BAG 1 ABR 6/94 vom 26. Juli 1994
Leitsatz
1. Die technische Auswertung von Leistungsdaten, die nicht auf einzelne Arbeitnehmer, sondern auf eine Arbeitsgruppe in ihrer Gesamtheit bezogen sind, ist dann eine Überwachung i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn der Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder weitergeleitet wird.
2. Dazu genügt es, daß sich infolge der Größe und Organisation der Gruppe sowie der Art ihrer Tätigkeit für das einzelne Gruppenmitglied entsprechende Anpassungszwänge ergeben. Die Entlohnung (Gruppenakkord) ist nur eines von verschiedenen Mitteln, die solche Anpassungszwänge erzeugen können.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einführung des EDV-gestützten Arbeitswirtschaftsinformationssystems "ARWIS" im Betrieb der Arbeitgeberin der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.
In diesem Betrieb werden von über 300 Arbeitnehmern Küchenmöbel hergestellt. Die Arbeitgeberin teilte im Juli 1992 dem Betriebsrat ihre Absicht mit, ARWIS im Betrieb einzuführen. Sie legte dem Betriebsrat den Entwurf einer Betriebsvereinbarung hierüber vor. Der Betriebsrat verweigerte jedoch im Oktober 1992 die Zustimmung. Auch in der Folgezeit einigten sich die Beteiligten nicht. Seit November 1992 setzt die Arbeitgeberin das System ARWIS dennoch in der Arbeitsplattenabteilung ein. Dort sind 5 bis 6 Arbeitnehmer beschäftigt. Sie arbeiten im Zeitlohn, dessen Höhe sich nach dem Durchschnitt des früher von ihnen bezogenen Akkordlohns richtet.
ARWIS ist ein Informationssystem in Form einer besonderen Software, die von Unternehmen auf vorhandenen EDV-Anlagen (Personal-Computern) eingesetzt werden kann. Im vorliegenden Fall stützt sich seine Anwendung auf den Personal-Computer des technischen Leiters des Betriebs. ARWIS ist auf Arbeitsgruppen bezogen. Sein Zweck besteht darin, den Aufwand an Bearbeitungszeit pro Einheit zu vermindern und dadurch die Produktivität zu erhöhen. Das System erfaßt anhand der gestempelten Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer und der von ihnen ausgefüllten Stückzahllisten täglich die Gesamt-Anwesenheitszeit und die Produktionszeit der Gruppe in Stunden sowie ihre Gesamt-Leistung in Stück. Diese Daten werden der statistischen Vorgabezeit gegenübergestellt, die das System auf der Grundlage der in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Arbeitsergebnisse ermittelt. In die Berechnung der Vorgabezeit fließen sowohl "direkte" Zeiten (produzierende Tätigkeiten im engeren Sinne) als auch "indirekte" Zeiten (Rüstzeiten u.ä.) als gesonderte Posten ein. Auf diese Weise wird die Differenz zwischen der tatsächlich aufgewandten und der "erwirtschafteten" Zeit ermittelt. Unter erwirtschafteter Zeit wird dabei das Produkt aus Vorgabezeit und tatsächlich erreichter Stückzahl verstanden. Auf der Grundlage dieser Daten wird der jeweilige Trend der Produktionsentwicklung, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum, dargestellt. Außerdem wird auch der Produktivitätsgrad als das Verhältnis der Summe direkter Zeiten zu der von der Gruppe aufgewandten Gesamtzeit errechnet. Die Vorgabezeit wird vom System anhand der jeweils festgestellten Leistungen und Leistungsabweichungen kontinuierlich fortgeschrieben.
Alle diese Auswertungen erfolgen täglich. Ihre Ergebnisse sollen nicht nur dem Arbeitgeber, sondern auch der jeweiligen Gruppe Veränderungen der Arbeitsinhalte, des Arbeitsvermögens oder des Arbeitsverhaltens sofort erkennbar machen. ARWIS wird vom Anbieter daher als System "aktiver Selbstkontrolle" bezeichnet.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Einführung und Anwendung von ARWIS mitzubestimmen. Es handele sich um eine zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Arbeitnehmer bestimmte technische Einrichtung. Unschädlich sei insoweit, daß die Arbeitgeberin diese lediglich gruppenbezogen einsetze, denn das System könne durch entsprechende Änderung der Gruppendefinition auch Vorgaben und tatsächliche Zeiten und Leistungen bezogen auf einzelne Arbeitnehmer vergleichen. Zumindest ergebe sich das Mitbestimmungsrecht daraus, daß der von ARWIS ausgehende Überwachungsdruck auf die einzelnen in der Plattenabteilung beschäftigten Arbeitnehmer durchschlage. Dem stehe nicht entgegen, daß die Arbeitnehmer nicht im Leistungslohn arbeiteten, denn aus der Verantwortlichkeit der gesamten Gruppe für ihre Arbeit ergebe sich ein vergleichbarer sozialer Druck.
Der Betriebsrat hat beantragt festzustellen, daß die Anwendung des Systems ARWIS im Betrieb der Arbeitgeberin mitbestimmungspflichtig ist.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Nach ihrer Meinung besteht kein Mitbestimmungsrecht, weil ARWIS nicht zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung einzelner Arbeitnehmer geeignet sei. Es könne nur gruppenbezogene Daten auswerten. Von ARWIS könne auch kein auf die einzelnen Arbeitnehmer durchschlagender Überwachungsdruck ausgehen, denn deren Arbeitsentgelt sei nicht leistungsabhängig. Dafür, daß das System die Arbeitnehmer einem solchen Druck in anderer Weise aussetze, gebe es keine tatsächlichen Anhaltspunkte.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats zu Recht stattgegeben.
....
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung von ARWIS im Betrieb der Arbeitgeberin mitzubestimmen. ARWIS ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
1. Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat, stellt Computer-Software in Verbindung mit dem Rechner, der mit ihr betrieben wird, eine technische Einrichtung i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar. Dabei ist es unerheblich, ob der verwendete Rechner bereits vor der Anschaffung der im Streit befindlichen Software im Betrieb vorhanden war und in anderer Weise genutzt wurde. Erst die entsprechende Software ermöglicht die Nutzung einer EDV-Anlage zu einem bestimmten Zweck.
2. Mit zutreffender Begründung hat es das Landesarbeitsgericht bejaht, daß diese technische Einrichtung zur Überwachung der Arbeitnehmer i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist.
a) Der Qualifikation von ARWIS als technische Überwachungseinrichtung steht nicht entgegen, daß die in diesem System verarbeiteten Daten von den Arbeitnehmern teilweise von Hand erhoben werden, indem sie Stückzahllisten ausfüllen. Wie der Senat in eingehender Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung entschieden hat, rechtfertigen es weder Wortlaut noch Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, unter technischer Überwachung nur einen Vorgang zu verstehen, der auch die Erhebung der Leistungsdaten auf technischem Wege umfaßt. Vielmehr kann schon das Verarbeiten von Informationen für sich allein als Überwachung zu verstehen sein. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
b) Die mit Hilfe von ARWIS ausgeübte Überwachung bezieht sich auf die Zahl der in einem bestimmten Zeitraum von der Gruppe gefertigten Arbeitsplatten. Dabei handelt es sich um ein Leistungsdatum. Auch insoweit sind sich die Beteiligten einig.
c) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings nicht aufgeklärt, ob, wie der Betriebsrat behauptet, auch die Leistung einzelner Arbeitnehmer Gegenstand der Überwachung durch ARWIS sein kann. Das war entbehrlich, weil es nach seiner Auffassung zur Begründung der Mitbestimmungspflichtigkeit von ARWIS genügt, wenn dieses System nur die von einer Gruppe von Arbeitnehmern insgesamt erbrachte Leistung auswertet. Damit hat das Landesarbeitsgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Tragweite des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht verkannt.
aa) Zunächst ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausnahmsweise auch den Fall erfassen kann, in dem die Gesamtleistung einer Gruppe und nicht die jeweilige Leistung der einzelnen Arbeitnehmer Überwachungsobjekt einer technischen Einrichtung ist.
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats stellt die technische Auswertung von Leistungsdaten zwar im Grundsatz nur dann ein Überwachen durch eine technische Einrichtung i. S. dieser Vorschrift dar, wenn die Leistungsdaten einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können, die betreffenden Arbeitnehmer also identifizierbar sind. Das Auswerten der Leistung einer ganzen Abteilung oder Gruppe reicht nicht aus, um das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu begründen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nach der zitierten Senatsentscheidung jedoch dann zu machen, wenn der von der technischen Einrichtung auf die Gruppe ausgehende Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder durchschlägt. Das hat der Senat für den Fall angenommen, daß die Arbeitnehmer in einer überschaubaren Gruppe - im konkreten Fall 6 bis 8 Arbeitnehmer - im Gruppenakkord arbeiten.
Der Senat hat diese Differenzierung aus den Erwägungen hergeleitet, auf denen die Mitbestimmungspflichtigkeit technischer Überwachungseinrichtungen beruht. Danach birgt die Auswertung von Informationen über die Leistung der Arbeitnehmer durch technische Einrichtungen die Gefahr des Eindringens in Persönlichkeitsbereiche, die einer nichttechnischen Überwachung nicht zugänglich sind. Auch werde der Arbeitnehmer Objekt einer Überwachungstechnik, der er sich nicht entziehen könne. Das Wissen um diese Überwachung erzeuge einen Anpassungsdruck, der zu erhöhter Abhängigkeit des Arbeitnehmers führen und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit beschränken könne. Dies stelle sich als möglicher Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar.
Zwar laste der von einer technischen Einrichtung ausgehende Überwachungsdruck zunächst nur auf der Arbeitnehmergruppe in ihrer Gesamtheit, wenn nur gruppenbezogene Daten erfaßt werden. Es könnten jedoch Gruppenzwänge bestehen, die den Arbeitnehmer bestimmten, sein eigenes Verhalten an demjenigen der Gruppe auszurichten. Dies sei jedenfalls innerhalb kleiner und überschaubarer Akkordgruppen der Fall. Zum einen beruhe dies darauf, daß sich die Leistung jedes einzelnen Gruppenmitglieds im Arbeitsentgelt für alle niederschlage. Zum anderen ergäben sich derartige Gruppenzwänge dadurch, daß die Gruppe nach dem Gruppenergebnis beurteilt und mit anderen Gruppen verglichen werde, was dazu führen könne, daß letztlich doch die einzelnen Gruppenmitglieder für das Gruppenergebnis "verantwortlich" gemacht würden. Unerheblich sei dabei, ob diese Gruppenzwänge bereits unabhängig von der technischen Überwachung bestünden, und ob der Überwachungsdruck möglicherweise nur gering oder gar unbedeutend sei. Die Größe der Gefahr, daß durch die Überwachung in den Persönlichkeitsbereich des Arbeitnehmers eingedrungen werde, sei erst bei der Ausgestaltung der Regelung über die Anwendung der technischen Einrichtung zu berücksichtigen.
(2) Diese Entscheidung hat zwar verbreitet Zustimmung gefunden, ist aber von einem Teil des Schrifttums als eine vom Gesetz nicht gedeckte Erweiterung der Mitbestimmung kritisiert worden. Im wesentlichen stützt sich die Kritik auf folgende Argumente: Der Gruppendruck gehe nicht vom Arbeitgeber aus, sondern von den anderen Gruppenmitgliedern und könne schon deshalb kein Mitbestimmungsrecht auslösen. Hinzu komme, daß der einzelne Arbeitnehmer nicht durch die technische Einrichtung überwacht werde, sondern auf nichttechnischem Wege durch seine Arbeitskollegen. Das Phänomen des Gruppendrucks sei von der technischen Überwachung unabhängig. Soweit das Bundesarbeitsgericht auf die Besonderheiten des Gruppenakkords abgestellt habe, sei ihm entgegenzuhalten, daß der Druck unabhängig von der Art der Überwachung durch das Akkordsystem bedingt sei, das seinerseits nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG der Mitbestimmung unterliege und daher nicht auch noch zur Begründung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG herangezogen werden könne.
Diese Argumente geben dem Senat keine Veranlassung, von seinem Standpunkt abzurücken. Daß der Gruppendruck von den Arbeitskollegen des jeweiligen Arbeitnehmers ausgeht und nicht vom Arbeitgeber, kann nicht entscheidend sein. Dieser Umstand ändert nichts daran, daß erst die technische Einrichtung den Überwachungsdruck erzeugt, der dann von der Gruppe auf ihre einzelnen Mitglieder weitergeleitet werden kann. Der Gruppendruck ist also nur die Folge des vom Arbeitgeber veranlaßten Einsatzes der technischen Überwachungseinrichtung und durchaus erwünscht als Mittel, mit dessen Hilfe die technische Überwachung ihre Wirksamkeit entfaltet. Ist der Gruppendruck aber auf diese Weise mittelbar vom Arbeitgeber verursacht, so muß er auch bei der Beantwortung der Frage, ob die technische Überwachung mitbestimmungspflichtig ist, berücksichtigt werden.
Auch der Hinweis darauf, daß der interne Gruppendruck nicht auf technische Überwachungsmittel angewiesen ist, überzeugt nicht. Nicht die gruppeninterne Überwachung ist Gegenstand des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, sondern der Einsatz der technischen Überwachungseinrichtung. Wie der Senat in dem Beschluß "Techniker-Berichtssystem" entschieden hat, erfordert § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht, daß alle Vorgänge, die zur "Überwachung" notwendig sind, von einer technischen Einrichtung erledigt werden. So kann der Umstand, daß Daten manuell erhoben werden und lediglich bei ihrer Auswertung auf eine technische Einrichtung zurückgegriffen wird, das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen. Der Senat hat dies mit den Gefahren begründet, welche die technische Auswertung von Leistungsdaten mit sich bringe. Diese liegen insbesondere in dem Kontextverlust, der mit der notwendigen Datenauswahl verbunden ist, und in der unbegrenzt möglichen Verknüpfung mit anderen Daten, die eine persönliche, individualisierende Beurteilung entbehrlich machen. Hierdurch entsteht ein Anpassungsdruck, der zu erhöhter Abhängigkeit des Arbeitnehmers führt. Für diesen kann es keinen wesentlichen Unterschied machen, ob er unmittelbar auf den einzelnen Arbeitnehmer wirkt, oder ob er von der überwachten Gruppe an den Arbeitnehmer weitergegeben wird. Entscheidend ist allein, daß der Einsatz der technischen Einrichtung einen Druck erzeugt, der den einzelnen Arbeitnehmer zur Anpassung seines Verhaltens bewegt und ihn damit in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hindert.
bb) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ferner erkannt, daß der auf die Gruppe wirkende Überwachungsdruck auch auf andere Weise als über die Art des Arbeitsentgelts (Gruppenakkord) auf das einzelne Gruppenmitglied weitergeleitet werden kann.
Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung von der Arbeitgeberin vertretenen Auffassung besteht insoweit keine Divergenz zu dem zitierten Senatsbeschluß. Dort hat der Senat den Gruppenakkord nur als eines, nicht aber als das einzig denkbare Mittel genannt, das den auf der Gruppe liegenden Überwachungsdruck auf das einzelne Gruppenmitglied durchschlagen läßt. Er hat zusätzlich auf die Zwänge abgestellt, die sich daraus ergeben, daß eine kleine und überschaubare Arbeitsgruppe nach dem Gruppenergebnis beurteilt und letztlich für dieses "verantwortlich" gemacht werden könne.
Dafür, daß dieser Überwachungsdruck auf den einzelnen Arbeitnehmer weitergeleitet wird, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, auf welche Weise dies bewirkt wird. Maßgeblich ist nur, ob der Druck für das einzelne Gruppenmitglied spürbar ist. Das ist aber nicht nur dann der Fall, wenn die Höhe des Arbeitsentgelts von der gemeinsamen Arbeitsleistung der Gruppe abhängt. Auch bei leistungsunabhängigem Entgelt kann der soziale Druck, der sich in der gegenseitigen Kontrolle der Gruppenmitglieder äußert, für den einzelnen durchaus spürbar sein. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die Gruppe in ihrer Gesamtheit für ihr Arbeitsergebnis verantwortlich gemacht wird und daher ein gemeinsames Interesse an einem möglichst guten Ergebnis hat. Diese Ergebnisverantwortung erfordert keine Haftung im Rechtssinn. Es ist allgemein bekannt, daß auch das Streben nach Anerkennung durch den Arbeitgeber oder Kollegen sowie das Bemühen, Kritik wegen Leistungsschwäche zu vermeiden, das Verhalten des Arbeitnehmers beeinflussen. Hierfür ist allerdings zunächst erforderlich, daß die Gruppe mit einem bestimmten Arbeitsergebnis identifiziert wird. Es muß hinzukommen, daß sie nach Größe, Organisation und Art ihrer Tätigkeit so beschaffen ist, daß schlechte Leistungen einzelner für die übrigen Gruppenmitglieder bestimmbar bleiben.
Daß die Wirkung solcher nicht materieller Steuerungsmechanismen keineswegs gering eingeschätzt werden darf, ist mittlerweile Allgemeingut. Hierauf beruht auch die in der betrieblichen Praxis immer häufiger anzutreffende Organisationsform der Arbeitsgruppe, die als besonders effizient angesehen wird. Auch das vorliegend im Streit befindliche Informationssystem ARWIS ist ein Beleg für diese Wirkungen. Es beruht darauf, daß schon die tägliche Konfrontation der Gruppe mit ihren Arbeitsleistungen in Form von Soll-/Ist-Vergleichen und Produktivitätstrends dazu führen soll, daß die Arbeitnehmer im Wege "aktiver Selbstkontrolle" ihre Leistungen steigern. Zwar nennt der Anbieter von ARWIS in seiner Beschreibung des Systems beispielhaft ein Unternehmen, in dem Produktivitätssteigerungen durch Prämien honoriert werden; aber ein für das Funktionieren von ARWIS notwendiger Bestandteil ist das nicht.
cc) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Arbeitnehmer in der Arbeitsplattenproduktion eine überschaubare kleine Gruppe bilden, in welcher der von ARWIS ausgehende Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder durchschlägt.
Der Senat hat in der "Kienzle-Schreiber"-Entscheidung eine Gruppe von 6 bis 8 Arbeitnehmern als hinreichend klein und überschaubar angesehen, um eine solche Weiterleitung des Überwachungsdrucks zu ermöglichen. Vorliegend handelt es sich um eine Gruppe von 5 bis 6 Arbeitnehmern. Zwar rügt die Arbeitgeberin, daß das Landesarbeitsgericht insoweit nicht geprüft habe, ob im konkreten Fall der von der Überwachungseinrichtung auf die Gruppe ausgehende Druck tatsächlich auch von den einzelnen Arbeitnehmern empfunden wurde. Aber angesichts des Umstandes, daß ARWIS tägliche Soll-/Ist-Vergleiche anstellt und diese sowie die aktuellen Produktivitätstrends sowohl den Gruppenmitgliedern als auch dem technischen Leiter der Arbeitgeberin zur Kenntnis gegeben werden sollen, konnte das Landesarbeitsgericht ohne weiteres davon ausgehen, daß der Überwachungserfolg auch bezogen auf den einzelnen Arbeitnehmer tatsächlich erzielt wird. Eine derartige, als "aktive Selbstkontrolle" bezeichnete Wirkung ist ja das erklärte und einzige Ziel der Anwendung von ARWIS. Das Interesse der Arbeitgeberin an der Einführung und Nutzung von ARWIS wäre kaum verständlich, wenn es nicht - auch nach Einschätzung der Arbeitgeberin - diese Wirkung tatsächlich hätte.
3. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist auch nicht etwa deshalb begründet, weil die Feststellung des Mitbestimmungsrechts im Tenor des angefochtenen Beschlusses antragsgemäß nicht auf die Arbeitsplattenfertigung beschränkt ist, sondern auch die Einführung von ARWIS in anderen Gruppen des Betriebes erfaßt, über deren Größe nichts bekannt ist.
a) Allerdings ergibt sich das Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitsplattenabteilung nach den vorstehenden Ausführungen daraus, daß es sich um eine kleine und überschaubare Gruppe handelt. Bei größeren Gruppen hat der Betriebsrat dagegen kein Mitbestimmungsrecht. In solchen Gruppen ist nur die Gesamtleistung der Gruppe Gegenstand der Erfassungs- oder Auswertungstätigkeit einer technischen Überwachungseinrichtung, ohne daß der hiervon ausgehende Überwachungsdruck auf die einzelnen Gruppenmitglieder durchschlagen würde. Angesichts der Größe des Betriebs der Arbeitgeberin, in dem über 300 Arbeitnehmer beschäftigt sind, wäre es rein rechnerisch möglich, daß ARWIS auch zur Überwachung von Gruppen eingesetzt wird, die aufgrund ihrer Größe nicht mehr überschaubar sind und in denen daher der erstrebte Überwachungserfolg, bezogen auf die einzelnen Gruppenmitglieder, nicht erzielt werden kann.
Insoweit bedarf es aber keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung, denn diese Möglichkeit kann hier als rein theoretisch vernachlässigt werden. Die Funktionsweise von ARWIS beruht, wie dargestellt, darauf, daß in der Gruppe der von der technischen Überwachung ausgehende Druck auf die einzelnen Arbeitnehmer weitergeleitet wird. Geschieht dies nicht, so kann ARWIS nicht die beabsichtigte "aktive Selbstkontrolle" bewirken, seine Anwendung ist dann für den Arbeitgeber ohne Interesse. Daraus ist abzuleiten, daß ARWIS nur in solchen Gruppen eingesetzt wird, welche ihrer Größe nach die erwarteten Wirkungen auch tatsächlich zulassen. Die Arbeitgeberin hat nichts dafür vorgetragen, daß sie beabsichtige, ARWIS auch in Bereichen des Betriebs einzusetzen, in denen die Überwachung der Gruppe keine für den einzelnen Arbeitnehmer spürbaren Anpassungszwänge auslöst, für die das System daher ungeeignet ist. Dafür ist sie aber darlegungspflichtig, soweit sie die zu weite Fassung des vom Betriebsrat geltend gemachten Mitbestimmungsrechts rügen will.
b) Hiernach kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob entgegen der "Kienzle-Schreiber"-Entscheidung, wie in einem Teil des Schrifttums vertreten wird, bei der technischen Überwachung von Gruppen unabhängig von deren Größe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestehen kann.