Datenerfassungsgerät UNIDAT M 16/IPAS; Überwachungseinrichtung i. S.: von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

BAG 1 ABR 24/92 vom 15. Dez. 1992

Nicht amtlicher Leitsatz

1. Zur Frage der Mitbestimmungspflicht bei der Einführung und Anwendung eines Datenerfassungsgerätes UNIDAT M 16/IPAS zur Vorgabezeitermittlung.

2. Die Selektion der Daten und der damit verbundene Kontextverlust sowie die unbegrenzt möglich Erstreckung der Verarbeitung auf alle Daten einschließlich solcher, die weit zurückliegen und einen gegenwärtigen Aussagewert möglicherweise nicht mehr haben, können Einsichten in Leistung und Verhalten von Arbeitnehmern möglich machen, die einmal bei herkömmlicher Überwachung nicht gegeben waren und zum anderen - was bedeutsamer erscheint - einer persönlichen, individualisierenden Beurteilung entbehren, was den Arbeitnehmer zu einem bloßen "Beurteilungsobjekt" machen kann.

Gründe

A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob die Einführung und Anwendung eines Datenerfassungsgerätes UNIDAT M 16/IPAS zur Vorgabezeitermittlung mitbestimmungspflichtig ist. Antragsteller ist der Betriebsrat des Werks K des Arbeitgebers, eines Unternehmens der Automobilindustrie. Im Betrieb sind etwa 3.900 Arbeitnehmer beschäftigt.

Im Betrieb des Arbeitgebers wird im Zeitakkord unter Verwendung des Zeitermittlungsverfahrens MTM (Methods Time Measurement) zur Vorgabezeitermittlung gearbeitet.

Seit mehreren Jahren verhandeln die Beteiligten über die Einführung von rechnergestützten Zeitaufnahmegeräten. Der Arbeitgeber hat sich 1990 für die Einführung des universellen Datenerfassungssystems UNIDAT M 16 entschieden und es seit 7. November 1990 eingesetzt.

Der kraft Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers anzuwendende Lohnrahmentarifvertrag für Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 15. Januar 1982 (im folgenden: LRTV) regelt detailliert die Anforderungen an Vorgabezeitermittlungen durch den Arbeitgeber.

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Die Vorgabezeitermittlung erfolgte bis zum Jahre 1990 unter Verwendung von Uhren und Aufnahmebögen durch den Zeitstudienmann. Auf den Bögen wurden die einzelnen Arbeitsschritte handschriftlich notiert und die dafür benötigte Zeit eingetragen.

Das seitdem verwendete Zeitaufnahmegerät UNIDAT M 16 weist nach dessen Benutzerhandbuch folgende Leistungsmerkmale auf:

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Die Programmbeschreibung weist weiterhin aus, daß mit dem Gerät zyklische und nichtzyklische Zeitaufnahmen, Verteilzeitstudien, Multimomentstudien, Auswertungen von Zeitaufnahmen, Datenübertragung an Personalcomputer (auch mittels Speicherkarten) sowie Dateilöschungen durchführbar sind.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, die Einführung und Anwendung dieses Systems ohne seine Beteiligung verstoße gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Es handele sich um eine technische Einrichtung der Datenverarbeitung, die zur Überwachung von Verhalten und Leistung bestimmt sei, weil sie bestimmte auf Arbeitnehmer bezogene Daten verarbeite und Aussagen über das Verhalten der Arbeitnehmer mache. Das System weise Merkmale eines kleinen Personalcomputers auf; eingebaut sei eine Tabellenkalkulation, das bedeute, daß die Daten beliebig verknüpfbar seien. Arbeitszeitstudien seien gerade nur dann sinnvoll, wenn das Arbeitsverhalten in der Zeiteinheit beurteilt werde. Das System enthalte nach seiner Beschreibung auch die Möglichkeit der Namenseingabe des überwachten Arbeitnehmers. Mit dem System sei auch eine Aussage über Gruppenleistungen möglich. Aufgenommene Daten könnten bestimmten Arbeitnehmern über eine sog. Ablaufnummer immer zugeordnet werden, weil diese einerseits in den jeweiligen Vorgang eingegeben werde und andererseits auf einem schriftlichen Aufnahmebogen enthalten sei. Die Daten des Systems würden deshalb erhoben, um sie in einem Zentralrechner in vielfältiger Weise zu verarbeiten.

Der Betriebsrat hat beantragt festzustellen, daß die Einführung des Erfassungs- und Auswertungssystems für Zeitaufnahme des Typs UNIDAT/IPAS der Mitbestimmung des Betriebsrates bedarf und zweitinstanzlich den Antrag dahingehend erweitert festzustellen, daß die Einführung und Anwendung des Erfassungs- und Auswertungssystems für Zeitaufnahmen des Typs UNIDAT/IPAS der Mitbestimmung bedarf.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, die Einführung und Anwendung des Erfassungs- und Auswertungssystems UNIDAT/IPAS unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, weil es sich weder um eine technische Einrichtung i.S. dieser Vorschrift handele, noch das Gerät in der Lage sei, Verhalten oder Leistung von Personen zu überwachen und ferner auch nicht zu einer solchen Überwachung bestimmt sei. Gerät und Software seien mit der Kopplung von Stoppuhr und Taschenrechner, wie sie früher vom Zeitstudienmann verwendet wurden, vergleichbar. Es würden bestimmte Zeiten aufgenommen und gespeichert und noch vor einer Auswertung erfolge der Ausdruck der erfaßten Informationen als Urprotokoll. Jede weitere Auswertung der Daten sei ohne diesen Ausdruck blockiert. Diese weitere Auswertung zur Ermittlung der Vorgabezeiten erfolge rechnergestützt und werde ebenfalls ausgedruckt. Die beim Arbeitgeber eingesetzte Software erlaube ausschließlich eine Vorgabezeitermittlung und keinerlei andere Auswertung.

Der Schutzzweck der Norm gebiete, daß es sich bei einer technischen Einrichtung i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG um eine solche handele, die eigenständige Kontrollwirkung entfalten könne. Das umstrittene Zeitaufnahmegerät jedoch sei durch den Zeitstudienmann wie eine Stoppuhr zu bedienen; ein Unterschied bestehe nur darin, daß die aufgenommenen Zeiten nicht mehr abgelesen und per Hand in eine Liste eingetragen würden. Darüber hinaus sei das Zeitaufnahmegerät unselbständig, weil der Zeitstudienmann die Zeitaufnahme auslöse und dieser Herr des Verfahrens sei. Gleiches gelte für den anschließenden Rechenvorgang.

Eine Überwachung eines Arbeitnehmers scheide begrifflich schon deswegen aus, weil es sich um eine einmalige Momentaufnahme in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum handele, die allenfalls für diesen Zeitraum Rückschlüsse auf Verhalten oder Leistung zulasse. Eine Überwachung setze die Erhebung oder Verarbeitung personenbezogener Daten voraus. Entscheidend sei bei der Zeitaufnahme aber gerade, wie lange ein x-beliebiger Arbeitnehmer bei einem bestimmten Leistungsgrad für einen Arbeitsvorgang benötige. Personenbezogene Daten würden in das Gerät nicht eingegeben. Die Einrichtung habe nur den Zweck, Vorgabezeiten zu ermitteln und diese Tätigkeit habe mit Überwachung von Arbeitnehmern nichts zu tun. Eine Individualisierbarkeit dieser Leistungsdaten sei nur unter Zuhilfenahme des Zeitaufnahmebogens Z 10 möglich, dessen Aufbewahrung tarifvertraglich vorgeschrieben sei. Daraus erwachse kein sonst nicht vorhandenes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Der Arbeitgeber habe hier selbst keinen Entscheidungsspielraum.

Letztlich habe er, der Arbeitgeber, keinerlei Interesse am Namen des Arbeitnehmers; entscheidend sei die Datensammlung zur Vorgabezeitermittlung. Deswegen wende er auch eine Programmversion an, die die Eingabe personenbezogener Daten vermeide. Die bloße Rechen- und Speicherkapazität des Systems reiche für die Erfassung und Verarbeitung von Daten nicht aus; es komme auf die tatsächlich verwendeten Programme an.

Sofern ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht bereits am Wortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG scheitere, so stünden dem Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Eine unbegrenzte anonyme Überwachung von Arbeitnehmern finde bei der Vorgabezeitermittlung nicht statt.

Letztendlich sei die tarifliche Regelung über die Vorgabezeitermittlung vollständig und abschließend, so daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bereits nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausscheide.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats einschließlich der in der 2. Instanz erfolgten Antragserweiterung stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Arbeitgeber die Wiederherstellung des Beschlusses des Arbeitsgerichts, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.

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1. Das strittige Zeitaufnahmesystem UNIDAT M 16/IPAS ist eine technische Überwachungseinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

a) Daß das Zeitaufnahmegerät begrifflich eine technische Einrichtung darstellt, bedarf nach den im Tatbestand festgestellten technischen Parametern keiner ausführlicheren Darstellung. Darüber hinaus ist das Zeitaufnahmesystem UNIDAT M 16/IPAS auch eine Überwachungseinrichtung.

Der Senat hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 26. März 1991 seine ständige Rechtsprechung bestätigt, daß die Überwachung von Arbeitnehmern (durch Personen) bei ihrer Arbeitsleistung nur dann mitbestimmungspflichtig ist, wenn sie mit Hilfe technischer Einrichtungen erfolgt. Zur Zeitstudienaufnahme mittels zeitgeeichter Filmkameras hat der Senat bereits am 10. Juli 1979 entschieden, daß deren Verwendung der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegt, obwohl mit den verwendeten Kameras Filmaufnahmen der einzelnen Arbeitsplätze von nur maximal 12 Minuten gemacht wurden. Das Ergebnis dieser Entscheidung kann allerdings auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar übertragen werden, weil der Senat damals darauf abstellte, daß jede einzelnen Phase des Arbeitsverhaltens eines Arbeitnehmers im Film festgehalten werde und die jederzeitige Auswertungsmöglichkeit des Filmes im besonderen Maße in die persönliche Sphäre des betreffenden Arbeitnehmers eingreife.

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b) Anders als eine Stoppuhr ist das Zeiterfassungs- und Auswertungssystem UNIDAT/IPAS zur Überwachung geeignet.

Nach ständiger Senatsrechtsprechung seit dem 14. September 1984 unterliegt auch die technische Auswertung manuell erhobener Daten und nicht nur die technische Erhebung derselben dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. In zwei weiteren Entscheidungen hat der Senat klargestellt, daß es bei der technischen Datenverarbeitung (nur) darauf ankomme, ob die Daten durch die technische Einrichtung programmgemäß zu Aussagen über Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer verarbeitet werden. Diese Entscheidungen haben, auch unter dem Aspekt des Datenschutzes, vielfältige Aufnahme in die Literatur gefunden, die seither kaum noch überschaubar ist.

Ob im vorliegenden Falle ein Mitbestimmungsrecht schon deshalb bejaht werden kann, weil die Datenerhebung mittels einer technischen Einrichtung erfolgt, kann dahingestellt bleiben. Dagegen spricht, daß eine tatsächliche Beobachtung selbst durch den Arbeitsstudienmann erfolgt, der seinerseits erst die Datenerfassung auslöst und durchführt. Die Aufnahmedaten selbst haben auch keine andere Qualität als die auf herkömmliche Weise erhobenen Daten. Das ausgedruckte Urprotokoll steht dem handschriftlich ausgefüllten Aufnahmebogen gleich.

Darin erschöpfen sich aber nicht die technischen Möglichkeiten des Systems UNIDAT M 16/IPAS. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dieses zur Datenspeicherung, -bearbeitung, -übertragung und -löschung geeignet. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung seit der Entscheidung vom 14. September 1984 ist das Verarbeiten von Verhaltens- und Leistungsdaten zu Aussagen über Verhalten und Leistung für sich allein schon Überwachung. Dieser Auffassung ist ein Teil der Literatur gefolgt und gliedert die durch Computer ermöglichte technische Überwachung seitdem in drei Phasen automatisierter Personaldatenverarbeitung , von denen jede das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auslösen kann, nämlich die Erhebung von Verhaltens- und Leistungsdaten, das Verarbeiten (Sichten, Ordnen, In-Beziehung-setzen) und die Beurteilung (Vergleich der Verhaltens-/ Leistungsaussage mit der Vorgabe). Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorganges mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Der Senat hat dazu in seiner "Technikerberichtssystem-Entscheidung" ausgeführt, daß die Auswertung von Verhaltens- und Leistungsdaten durch die technische Einrichtung im Grunde (zwar) nichts anderes ist als der Nachvollzug menschlicher Gedankenarbeit. Der Umstand allein, daß die technische Einrichtung diese Vorgänge wie Sichten, Sortieren, Zusammenstellen, Trennen und In-Beziehung-setzen von Informationen und Vornehmen einfacher Rechenoperationen, in einem quantitativen Umfang und mit einem Zeit- und Kostenaufwand erledigt, der bei menschlicher Auswertung "praktisch unmöglich" wäre, macht die technische Auswertung nicht zu einem Vorgang, der anders beurteilt werden müßte als die Auswertung durch den Menschen selbst. Jedoch die Selektion der Daten und der damit verbundene Kontextverlust sowie die unbegrenzt mögliche Erstreckung der Verarbeitung auf alle Daten einschließlich solcher, die weit zurückliegen und einen gegenwärtigen Aussagewert möglicherweise nicht mehr haben, können Einsichten in Leistung und Verhalten von Arbeitnehmern möglich machen, die einmal bei herkömmlicher Überwachung nicht gegeben waren und zum anderen - was bedeutsamer erscheint - einer persönlichen, individualisierenden Beurteilung entbehren, was den Arbeitnehmer zu einem bloßen "Beurteilungsobjekt" machen kann. Dieser Rechtsprechung sind auch die Verwaltungsgerichte in der Auslegung des fast wortgleichen § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG gefolgt.

Dieses Verständnis des Überwachungsbegriffs, daß das Verarbeiten von Verhaltens- und Leistungsdaten zu Aussagen über Verhalten und Leistung für sich allein schon Überwachung i.S. von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sein kann, rechtfertigt sich aus dem Zweck der Vorschrift, das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch gleichberechtigte Teilhabe des Betriebsrats an der betreffenden Regelung zu schützen. Daß auch die Verarbeitung wahrer Tatsachenfeststellungen rechtsverletzend sein kann, wenn sie aufgrund der Zusammenstellung zu einer fehlerhaften Gewichtung verleiten können, hat der Senat ausführlich in der "Technikerberichtssystem-Entscheidung" mit der zur technischen Auswertung notwendigen Datenselektion und dem damit verbundenen Kontextverlust begründet. Im vorliegenden Verfahren besteht die Möglichkeit, daß die durch das Zeitaufnahmegerät erhobenen Daten zu selektierten und beliebig gewichteten Daten verarbeitet werden. Zwar wird die Leistung des Arbeitnehmers objektiv gemessen, jedoch stellt gerade diese Leistungsfeststellung nur einen bestimmten Abschnitt aus der Gesamtarbeitsleistung unter besonderen Bedingungen dar. Hinzu tritt eine Schätzung des Leistungsgrades, die gleichfalls nur auf einen bestimmten Ausschnitt bezogen ist. Die Speicherung und Verarbeitung (z.B. Vergleich der Leistungen) dieser manuell erhobenen Daten kann zur Grundlage der Beurteilung eines Arbeitnehmers gemacht werden, obwohl zutreffende Rückschlüsse auf die Gesamtleistung gar nicht möglich sind. Entscheidend ist, daß die technische Auswertung einer persönlichen, individualisierenden Beurteilung entbehrt und die Kenntnis des Arbeitnehmers von einer derartigen Verarbeitung von Verhaltens- und Leistungsdaten einen Anpassungsdruck erzeugt, der zu erhöhter Abhängigkeit des Arbeitnehmers führt und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit behindert..

c) Bei den mit dem Zeitaufnahmegerät erhobenen Daten handelt es sich um Leistungsdaten von Arbeitnehmern, die nicht die gesamte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers widerspiegeln. Ermittelt (beurteilt) wird bei der Zeitaufnahme gerade die Arbeit je Zeiteinheit. Diese Leistungsdaten unterliegen programmgemäß einer Speicherung und Verarbeitung im hier strittigen Zeitaufnahme- und Auswertungsgerät. Welche weitere Verarbeitung der Daten mittels des Programmes IPAS im einzelnen durchgeführt werden kann, ist durch das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Jedoch steht nach dem ermittelten Tatbestand fest, daß eine programmgemäße Aufzeichnung und Verarbeitung von Leistungsdaten erfolgt. Daß diese ermittelten Daten Auskunft über Leistungen bestimmter Arbeitnehmer darstellen (wenngleich eine Leistungsbeurteilung des bestimmten Arbeitnehmers nicht Zweck der Zeitaufnahme ist), ist unstrittig und es kann deshalb dahinstehen, welche einzelnen Auswertungsschritte mit dem Zeitaufnahmegerät UNIDAT M 16 allein oder in Verbindung mit dem Auswertungsprogramm IPAS an einem Personalcomputer oder, wie der Betriebsrat besorgt, an einem Großrechner vollzogen werden können.

d) Überwachung des einzelnen Arbeitnehmers durch technische Einrichtungen setzt voraus, daß die ermittelten und aufgezeichneten Verhaltens- und Leistungsdaten auch einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, der einzelne Arbeitnehmer also identifizierbar ist. Daß der einzelne Arbeitnehmer unter Zuhilfenahme des Zeitaufnahmebogens ermittelt werden kann, steht nicht im Streit. Unerheblich ist, ob eine Verknüpfung zwischen Zeitaufnahmebogen und Zeitaufnahmegerät vorhanden ist. Auf welche Weise erfaßte Leistungs- und Verhaltensdaten bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden können, ist gleichgültig. Die Identifizierung muß nicht durch die technische Einrichtung selbst erfolgen.

Daß diese Identifizierung schon deswegen möglich sein muß, weil sie nach § 5 Nr. 9 d LRTV vorgeschrieben ist, steht einem Mitbestimmungsrecht nicht im Wege. Ein Vergleich mit dem Beschluß des Senats vom 10. Juli 1979 in der sogenannten "Fahrtenschreiberentscheidung" geht schon deswegen fehl, weil dort die Überwachungseinrichtung als solche gesetzlich vorgeschrieben war. Danach bestand kein Raum für ein irgendwie geartetes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Im vorliegenden Falle ist die Art des Überwachungsgeräts nicht tariflich vorgeschrieben, der Arbeitgeber hat sich für ein System entschieden, das nicht lediglich zur Zeitaufnahme bestimmt ist, sondern die Verarbeitung von Leistungsdaten zuläßt. Erst die Auswahl dieses zur Verarbeitung von Leistungsdaten geeigneten Systems in Verbindung mit der Tarifvorschrift des § 5 Nr. 9 d LRTV führt zur Überwachungsmöglichkeit.

e) Das Zeitaufnahmegerät ist i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zur Überwachung bestimmt.

Eine technische Einrichtung, die aufgrund des verwendeten Programms Verhaltens- und Leistungsdaten auswertet, ist zur Überwachung geeignet und damit bestimmt. Das vorliegend verwendete Programm errechnet Leistungsdaten von Arbeitnehmern, die aufgrund einer Zeitaufnahme erhoben werden. So ist das Gerät dazu bestimmt, aufgenommene Daten einem bestimmten Leistungsgrad zuzuordnen. Daß die aufgenommenen Daten nicht primär einer bestimmten Person zugeordnet werden sollen, ist nach dem verwendeten Programm anzunehmen. Eine solche Möglichkeit der Zuordnung besteht jedoch. In welchem Umfang eine programmgemäße (Weiter-) Verarbeitung der Daten mittels Personalcomputer und dem Programm IPAS noch erfolgt, d.h. welche zusätzliche Datenverarbeitungs-, Übertragungs- und Speicherungsmöglichkeit noch besteht, hat das Landesarbeitsgericht im einzelnen nicht aufgeklärt. Es hat jedoch festgestellt, die Möglichkeiten der jederzeitigen Abrufbarkeit und Verknüpfbarkeit seien so umfassend, daß eine neue Situation entstehe. Diese Feststellung hat die Rechtsbeschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, so daß der Senat von ihnen auszugehen hat. Für den Senat steht damit bindend fest, daß über das bei einer manuellen Zeiterfassung hinausgehende Maß eine Verknüpfung der Leistungsdaten und damit eine vom Kontext gelöste Überwachung möglich ist.

Dementsprechend hat der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung dieses Systems ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

2. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht durch eine abschließende tarifliche Regelung zur Vorgabezeitermittlung ausgeschlossen (§ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG). Entsprechend dem Sinn des Ausschlusses des Mitbestimmungsrechts bei einer bestehenden gesetzlichen oder tariflichen Regelung greift der Vorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur ein, wenn die gesetzliche oder tarifliche Regelung die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst inhaltlich und abschließend regelt und damit dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts Genüge tut.

Zwingend regelt § 5 Nr. 9 LRTV die Methode (Fortschrittszeitverfahren oder Einzelzeitverfahren) der Zeitaufnahme und daß diese unter Verwendung von Zeitmeßgeräten zu erfolgen hat. Die Vorschrift regelt darüber hinaus detailliert die förmlichen Anforderungen an die Zeitaufnahme durch den Zeitstudienmann, etwa den Inhalt des Zeitaufnahmebogens und dessen Aufbewahrung sowie einzelne Vorgaben an den Zeitstudienmann, wie dessen Standort bei der Zeitaufnahme, die Anwendung des zutreffenden Zeitaufnahmebogens und Anforderungen an das Schätzen des Leistungsgrades. Nicht geregelt ist im Tarifvertrag, was für ein Zeitmeßgerät zu verwenden ist. Die Wahl eines bestimmten Gerätes kann deshalb ein Mitbestimmungsrecht auslösen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfüllt sind.

Die Tatsache, daß der LRTV eine detaillierte Regelung der Umstände der Zeitaufnahme enthält, kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht ausschließen. Erkennbar beschränkt sich der Regelungsgegenstand des LRTV auf die Zeitaufnahme und deren Auswertung. Gerade hinsichtlich der Speicherung (Aufbewahrung), Übertragung (Weitergabe), weiteren Verarbeitung und Löschung (Vernichtung) solcher Zeitaufnahmedaten regelt der LRTV nichts außer der Pflicht zur Aufbewahrung der Zeitaufnahmebögen. Eine Regelung, die sich auch nur ansatzweise mit der Überwachung mittels Zeitaufnahmegeräten befaßt, haben die Tarifvertragsparteien erkennbar nicht getroffen. Dann aber ist die Regelung des LRTV zumindest hinsichtlich der Fragen, die über die eigentliche Zeitaufnahme und die Fertigung des Zeitaufnahmebogens hinausgehen, nicht abschließend und der Mitbestimmung des Betriebsrates zugänglich.