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Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

16 Minuten Lesezeit

Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) ist ein Instrument zur Wiedereingliederung langfristig erkrankter Beschäftigter.

In diesem Artikel erfahren Sie, was das ist, wozu es dient und wie man es umsetzt.

Ein Mann erklärt einer Frau das Betriebliches Eingliederungsmanagement

Zweck des BEM

Wozu dient das Betriebliche Eingliederungsmanagement?

Das Ziel des Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) ist es, die Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten eines Betriebs oder einer Dienststelle zu überwinden. Gleichzeitig dient es dem Arbeitgeber zur Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit und dem Arbeitnehmer zur langfristigen Erhaltung des Arbeitsplatzes. Somit werden Beschäftigte mit geeigneter Unterstützung im Betrieb gehalten und Entlassungen wegen Erkrankung oder Behinderung vermieden.

Die Zielsetzungen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements umfassen demnach die Bereiche Prävention, Integration und Rehabilitation.

Der Bereich Prävention umfasst gesundheitsfördernde Maßnahmen, das Vermeiden von Gesundheitsgefahren sowie die Reduzierung von Fehlbeanspruchungen. Eng verbunden ist die Prävention auch mit dem Arbeitsschutz. Bei der Rehabilitation steht die Überwindung der Arbeitsunfähigkeit im Vordergrund. Hierfür in Frage kommen unter anderem ambulante oder stationäre Maßnahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, der Arbeits- und Belastungserprobung und die stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell). Die stufenweise Wiedereingliederung bietet für Arbeitnehmer die Möglichkeit, nach längerer Arbeitsunfähigkeit stufenweise, vor allem im Hinblick auf die zeitliche Beanspruchung, unter ärztlicher Aufsicht ihren Arbeitsplatz wieder einzunehmen. Der Bereich der Integration zielt auf arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen ab. Mögliche Maßnahmen sind hier die Veränderung des Arbeitsplatzes oder der Arbeitszeit, eine Versetzung oder eine innerbetriebliche Qualifizierung.

Ein erfolgreiches Eingliederungsmanagement kann außerdem dazu dienen, die Beschäftigungsfähigkeit insbesondere älterer Menschen dauerhaft zu sichern und die Sozialkassen zu entlasten. Dem Arbeitgeber ermöglicht es im Zuge dessen, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit seiner Arbeitnehmer zu fördern und die Personalkosten durch die Verringerung der Fehlzeiten zu senken. Außerdem dient es dazu, das krankheitsbedingte Ausscheiden von Arbeitnehmern zu verhindern, wodurch das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) vor allem angesichts des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt zu einem entscheidenden Instrument wird.

Vor- und Nachteile des Betrieblichen Eingliederungsmanagements

Vorteile für Arbeitnehmer

Im Rahmen des BEM hat der Arbeitnehmer die Chance, durch aktive Teilnahme eine Beschäftigungsmöglichkeit zu finden oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. Leistungen des Inklusionsamtes zu erhalten, die dem Arbeitnehmer überhaupt die Wiederaufnahme der tatsächlichen Beschäftigung ermöglichen. Erfolgt zwischen dem erkrankten Arbeitnehmer bzw. häufig erkrankten Arbeitnehmer kein Dialog mit dem Arbeitgeber, können Krankheitsursachen, die auf dem Arbeitsplatz beruhen, nicht erkannt und aufgelöst werden. Die Überwindung längerer Krankheitszeiten ist dem Arbeitnehmer damit nicht möglich. Der Arbeitnehmer riskiert damit langfristig das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und mit einer Erwerbsminderungsrente bzw. nach dem Auslaufen des Krankengeldes (bis zu 78 Wochen, § 48 SGB V) bzw. dem sich anschließenden Bezug von Arbeitslosengeld erhebliche finanzielle Nachteile.

Nachteile für Arbeitnehmer

Auch wenn Zielsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements die Sicherung des Arbeitsverhältnisses ist, ist jeder einzelne Fall eines BEM ergebnisoffen durchzuführen. Das heißt, es kann nicht in jedem Fall und bei jeder Erkrankung davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsplatz so individuell gestaltet wird, dass allen Einschränkungen - in einem auch für den Arbeitgeber und Kollegen zumutbaren und praktikablem Rahmen - Rechnung getragen wird. Steht im Rahmen des BEM am Ende eines durchgeführten ergebnisoffenen Suchprozesses als Ergebnis fest, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar ist und der Arbeitgeber keine zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit hat, besteht keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. In diesem Fall ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus personen- bzw. krankheitsbedingten Gründen rechtswirksam zu beenden. Bei einem ordnungsgemäß durchgeführten BEM, das alle Beschäftigungsmöglichkeiten sorgsam abgeklärt hat, wird man davon ausgehen müssen, dass auch das Arbeitsgericht zu keiner anderen Beurteilung gelangt.

Das BEM-Verfahren im Überblick

Die einzelnen Schritte des BEM haben wir für Sie übersichtlich in einer Infografik zusammengefasst:

Gesetzliche Grundlage des BEM

Gesetzlich verankert ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in § 167 Absatz 2 SGB IX. Demnach ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet allen Arbeitnehmern, die im Zeitraum eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Bei dem Zeitraum sechs Wochen ist auf 42 Kalendertage abzustellen. Darüber hinaus ist mit dem Bezugszeitraum von einem Jahr nicht das Kalenderjahr, sondern eine fortlaufende Betrachtung der zurückliegenden zwölf Monate gemeint. Dabei muss der Arbeitgeber klären, „wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann“. Das Verfahren des BEM stellt dementsprechend einen dynamischen Prozess dar, der kontinulierlich beobachtet und betrieben werden muss.

Wie dies im Detail aussehen soll ist an dieser Stelle nicht weiter geregelt, weshalb jeder Betrieb angehalten ist hierfür selbst individuelle Lösungen zu finden. Allerdings sieht der Gesetzgeber vor, dass mit der Zustimmung des Betroffenen die zuständigen Interessenvertretungen des Arbeitnehmers beteiligt werden. Diese sind beispielsweise der Betriebs- oder Personalrat oder die Schwerbehindertenvertretung.

Außerdem kann gegebenenfalls der Betriebs- oder Werksarzt hinzugezogen werden, wenn hierfür eine Erfordernis besteht. Auch die Rehabilitationsträger oder das Integrationsamt können am Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) beteiligt werden, wenn für die Überwindung der Arbeitsunfähigkeit und der Vorbeugung erneuter Erkrankungen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen.

Arbeitgeberpflicht

Arbeitgeber sind seit 2004 verpflichtet, länger erkrankten Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Durch die frühzeitige Intervention des BEM ist es besser möglich, dem demographischen Wandel wirksam zu begegnen.

Arbeitnehmerrecht - Freiwilligkeit

Die Teilnahme am Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) ist stets freiwillig. So ist es für die Beschäftigten eines Betriebs als Angebot anzusehen, das dem Schutz vor Arbeitslosigkeit und Frühverrentung dient. Im Laufe des Verfahrens wird nicht selten eine angemessene Beschäftigungsmöglichkeit entdeckt und Hilfen ausfindig gemacht, mittels derer die Arbeitsunfähigkeit überwunden und die Weiterbeschäftigung gesichert werden kann.

Anforderungen und Ziele

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 167 Abs. 2 SGB IX bedarf einer strukturierten Vorgehensweise, mit der in Abhängigkeit vom jeweiligen Einzelfall, die verschiedenen Ziele erreicht werden können. Hierbei kommen verschiedene Zielsetzungen in Betracht, wobei zwischen kurz- sowie mittel- und langfristigen Zielsetzungen unterschieden werden kann.

Kurzfristige Zielsetzungen

  • Verbesserung des Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers und Überwindung der Arbeitsunfähigkeit
  • Vorbeugung neuer Arbeitsunfähigkeit
  • Schutz des bedrohten Arbeitsverhältnisses

Mittel- und langfristige Zielsetzungen

  • Erhalt und Förderung der Gesundheit, der Arbeitsfähigkeit und der Beschäftigungsfähigkeit
  • Vermeidung von Erkrankungen, Folgeerkrankungen und chronischen Krankheiten
  • Vermeidung frühzeitiger Verrentung
  • Dauerhafte Sicherung des Arbeitsplatzes
  • Einbindung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements in die betriebliche Gesundheitspolitik
  • Schaffung alters- und leidensgerechter Arbeitsplätze
Ratgeber
Grund­la­gen für Be­trieb­li­ches Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ment

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Ratgeber BEM

Beteiligte des BEM

Das Aufgabenspektrum der Beteiligten am Betrieblichen Eingliederungsmanagement zeichnet sich, neben den Gesprächen mit dem langzeiterkrankten Beschäftigten, durch einen großen Anteil an Netzwerkarbeit aus.

Arbeitgeber

Die Einleitung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements obliegt grundsätzlich dem Arbeitgeber. Dieser ist bei Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen verpflichtet, unter Einbindung der Interessen- und ggf. Schwerbehindertenvertretung, auf den betroffenen Arbeitnehmer zuzugehen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber im Hinblick auf die am 25.5.2016 in Kraft getretene EU-DSGVO den Arbeitnehmer über die Art und den Umfang der für das BEM erhobenen und verwendeten Daten aufklären.

Beschäftigte

Die Durchführung von Rehabilitations- und Präventionsmaßnahmen ist stets von der Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers abhängig. Erteilt er seine Zustimmung nicht oder äußert sich überhaupt nicht, kann das Betriebliche Eingliederungs-Management nicht durchgeführt werden. Bei Untätigkeit des Arbeitgebers sind Langzeiterkrankte auch von sich aus berechtigt die Durchführung eines BEM einzufordern, wenn sie für sich die Möglichkeit sehen, beispielsweise durch Reha-Maßnahmen oder Veränderungen des Arbeitsplatzes, an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu können.

Betriebsrat

In § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sieht der Gesetzgeber vor, dass der Arbeitgeber, sobald ein Arbeitnehmer mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist, den Betriebsrat und ggf. die Schwerbehindertenvertretung hinzuzieht, um über Maßnahmen zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit zu beraten. Darüber hinaus kommt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Gestaltung des BEMs zu. Führt der Arbeitgeber ein BEM oder Teile dessen ohne die Zustimmung des Betriebsrats ein, besteht für den Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung.

Schwerbehindertenvertretung

Sind in einem Betrieb fünf oder mehr schwerbehinderte Menschen dauerhaft beschäftigt, ist gemäß § 177 Abs. 1 SGB IX eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen. Dieser steht, wie auch dem Betriebsrat, ein Initiativrecht zur Durchführung eines BEMs zu. Darüber hinaus hat die Schwerbehindertenvertretung auch ein Mitwirkungsrecht bei der Gestaltung des BEMs.

Werks- oder Betriebsarzt

Gemäß § 167 Abs. 2 Satz 2 SGB IX kann im Zuge des BEMs auch ein Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen werden, soweit dies erforderlich ist. Wann ein solches Erfordernis gegeben ist, wird durch den Gesetzgeber allerdings nicht weiter konkretisiert. Beteiligt werden kann ein Betriebsarzt beispielsweise zur Beratung in Fragen des Gesundheitsschutzes im Hinblick auf den Arbeitsplatzwechsel und die Wiedereingliederung erkrankter Arbeitnehmer.

Integrationsamt und der Rehabilitationsträger

Die Rehabilitationsträger, die seit dem 1.1.2018 die Gemeinsamen Servicestellen abgelöst haben, haben nach § 3 Abs. 1 SGB IX die Aufgabe bei der Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen im Sinne des SGB I und in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nach § 167 SGB IX dafür Sorge zu tragen, dass der Eintritt einer Behinderung bzw. einer chronischen Erkrankung vermieden wird. Zu den Rehabilitationsträgern zählen unter anderem die gesetzlichen Krankenkassen und die Bundesagentur für Arbeit.

BEM-Gespräch

Stimmt der Arbeitnehmer der Teilnahme am Betrieblichen Eingliederungsmanagement zu, findet zunächst ein Erstgespräch mit dem BEM-Verantwortlichen und gegebenenfalls weiteren Beteiligten statt. Das Ziel hierbei ist es, die Gründe für die Fehlzeiten des Betroffenen zu ermitteln und herauszufinden, ob diese Krankenzeiten mit den Arbeitsbedingungen im Zusammenhang stehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Identifizierung der Auslöser der Erkrankung. Sind diese geklärt, wird in einem zweiten Schritt zielgerichtet nach Maßnahmen für eine Veränderung gesucht, die dabei hilft die Krankenzeiten zu reduzieren.

Ablauf

Im BEM-Gespräch wird überprüft, ob ein typischerweise gefährdeter Arbeitsplatz gerettet werden kann. Das BEM-Gespräch ist ein Anti-Kündigungsgespräch. Diagnosen oder Krankheitsursachen dürfen im BEM-Gespräch nicht abgefragt werden. Auf derartige Fragen muss der Beschäftigte nicht antworten und er sollte es auch nicht tun.

Mögliche Fragen

In der Regel kommen beim BEM-Gespräch meist nur 2 Fragen:

  1. Hat die Arbeitsunfähigkeit aus Ihrer Sicht etwas mit dem Arbeitsplatz zu tun?
  2. Können wir aus Ihrer Sicht etwas für Sie tun, damit Sie Ihre Arbeit wieder aufnehmen können?

Unterstützung

Ganz allein sollte ein Arbeitnehmer das BEM-Gespräch nicht durchstehen. Er kann eine Person des Vertrauens mit ins Gespräch nehmen und sollten sich unbedingt der Hilfe des Betriebsrats vergewissern. Der Betriebsrat ist nämlich gesetzlicher Beteiligter im BEM-Gespräch und wird dem Arbeitnehmer tatkräftig zur Seite stehen.

Maßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements

Jede Erkrankung wirft andere Fragen auf, daher können die konkreten Maßnahmen des BEM recht vielfältig sein. Sie orientieren sich am Einzelfall und können flexibel gehandhabt werden. Das Ziel aller in diesem Prozess erarbeiteten Maßnahmen ist es, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und langfristig den Arbeitsplatz zu erhalten.

Welche Maßnahmen letztendlich umgesetzt werden, wird im Dialog mit allen Beteiligten erarbeitet und festgelegt. Sie reichen von der Teilnahme an einer medizinischen Reha-Maßnahme über eine Anpassung der Arbeitsstätte bis hin zu Umschulung oder Weiterbildung des Beschäftigten. Leitfragen können dabei helfen, die geeigneten Maßnahmen zu finden.

Die vereinbarten Maßnahmen werden schließlich in einem Protokoll zusammengefasst und es wird ein Reflexionszeitpunkt festgesetzt. Dieses Protokoll dient dann als Grundlage für das Zweitgespräch.

Infrage kommende Maßnahmen:

  1. Stufenweise Wiedereingliederung
  2. Suche nach einem leistungsadäquaten Arbeitsplatz
  3. Arbeitsplatzbegehung
  4. Umgestaltung von Arbeitsplätzen
  5. Ärztliche Untersuchung der Betroffenen und vergleichbarer Arbeitnehmer
  6. Maßnahmen der Gesundheitsförderung (z.B. Rückenschule)
  7. Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung und Fortbildung
  8. Arbeitsplatz- und Arbeitsablaufanalysen
  9. Mitberücksichtigung schwerbehinderter und von Krankheit betroffener Arbeitnehmer bei der Planung von Arbeitsplätzen
  10. Schaffung von Arbeitsplätzen
  11. Versetzung und Verleihung von betroffenen Beschäftigten
  12. Qualifizierung
  13. Rückkehrgespräche
  14. Fonds zur Beschäftigungssicherung

Abschluss

Ob das vom Integrationsteam erarbeitete Konzept zur Wiedereingliederung eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers tatsächlich zum Erfolg führt, lässt sich häufig erst beurteilen, wenn die Arbeitssituation und die gesundheitliche Stabilität des betroffenen Beschäftigten mit einem gewissen zeitlichen Abstand betrachtet werden können.

Bei der Feststellung der Zielerreichung müssen vier Kriterien beachtet werden:

  • Die krankheitsbedingten Fehlzeiten sind überwunden oder zumindest so weit wie möglich reduziert, sodass eine dauerhafte Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit gegeben ist.
  • Mit den BEM-Maßnahmen ist einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt.
  • Das Arbeitsverhältnis ist erhalten.

Die persönliche Einschätzung des Betroffenen über seine Arbeitsfähigkeit und sein Wohlbefinden am Arbeitsplatz bestätigt die Einschätzung, dass die Ziele des BEM erreicht sind.

Jedoch kann ein BEM-Verfahren keineswegs immer erfolgreich abgeschlossen werden. Möglich ist auch, dass die Ziele des BEMs durch die eingeführten Maßnahmen nicht erreicht werden konnten oder das BEM aufgrund von befristeter oder unbefristeter Erwerbsunfähigkeit abgeschlossen werden muss. Denkbar ist darüber hinaus auch, dass sich der betroffene Arbeitnehmer zum Abbruch des BEMs entschließt. Ist dies der Fall, ist der Beschäftigte nicht verpflichtet, seine Entscheidung zu begründen. Im Einzelfall kann jedoch eine Rückmeldung des Beschäftigen zum BEM-Verfahren für das Integrationsteam äußerst hilfreich sein, da dadurch Schwachstellen im BEM aufgezeigt werden können und das Verfahren weiterentwickelt werden kann.

Beteiligungsrechte von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung

In § 167 Abs. 2 SGB IX hat der Gesetzgeber den Interessenvertretungen im Hinblick auf das Verfahren des BEM eine herausgehobene Rolle zugewiesen. Darüber hinaus greifen, sobald eine über den Einzelfall hinausgehende Verfahrensordnung und ein allgemeiner Ablauf für das BEM etabliert wird, auch die kollektivrechtlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes, insbesondere § 87 Abs. 2 Nr. 1, 6 und 7 BetrVG.

Rechte aus dem BetrVG

Gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG kommt dem Betriebsrat beim BEM ein Initiativrecht zu. Demnach kann er die Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung anstoßen und ist berechtigt, bei einem Scheitern der Verhandlungen, die Einigungsstelle anzurufen. Jedoch ist eine Betriebsvereinbarung zum BEM nicht zwingend in vollem Umfang spruchfähig. Bei ihrer Ausgestaltung ist für jede einzelne Regelung zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht. Dies kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, in Bezug auf die Nutzung und Verarbeitung aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben. Wie alle Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG stehen auch die genannten unter dem Vorbehalt, dass keine abschließende gesetzliche Regelung existiert.

Zwar regelt § 167 Abs. 2 SGB IX das „Ob“ des BEM ohne Ermessensspielraum, jedoch gibt es für die Ausgestaltung des Verfahrens keine abschließenden Regelungen. Der Betriebsrat sollte hier, ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, auf eine an die betrieblichen Gegebenheiten angepasste individuelle Lösung hinwirken.

Unterrichtungsanspruch und Klärung

Der Arbeitgeber klärt gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zunächst zusammen mit dem Betriebsrat und im Fall der Betroffenheit schwerbehinderter Beschäftigter auch mit der SBV, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Der Inhalt sowie die Reichweite des Begriffs Klärung sind dabei nicht abschließend definiert. In seiner Entscheidung von 22.03.2016 hat das BAG die Auffassung vertreten, dass sich die Aufgaben des Betriebsrats im Rahmen des § 167 Abs. 2 SGB IX auf den Klärungsprozess beschränken. Kontrollmaßnahmen zur Sicherstellung der Qualität und der Wirksamkeit des Verfahrens fallen somit nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats. Allerdings umfasst die Klärung auch die Unterrichtung über die Abschlussbeurteilung, da der Klärungsprozess erst als abgeschlossen angesehen werden kann, wenn ein Ergebnis festgestellt wurde. Dies trifft auch dann zu, wenn zur Regelung des BEM weder Betriebs- noch Inklusionsvereinbarungen bestehen. Der Klärungsprozess kann jedoch nur erfolgen, wenn der Betroffene der Durchführung des BEM-Verfahrens zugestimmt hat.

Zeitlich vorgelagert ist des Weiteren der Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats und der SBV. Diese können ihre Aufgabenstellung nach § 167 Abs. 2 SGB IX nur dann sachgerecht wahrnehmen, wenn sie darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche Arbeitnehmer die Voraussetzungen für die Durchführung eines BEMs erfüllen. Demnach hat der Arbeitgeber die Basisdaten zu Arbeitsunfähigkeitszeiten sowohl dem Betriebsrat als auch der SBV zur Verfügung zu stellen. Außerdem haben die Interessenvertretungen einen Anspruch auf die Zuleitung der Informationsschreiben des Arbeitgebers an die betroffenen Beschäftigten. In diesem werden sie auf die jeweiligen Ziele des BEM-Verfahrens sowie auf die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen.

Unterfallen Arbeitnehmer dem Anwendungsbereich des § 167 Abs. 2 SGB IX und haben vom Arbeitgeber kein Angebot für ein BEM erhalten, steht den Interessenvertretungen nach § 167 Abs. 2 Satz 6 SGB IX ein Initiativrecht zu, um den Klärungsprozess zu verlangen. Bevor Betriebsrat und SBV von diesem Recht Gebrauch machen, sollten sie jedoch Rücksprache mit dem betroffenem Arbeitnehmer halten, da auch hier stets das Gebot der Freiwilligkeit des Betroffenem im Vordergrund steht.

Der in § 167 Abs. 2 Satz 7 SGB IX normierte Überwachungsauftrag konkretisiert überdies das in § 176 Satz 1 und § 178 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IX sowie § 80 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 BetrVG enthaltenes Überwachungsrecht des Betriebsrats, ob der Arbeitgeber seinen in § 167 Abs. 2 SGB IX definierten Aufgaben nachkommt.

Kündigungsschutz durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement

Die kündigungsschutzrechtliche Bedeutung des BEM ist inzwischen vom Bundesarbeitsgericht herausgearbeitet worden (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 400/08). So ist das betriebliche Eingliederungsmanagement zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung, allerdings stellt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung eines BEM eine Konkretisierung des dem gesamten Recht des Kündigungsschutzes innenwohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Der Grund hierfür ist, dass das BEM darauf abzielt Maßnahmen zu identifizieren, die ein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung darstellen. Dies kann zum Beispiel die technische bzw. organisatorische Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die stufenweise Wiedereingliederung des Betroffenen sein.
Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Durchführung eines BEM vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung nicht nach, muss er im Falle eines nachfolgenden Kündigungsschutzprozesses beweisen können, dass auch die Durchführung dessen nicht zur Erhaltung des Arbeitsplatzes geführt hätte.

Datenschutz

Die Bestimmungen des Datenschutzes sind ein zentraler Faktor zur Vertrauensbildung im BEM und noch vor dem Beginn des Verfahrens zu klären. Hierbei empfiehlt sich die Erstellung eines Datenschutzkonzeptes, in dem die wesentlichen Grundsätze zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten beschrieben und Maßnahmen zur Datensicherheit definiert werden. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten erfolgt dabei nach dem Grundsatz der Datensparsamkeit (Art. 5 I c) DSGVO), das heißt nur in dem Umfang, in dem sie für die Zweckbestimmung beim BEM erforderlich sind. Die BEM spezifischen Regelungen müssen in diesem Zug stets mit den allgemeinen betrieblichen Regelungen zum Datenschutz übereinstimmen.

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