Überwachung der Arbeitnehmer durch Privatdetektive

BAG 1 ABR 26/90 vom 26. März 1991

Leitsatz

Der Einsatz von Privatdetektiven zur Überwachung von Arbeitnehmern bei der Erfüllung ihrer Arbeitspflicht unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat verlangen kann, daß der Arbeitgeber den Einsatz von Privatdetektiven zur Kontrolle von Mitarbeitern unterläßt, die für die nach § 29 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) vorgeschriebenen Hauptuntersuchungen an Kraftfahrzeugen zuständig sind (Prüfer).

Der Arbeitgeber, jetzt der TÜV S , ist u.a. für die Durchführung der nach der StVZO vorgeschriebenen Hauptuntersuchungen an Kraftfahrzeugen zuständig. Der Antragsteller ist der für den Betrieb S gebildete Betriebsrat. 1988 bestand der Verdacht, daß ein Prüfer Prüfplaketten an nicht verkehrssichere Fahrzeuge von bestimmten Gebrauchtwagenhändlern gegen Bezahlung erteilte. Der Arbeitgeber beauftragte daraufhin ein Detektivbüro, das den verdächtigen Prüfer schließlich überführte. Ein als Kunde getarnter Mitarbeiter des Detektivbüros kaufte ein Fahrzeug bei einem Gebrauchtwagenhändler, für dessen Betrieb der verdächtige Prüfer zuständig war. Außerdem wurden Fahrzeuge des Gebrauchtwagenhändlers beobachtet, die von dem verdächtigten Prüfer bei der TÜV-Prüfstelle oder in der Werkstatt des Händlers abgenommen werden sollten. Der Betriebsrat wurde bei der Beauftragung des Detektivbüros nicht beteiligt und erfuhr hiervon erst anläßlich der Anhörung zur Kündigung des Prüfers.

Mit Schreiben vom 3. und 28. Oktober 1988 vertrat der Betriebsrat die Auffassung, daß Detektive zur Überwachung von Arbeitnehmern nur mit seiner vorherigen Zustimmung eingesetzt werden könnten. Dies lehnte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 18. Oktober und 8. November 1988 ab und erklärte sich lediglich bereit, den Vorsitzenden des jeweiligen örtlichen Betriebsrates zu informieren.

Der Betriebsrat hat daraufhin das vorliegende Beschlußverfahren anhängig gemacht. Er ist der Ansicht, der Arbeitgeber müsse jegliche Überwachung durch Detektive jedenfalls ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates unterlassen. Darunter falle auch der Einsatz von Privatdetektiven als Arbeitnehmer, als sogenannte freiberufliche Mitarbeiter oder als "Kunden", die die Aufgabe von Lockspitzeln hätten, entweder in der Prüfstelle selbst oder in den Kraftfahrzeugwerkstätten, in denen die Hauptuntersuchung der Kraftfahrzeuge durchgeführt werde; diese gehörten insofern zum Betrieb des Arbeitgebers, weil die Prüfer dort ihre Arbeitsleistung erbringen müßten. Betroffen sei nicht das Leistungs-, sondern vor allem auch das Ordnungsverhalten aller Mitarbeiter. Ein Mitbestimmungsrecht ergebe sich auch aus einer analogen Anwendung von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Der Einsatz von verdeckt arbeitenden Detektiven sei ungleich belastender als die Überwachung durch Video- und Fernsehkameras, die man wenigstens sehen könne. Der heimliche Einsatz von Spitzeln und Detektiven führe zu gegenseitigem Mißtrauen und verletze das Persönlichkeitsrecht aller im Betrieb arbeitenden Arbeitnehmer. Zum Schutz der Arbeitnehmer müsse daher der Betriebsrat beteiligt werden, zumal es für die Arbeitsweise von Detektiven, anders als bei der Polizei, keine verbindlichen Normen und keine staatliche Kontrolle gebe. Um etwaige Gesetzesverstöße der Prüfer durch entsprechende Kontrollen aufzudecken, bedürfe es nicht des Einsatzes von Detektiven. Es sei ohnehin üblich und notwendig, die Arbeitsweise von Prüfern in angemessenen Abständen intern zu kontrollieren. Bei konkreten Verdachtsmomenten könnten gerade die Mitglieder des Betriebsrates auf Grund ihrer großen beruflichen Erfahrung entscheidende Hilfe bei der Aufklärung von Gesetzesverstößen leisten. Statt dessen habe der Arbeitgeber auf die Mithilfe des Betriebsrates verzichtet und weniger sachkundige Dritte eingeschaltet, ohne den Betriebsrat auch nur zu informieren. Dies könne nicht hingenommen werden, schon gar nicht wegen der darin liegenden Unterstellung, anderenfalls sei die erforderliche Geheimhaltung gefährdet.

Der Betriebsrat hat beantragt, dem Arbeitgeber aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu unterlassen, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats die mit Aufgaben gemäß §§ 91921 und 29 StVZO befaßten Arbeitnehmer des Arbeitgebers durch Privatdetektive überwachen zu lassen;

hilfsweise, festzustellen, daß die Überwachung der mit Aufgaben nach §§ 111921 und 29 StVZO befaßten Arbeitnehmer des Arbeitgebers durch Privatdetektive dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt.

Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Anträge seien mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Im übrigen seien sie auch unbegründet, da ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht bestehe. Der Einsatz von Detektiven betreffe das Leistungs-, nicht das Ordnungsverhalten. Außerdem seien nicht einmal Mitarbeiter in der Prüfstelle überwacht, sondern lediglich Kraftfahrzeuge observiert worden, bei denen der verdächtige Prüfer die vorgeschriebene Hauptuntersuchung habe durchführen sollen. Die Überwachung sei auch außerhalb des Betriebes erfolgt. Er habe die Detektive nicht als Arbeitnehmer oder als weisungsgebundene Mitarbeiter beschäftigt und beabsichtige auch nicht, dies in Zukunft zu tun.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Der Betriebsrat kann nicht verlangen, daß der Arbeitgeber den Einsatz von Privatdetektiven zur Überwachung der Prüfer solange unterläßt, bis der Betriebsrat einem solchen Einsatz zugestimmt hat. Der Betriebsrat hat hinsichtlich des hier streitigen Einsatzes von Privatdetektiven zur Überwachung der Prüfer kein Mitbestimmungsrecht.

....

1. Nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Unterlassung eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens verlangen, wenn in diesem Verhalten ein grober Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht zu sehen ist, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Im vorliegenden Falle fehlt es an einem solchen Verstoß, da der Einsatz von Privatdetektiven zur Überwachung der Prüfer bei ihrer Prüftätigkeit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.

a) Dabei kann zunächst unberücksichtigt bleiben, daß die Beschäftigung von Privatdetektiven der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bedarf, wenn diese Privatdetektive als Arbeitnehmer des Arbeitgebers oder wie Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden, um zusammen mit den anderen Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes zu verwirklichen und nur dabei auch als Detektive Überwachungsaufgaben wahrnehmen sollen. Um diese Fallgestaltung streiten die Beteiligten nicht. Daß der Betriebsrat bei einer solchen Fallgestaltung nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist, wird auch vom Arbeitgeber nicht in Abrede gestellt.

b) Der Einsatz von Privatdetektiven zur Überwachung von Prüfern bei ihrer Prüftätigkeit unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand der Mitbestimmung ist danach die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb. Mitbestimmungsfrei sind hingegen solche Maßnahmen des Arbeitgebers, die ein Verhalten des Arbeitnehmers betreffen, das keinen Bezug zur betrieblichen Ordnung hat, sei es, daß es sich nur auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bezieht oder in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis des einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber betrifft

Die Überwachung der Arbeitnehmer, gleichgültig ob durch Detektive oder Vorgesetzte, hat keinen Bezug zum sogenannten Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer, sondern betrifft ausschließlich ihr Arbeitsverhalten. Mit dem Einsatz von Detektiven wird überhaupt kein Verhalten der Arbeitnehmer geregelt, ihnen kein bestimmtes Verhalten aufgegeben. Zweck des Einsatzes von Detektiven wie jeder Überwachung ist es lediglich festzustellen, ob die Arbeitnehmer sich bei ihrer Arbeitsleistung so verhalten, wie sie aufgrund ihres Arbeitsvertrages ohnehin verpflichtet sind. Der Umstand, daß Arbeitnehmer in Kenntnis der Tatsache, daß sie bei ihrer Arbeit hinsichtlich ihres Arbeitsergebnisses überwacht werden, ihren Arbeitspflichten sorgfältiger als vielleicht sonst nachkommen, ihr Arbeitsverhalten vertragsgemäß gestalten, führt nicht dazu, daß eine Überwachung von Arbeitnehmern bei ihrer Arbeitsleistung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Eine Überwachung der Arbeitnehmer bei ihrer Arbeitsleistung ist nur dann mitbestimmungspflichtig, wenn sie mit Hilfe technischer Einrichtungen erfolgt. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 1984 (BAGE 47, 96 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes) unter Auseinandersetzung mit der dagegen vorgebrachten Kritik ausführlich begründet und an dieser Rechtsprechung festgehalten. Daran hält der Senat auch für den Fall fest, daß eine Überwachung nicht durch Vorgesetzte oder Mitarbeiter, sondern durch Privatdetektive erfolgt. Der von jeder Überwachung ausgehende Überwachungsdruck mag beim Einsatz von Detektiven stärker sein, als bei einer Überwachung durch Vorgesetzte und Mitarbeiter. Er mag auch stärker sein, als beim Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen. Das rechtfertigt jedoch nicht, die Überwachung des Arbeitsverhaltens der Arbeitnehmer dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu unterwerfen.

c) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG scheidet schon deswegen aus, weil bei einem Einsatz von Privatdetektiven in der unter den Beteiligten streitigen Weise die Arbeitnehmer nicht durch technische Einrichtungen überwacht werden, die gerade auch zur Überwachung ihrer Arbeitsleistung bestimmt sind.

d) Andere Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, aus denen sich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Einsatz von Privatdetektiven zur Überwachung der Prüftätigkeit der Prüfer ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.

2. Hat damit der Betriebsrat beim Einsatz von Privatdetektiven zur Überwachung der Prüftätigkeit der Prüfer kein Mitbestimmungsrecht, so kann der Betriebsrat auch nicht verlangen, daß der Arbeitgeber einen solchen Einsatz von Privatdetektiven unterläßt, bis der Betriebsrat diesem zugestimmt, d.h. von einem Mitbestimmungsrecht Gebrauch gemacht hat. Darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber unabhängig von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats berechtigt ist, Detektive bei der Überwachung seiner Arbeitnehmer einzuschalten, hatte der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Der Betriebsrat hat zwar geltend gemacht, durch den Einsatz von Privatdetektiven werde das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer verletzt und in einem solchen Einsatz liege ein Verstoß gegen § 75 Abs. 2 BetrVG, der von ihm verfolgte Unterlassungsantrag trägt dieser Rechtsansicht jedoch nicht Rechnung. Mit diesem Antrag erstrebt der Betriebsrat lediglich die Beachtung seiner vermeintlichen Mitbestimmungsrechte bei einem Einsatz von Privatdetektiven. Der Arbeitgeber soll einen solchen Einsatz nur unterlassen, wenn der Betriebsrat diesem nicht zuvor zugestimmt hat. Wäre der Einsatz von Privatdetektiven überhaupt oder unter bestimmten Voraussetzungen nach § 75 Abs. 2 BetrVG unzulässig, könnte dieser auch mit einer Zustimmung des Betriebsrats nicht zulässig werden.

Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob § 75 Abs. 2 BetrVG dem Betriebsrat einen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber gewährt, daß dieser alle Handlungen und Maßnahmen unterläßt, durch die die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer beeinträchtigt wird.