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BEM besser nicht virtuell durchführen

3 Minuten Lesezeit

In § 167 Abs. 2 SGB IX findet sich keine Antwort auf die Frage, ob ein BEM auch virtuell durchgeführt werden kann. Im Umkehrschluss wird man daher wohl sagen müssen, dass mangels einer gesetzlich angeordneten Präsenzpflicht dies wohl grundsätzlich möglich sein sollte. Aber ist dies auch empfehlenswert?

Ziel und Zweck des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ist es zu klären, wie sich eine Arbeitsunfähigkeit überwinden lässt und Fehlzeiten verringert werden können. Außerdem geht es darum festzustellen, mit welchen Hilfen und Leistungen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden, der Arbeitsplatz erhalten werden kann und die Fähigkeiten des Arbeitnehmers weiter genutzt werden können.

Eine Frau sitzt vor dem Tablet und führt das BEM durch

Kann ein BEM auch virtuell durchgeführt werden?

In § 167 Abs. 2 SGB IX findet sich dazu keine Antwort. Und keine Antwort ist natürlich auch eine Aussage. Nach dem Gesetzeswortlaut „klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung“ die Angelegenheit. Da sich aus dem Gesetz keine Präsenzpflicht ergibt, ist eine rein virtuelle Durchführung des BEM nach dem Gesetzestext also möglich.

Andererseits hat der Gesetzgeber im Jahr 2004, als das BEM in den damaligen § 84 Abs. 2 SGB IX (a.F.) integriert wurde, vermutlich nicht ansatzweise daran gedacht, dass irgendjemand auf die Idee kommt, ein BEM online durchzuführen. Viele Besprechungen sind online nicht so effektiv oder gar nicht so durchführbar, wie in einem Präsenztermin. So kann der betroffene Arbeitnehmer mit seiner Vertrauensperson unter Umständen nicht in Ruhe sprechen.

Die Ziele des BEM

Die im Gesetz definierten Ziele des BEM, nämlich die Überwindung der Arbeitsunfähigkeit und Erhaltung des Arbeitsplatzes, können vielleicht auch durch ein virtuell durchgeführtes BEM erreicht werden. Aber natürlich kann ein BEM auch stets ein Schritt in Richtung Kündigung sein. Machen wir uns nichts vor: Der verständige Arbeitgeber weiß, dass er in aller Regel vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ein BEM durchführen muss – und zwar ein ordnungsgemäßes BEM.

Rechtmäßiges BEM virtuell schwierig

In einer Reihe von Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht bereits deutlich gemacht, dass es insbesondere dem Datenschutz eine hohe Bedeutung beim BEM beimisst. Ohne Beachtung des Datenschutzes und insbesondere ohne eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Erhebung und Verwendung der Daten des Arbeitnehmers ist ein BEM rechtswidrig, damit unwirksam und als Voraussetzung für eine Kündigung nicht zu verwenden.

Also muss der Arbeitgeber aus seiner Sicht stets dafür sorgen, dass ein zu 100 % rechtssicheres BEM durchgeführt wird.

Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung haben zudem die Aufgabe, die Einhaltung der geltenden Gesetze zu überwachen. Und dazu gehören natürlich auch das Bundesdatenschutzgesetz und die europäische Datenschutzgrundverordnung.

Rechtmäßiges virtuelles BEM kaum durchführbar

An dieser Stelle sollen nur einige datenschutzrechtliche Probleme erwähnt werden:

  • Beim BEM werden besonders sensible Daten verwendet. Eine Datenverarbeitung ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer freiwillig darin einwilligt.
  • Es muss sichergestellt sein, dass ein Schutz vor unrechtmäßiger Verarbeitung der Daten durch Unbefugte vorliegt.
  • Es müssen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden.
  • Daten sind zu verschlüsseln. Es sind gesicherte Kommunikationsverbindungen und geeignete Verschlüsselungsverfahren zu verwenden. Das alles geht weit über die normale Sicherheitstechnik hinaus. Es sind abhörsichere Verbindungen herzustellen, bei denen beispielsweise auch nicht die Administratoren zugreifen können dürfen.
  • Auch die Zuschaltung von Teilnehmern aus einem Großraumbüro oder dem Home-Office ist nicht möglich.
  • Eine Datenschutz-Folgeabschätzung ist erforderlich.

Wenn nun bedacht wird, dass an einem BEM eine Vielzahl von Beteiligten teilnehmen können und müssen, wird schnell ersichtlich, dass ein virtuelles BEM zwar in der Theorie durchführbar ist, in der Praxis jedoch zumindest am Datenschutz scheitern wird.

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