonders zu berücksichtigen ist der Aspekt, dass der Telearbeitsplatz von Arbeitnehmern auch von anderen, nicht dem Betrieb angehörenden Personen betreten wird, wie z.B. Familienmitgliedern.

Der Telearbeitsplatz

Damit die Telearbeit funktioniert, muss der Telearbeitsplatz entsprechend ausgestattet werden. Es wird nicht nur ein Arbeitszimmer, sondern insbesondere natürlich ein Computer oder Notebook mit der Möglichkeit, sich in das System Ihres Betriebs einzuloggen, benötigt. Des Weiteren muss für einen entsprechenden Telefon-/Internetanschluss sowie ein Multifunktionsgerät, welches drucken, faxen und scannen kann, gesorgt werden. Akten, Unterlagen, externe Festplatten und alles, was nicht aus EDV-Daten besteht, sollte in einem abgeschlossenen Schrank aufbewahrt werden.

Natürlich ist bei der Einrichtung des Telearbeitsplatzes der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz strikt zu beachten. Auch dabei bestimmt der Betriebsrat mit. Die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten des Arbeitsschutzes bleiben unverändert im Verhältnis zu sonstigen Arbeitsplätzen. So ist der Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen und für eine geeignete Organisation des Arbeitsschutzes zu sorgen. Auch eine Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze ist vorzunehmen. Der Betriebsrat hat die Überwachung und Einhaltung zum Beispiel der Bildschirmarbeitsverordnung zu kontrollieren.

Änderungen von Regelungen zur Telearbeit nur mit Betriebsrat

Bei Vertragsänderungen sollten Sie stets aufpassen. Denn der Arbeitgeber kann nicht ohne Weiteres alleine entscheiden. Das zeigt auch dieser relativ neue Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Urteil vom 10.09.2014, Az.: 12 Sa 505/14):

Ein Arbeitgeber hatte sich mit seinem Arbeitnehmer darauf geeinigt, dass dieser seine Arbeitsleistung zu 40% von seinem häuslichen Telearbeitsplatz erbringen darf. Sie hatten sich zudem darauf geeinigt, dass beide Seiten diese Telearbeit mit einer 4-wöchigen Ankündigungsfrist wieder beenden können. Von dieser Regelung machte der Arbeitgeber Gebrauch, nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, sich mit seinem Beschäftigten einvernehmlich auf eine neue Regelung zu einigen. Er kündigte allerdings die Vereinbarung der Telearbeit, ohne seinen Betriebsrat zu beteiligen.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass der Arbeitgeber die Vereinbarung zur Telearbeit nicht wirksam gekündigt hatte. Er musste dem Arbeitnehmer deshalb auch weiterhin die Möglichkeit bieten, im Rahmen der Telearbeit tätig zu werden. Denn das voraussetzungslose Recht des Arbeitgebers zur Kündigung der Vereinbarung im Arbeitsvertrag stellte eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und war deshalb nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Aus der Vertragsklausel ließ sich nicht erkennen, dass diese auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigte. Die Klausel wich vielmehr vom gesetzlichen Leitbild ab. So muss die Bestimmung des Arbeitsortes durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen erfolgen nach § 106 Gewerbeordnung. Das sei hier nicht erfolgt.

Wichtig: Auf Ende der Telearbeit folgt Versetzung

Außerdem hätte der Betriebsrat beteiligt werden müssen. Die Beendigung einer Vereinbarung zur Telearbeit stellt regelmäßig eine Versetzung dar!

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Autor: Markus Schliess

Markus Schließ ist nach Studien in Tübingen, Aix-en-Provence und Paris seit Januar 1991 selbständig als Anwalt mit 6 Kollegen in Bürogemeinschaft in der Kanzlei SRLN Rechtsanwälte-Fachanwälte GbR Stuttgart, Er ist seit ca. 20 Jahren ausschließlich auf Arbeits- und IT-Recht spezialisiert. Rechtsanwalt Schließ hat folgende Zertifizierungen absolviert: Data Protection Risk Manager (zertifiziert durch die Hochschule FOM München 2017) und Betrieblicher Datenschutzbeauftragter (zertifiziert durch die IHK Reutlingen 2017). Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Beratung von Konzern-, Gesamt- und Betriebsräten (KMU und Industrie), in Rechtsfragen zum IT-Recht und zum Arbeitsrecht sowie mit der Beratung und Vertretung von Arbeitnehmern. Er ist seit 1994 tätig als Hochschullehrer (Lehrbeauftragter) im Arbeits- und IT-Recht an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg - Stuttgart. Er ist weiterhin als Referent tätig für das W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung AG. Rechtsanwalt Schließ ist mit weiteren 6 spezialisierten und langjährig erfahrenen Kolleginnen und Kollegen Inhaber der Kanzlei.
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