Mitbestimmung bei Einrichtung und Betrieb einer Smartphone-App mit Kundenfeedbackfunktion

arbg 8 BV 6/16 vom 8. Juni 2017

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats beim Betreiben einer Smartphone-App durch die Antragsgegnerin.

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit ein Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen. Das Unternehmen besteht aus 10 Betrieben, in denen ca. 1.100 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Der Antragsteller ist der für das Unternehmen zuständige Gesamtbetriebsrat. Insgesamt entsenden acht Betriebsratsgremien ihre Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat; der Sitz des Unternehmens befindet sich in N.

Die Unternehmensgruppe K stellt über die gängigen App-Stores eine kostenfreie Applikation mit dem Namen „K - Angebote und mehr“ zum Download und zur Nutzung bereit.

Diese Applikation (im Folgenden: App) wird von der K Informationssysteme GmbH & Co. KG entwickelt und veröffentlicht. Die App bietet den Kunden der Arbeitgeberin sowie der anderen Vertriebsunternehmen in ihrer aktuellen Version u. a. Rezeptideen, Informationen über die aktuellen Angebote der K SB-Warenhäuser, die Möglichkeit des Anlegens einer Einkaufsliste sowie eine Funktion zum Auffinden des nächst gelegenen K SB-Warenhauses.

Darüber hinaus bietet die App ein sogenanntes „Filial-Feedback“ an. Dieses ermöglicht den Kunden Rückmeldungen zu den Filialen der Arbeitgeberin. Vor Abgabe des Feedbacks wird der Nutzer in der jeweiligen App aufgefordert, eine konkrete Filiale auszuwählen. Im nachfolgenden Formularfeld kann der Nutzer zu der Filiale dann zunächst einen positiven oder negativen Smiley auswählen sowie optional einen Freitext senden. In der früheren Version der App bestand zudem eine Fotofunktion, mittels derer wahlweise Fotos direkt aufgenommen und anschließend versendet oder aber bereits gespeicherte Fotos an die Arbeitgeberin versendet werden konnten. Diese Funktion wurde mittlerweile unstreitig gelöscht. Die beiden älteren App-Versionen, welche noch im Umlauf sind, übermittelten Fotos werden von den jeweiligen Backend-Schnittstellen der App verworfen und an kein System weitergegeben.

Die im Freitextfeld der App eingegebenen Kundenkommentare werden sodann ausschließlich an die K Dienstleistungs GmbH & Co. KG (im Folgenden: Dienstleistungs-KG) weitergeleitet. Dort werden die Kommentare von Mitarbeitern gesichtet und manuell einzelnen Themenbereichen zugeordnet. Bei der Dienstleistungs-KG gehen hierbei Kundenrückmeldungen nicht nur im Wege der App ein, sondern auch per E-Mail mittels des Kontaktformulares auf der Internetseite des Unternehmensverbundes, ferner handschriftliche Briefe sowie telefonische Kundenrückmeldungen. Die Weiterverarbeitung erfolgt dann dergestalt, dass die Rückmeldungen, die das Warensortiment der Arbeitgeberin betreffen, an den Bereich Einkauf, welcher unternehmensübergreifend arbeitet, weitergeleitet werden. Ferner werden sämtliche Kundenrückmeldungen mit Bezug auf eine bestimmte Filiale einmal pro Woche an den Hausleiter dieser Filiale weitergegeben, unabhängig davon, ob es sich um Rückmeldungen per E-Mail, Brief, Telefonat oder per App handelt.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Arbeitgeberin die Rückmeldungen, die sie über die App gewinnt, verlässlich anonymisiert, indem Namen und Zeitstempel entfernt werden, sofern die Rückmeldung einen Mitarbeiterbezug aufweist.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 18.07.2016 wurde die Arbeitgeberin mit Frist bis zum 29.07.2016 aufgefordert, das Filial-Feedback für sämtliche Betriebe des Unternehmens in der App zu deaktivieren und Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat zum Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung hinsichtlich der Anwendung der App aufzunehmen.

Mit E-Mail vom 28.07.2016 bestritt die Arbeitgeberseite das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes und lehnte Verhandlungen hierüber zwecks Abschlusses einer Gesamtbetriebsvereinbarung ab.

Mit Beschluss vom 05.09.2016 setzte das Arbeitsgericht Heilbronn auf Antrag des Gesamtbetriebsrates einen Einigungsstellenvorsitzenden ein und setzte die Zahl der Beisitzer fest. Diese Entscheidung wurde durch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen 21 TaBV 12/16) am 13.01.2017 bestätigt.

Die erste Sitzung der Einigungsstelle ist terminiert auf den 20.06.2017.

Der Gesamtbetriebsrat ist der Auffassung, dass der Betrieb der App eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG darstelle. Durch den Betrieb der Seite ohne seine Zustimmung verletze die Arbeitgeberin sein Mitbestimmungsrecht, weshalb er Unterlassung verlangen könne.

Das Mitbestimmungsrecht ergebe sich daraus, dass die App eine technische Einrichtung darstelle, die es der Arbeitgeberin ermögliche, sowohl das Verhalten als auch die Leistung der Arbeitnehmer zu kontrollieren und mittels der durch die App gewonnenen Daten zu überwachen. Über die Feedbackfunktion hätten die Kunden die Möglichkeit, Kommentare zu Leistung und Verhalten der einzelnen Mitarbeiter abzugeben. Da die Mitarbeiter der Arbeitgeberin verpflichtet seien, Namensschilder zu tragen, sei die Identifizierung der betroffenen Mitarbeiter jederzeit durch Namensnennung möglich. Eine Identifikation sei zudem möglich über Angaben zu Datum und Uhrzeit in Kombination mit den Einsatzplänen der jeweiligen Filialen. Eine wirksame Anonymisierung durch die Dienstleistungs-KG werde bestritten, zumal diese im gleichen Gebäude angesiedelt sei wie die Antragsgegnerin und die Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen unklar sei.

Der Gesamtbetriebsrat beantragt zuletzt:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, die Funktion Filial-Feedback in der App "K - Angebote und mehr" für das Unternehmen und seine Betriebe ohne Zustimmung des Antragstellers oder den die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle zu nutzen und zur Nutzung bereitzustellen.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag Ziffer 1 wird folgender Antrag Ziffer 2 gestellt:

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Antragstellers oder den die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle, die mittels der Filial-Feedback-Funktion in der App "K - Angebote und mehr" gewonnenen und ihr übermittelten Daten zu erfassen, zu speichern und zu nutzen.

3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Antrag Ziffer 1 bzw. Antrag Ziffer 2 wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 10.000,00 angedroht.

Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Anträge.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass der Betrieb der App samt der Funktion Filialfeedback insbesondere nach Löschung der Fotofunktion nicht der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliege. Dies sei darauf zurückzuführen, dass keine Information automatisiert von der App erhoben werde. Diese übermittle lediglich Daten, die von Dritten eingegeben würden. Die App stelle letztlich nur einen weiteren Übertragungsweg für Kundenrückmeldungen dar, ebenso wie das Kontaktformular auf der Internetseite der Arbeitgeberin und fungiere damit lediglich als elektronischer Briefkasten. Zudem erfolge auch keine technische Datenverarbeitung, da alle gewonnenen Daten anschließend manuell sortiert und einfallabhängig an die betroffenen Filialen bzw. in der Hauptsache an den Einkauf weitergereicht würden. Damit stelle die App keine technische Einrichtung dar, die programmgemäß personenbezogene Arbeitnehmerdaten verarbeite. Auch ein öffentlicher Überwachungsdruck werde nicht erzeugt, da sämtliche Kundenrückmeldungen ausschließlich der Dienstleistungs-KG übersandt würden und nicht öffentlich einsehbar seien.

Zudem würden die Daten, welche Mitarbeiter der Arbeitgeberin beträfen, zuverlässig durch die Dienstleistungs-KG anonymisiert, indem die Original-Meldung überschrieben werde, soweit diese Namen von Mitarbeitern oder Daten enthalte, die einen Rückschluss auf einen konkreten Mitarbeiter erlauben würden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Verhandlungsprotokolle.

B.

Die Anträge des Gesamtbetriebsrats sind zulässig, jedoch unbegründet.

I. Zulässigkeit

Die Anträge sind zulässig.

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, da es sich im vorliegenden Fall um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit handelt.

Das Arbeitsgericht Heilbronn ist gemäß §§ 82 Abs. 1 S. 2 ArbGG zuständig, da der Sitz der Arbeitgeberin sich in Neckarsulm befindet.

2. Die Anträge sind auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Es handelt sich um Unterlassungsanträge, die die eigentliche Streitfrage so zur Entscheidung stellen, dass diese mit Rechtskraftwirkung endgültig entschieden werden kann. Es wird deutlich, welche Handlungen die Arbeitgeberin zu unterlassen hat, nämlich, über die K Informationssysteme GmbH & Co. KG den Kunden die App-Funktion Filial-Feedback zur Nutzung bereit zu stellen sowie die hieraus gewonnenen Daten selber zu nutzen. Hierbei ist die Unterlassungsverpflichtung nicht notwendig darauf beschränkt, bestimmte eigene Handlungen zu unterlassen. Sie kann vielmehr auch beinhalten, dass der Verpflichtete innerhalb seines Organisationsbereiches aktiv auf Dritte einwirken muss, um den Eintritt eines bestimmten Erfolgs zu verhindern (BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 Rn. 112). Der Antrag erfasst auch alle Applikationen „K-Angebote und mehr“, unabhängig davon, für welche Betriebssysteme diese entwickelt werden.

3. Das Verfahren wurde durch wirksamen Beschluss des Gesamtbetriebsrats vom 12./13.07.2016 eingeleitet; auch das Vorliegen der Prozessvollmacht des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ist mittlerweile nicht mehr streitig.

II. Begründetheit

Die Anträge des Gesamtbetriebsrats sind unbegründet.

1. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin es unterlässt, die Funktion Filial-Feedback ohne seine Zustimmung bzw. ohne diese ersetzenden Spruch der Einigungsstelle zu nutzen und zur Nutzung bereitzustellen.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem hier gem. § 50 Abs. 1 BetrVG zuständigen Gesamtbetriebsrat bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu. Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93). Der Unterlassungsanspruch wird zwar in § 87 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt; Unterlassungsansprüche können aber als selbständige, einklagbare Nebenleistungsansprüche auch ohne gesetzliche Normierung bestehen. Der Anspruch ergibt sich bei sozialen Angelegenheiten im Sinne von § 87 BetrVG aus der besonderen Rechtsbeziehung, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht.

b) Ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist vorliegend nicht gegeben.

aa) Nach der genannten Vorschrift hat der Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat u. a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. „Überwachung“ im Sinne dieser Vorschrift ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie der späteren Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 Rn. 27; BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 43/12 Rn. 20).

Die Überwachung muss aber durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, d. h. wenigstens in ihrem Kern, die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG setzt daher voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet, wobei es jedoch ausreicht, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt (BAG 15. Dezember 1992 - 1 ABR 24/92 Rn. 32; BAG 10. Dezember 2013 - 1 ABR 43/12 Rn. 20).

So wird die durch Computer ermöglichte technische Überwachung in drei Phasen automatisierter Personaldatenverarbeitung gegliedert, von denen jede das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen kann, nämlich die Erhebung von Verhaltens- und Leistungsdaten, das Verarbeiten (Sichten, Ordnen, Inbeziehungsetzen) und die Beurteilung der Daten (Vergleich der Verhaltens-/ Leistungsaussage mit der Vorgabe). Ausreichend für das Vorliegen eines Mitbestimmungsrechtes ist es, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt (BAG 15. Dezember 1992 - 1 ABR 24/92 Rn. 32).

Für den Fall, dass die technische Einrichtung die Verhaltens- bzw. Leistungsdaten der Mitarbeiter nicht selbst erhebt, ist für das Vorliegen eines Mitbestimmungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erforderlich, dass diese Daten programmgemäß durch die technische Einrichtung zu Aussagen über Verhalten oder Leistung einzelner Arbeitnehmer verarbeitet werden. Dies ist seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Technikerberichtssystem (BAG 14. September 1984 - 1 ABR 23/82 Rn. 52) sowie den Folgeentscheidungen (z. B. BAG 23. April 1985 - 1 ABR 39/81 Rn. 38 zum TÜV-Berichtssystem) und vom 11. März 1986 (BAG 11. März 1986 - 1 ABR 12/84 Rn. 21) sowie vom 15. Dezember 1992 (BAG 15. Dezember 1992 - 1 ABR 24/92 Rn. 30) Gegenstand ständiger Rechtsprechung zu dieser Frage; das Schrifttum ist dem großteils beigetreten (GK-BetrVG/ Wiese, § 87 Rn. 527 f.; Fitting, 28. Aufl., § 87 Rn. 238 ff.; aA HSWGNR/ Worzalla, 8. Aufl. § 87 Rn. 370).

Hintergrund dieser Grundentscheidung ist, dass bei der programmgemäßen technischen Auswertung auch manuell erhobener Daten notwendigerweise ein Kontextverlust der Daten eintritt, weil der ursprüngliche Erhebungszusammenhang verloren geht und das Vergessen von Daten ausgeschlossen wird, so dass die Sammlung von Informationen über den Arbeitnehmer für diesen nicht wahrnehmbar, weil anonym und ohne Möglichkeit einer wirksamen Gegenkontrolle vorgenommen wird. Jedenfalls die notwendige Selektion der Daten und der damit verbundene Kontextverlust sowie die unbegrenzt mögliche Erstreckung der Verarbeitung auf alle Daten einschließlich solcher, die weit zurückliegen und einen gegenwärtigen Aussagewert möglicherweise nicht mehr haben, können Einsichten in Leistung und Verhalten von Arbeitnehmern möglich machen, die einmal bei herkömmlicher Überwachung nicht gegeben waren und zum anderen einer persönlichen, individualisierenden Beurteilung entbehren, was den Arbeitnehmer zu einem bloßen Beurteilungsobjekt machen kann (BAG 14. September 1984 - 1 ABR 23/82).

Auch in der aktuellen Rechtsprechung des BAG (z. B. vom 13. Dezember 2016 - 1 ABR 7/15 Rn. 22) stellt das Bundesarbeitsgericht darauf ab, ob die manuell gewonnenen Daten von der technischen Einrichtung selbst weiterverwertet werden. Es kommt daher in Bezug auf das Betreiben einer Facebook-Seite zu dem Ergebnis, dass aufgrund der (zum Zeitpunkt der Entscheidung) fehlenden Auswertungsmöglichkeiten durch die Facebook-eigene Software der Betrieb einer solchen Internetplattform nicht mitbestimmungspflichtig ist, obwohl der Betrieb einer solchen Website stets auch Kommentare von Nutzern erlaubt (vgl. Rn. 33 der genannten Entscheidung), welche im Gegensatz zu Benutzer-Postings auch nicht deaktiviert werden können.

bb) Bei der von der Arbeitgeberin über die K Informationssysteme GmbH & Co. KG zur Verfügung gestellten Smartphone-Applikationen handelt es sich nicht um eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer bestimmt ist.

Zwar stellt die Applikation eine technische Einrichtung dar. Allerdings ermöglicht die bereitgestellte Funktion „Kundenfeedback“ nicht eine Überwachung des Verhaltens und der Leistung der beschäftigten Mitarbeiter, da diese die Daten nicht im Kern selbst erhebt oder aber programmgemäß verarbeitet.

(1) Die streitgegenständliche App erhebt die Daten nicht selbständig. Datenerhebung ist nach der gesetzlichen Definition von § 3 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz das Beschaffen von Daten über den Betroffenen, vorliegend also über die Mitarbeiter, deren Persönlichkeitsrecht gegenüber der Arbeitgeberseite durch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geschützt werden soll. Das Erheben besteht damit in einer Aktivität, durch die die erhebende Stelle Kenntnis von den betreffenden Daten erhält oder die Verfügungsmacht über diese begründet. Jedoch erfüllt nicht jedes Erhalten oder Empfangen von Daten die Voraussetzungen des Beschaffens in diesem Kontext. Vielmehr muss zu der objektiven Tatsache der Begründung der Verfügungsgewalt über die Daten ein aktives Handeln kommen, das von einem entsprechenden, der erhebenden Stelle zuzurechnenden Willen der handelnden Person getragen ist (Simitis/ Dammann BDSG § 3 Rn. 102). Das vom Begriff des Beschaffens geforderte aktive und subjektive Element fehlt, wenn Daten einer Stelle durch Dritte ohne eigenes Zutun zuwachsen. Hält der Informationsempfänger elektronische oder herkömmliche Empfangsvorrichtungen wie Briefkästen, Faxgeräte, E-Mail-Accounts oder Websites mit Eingabemöglichkeit vor und werden diese zur Mitteilung personenbezogener Daten benutzt, so liegt darin kein Erheben der damit empfangenen Daten, es sei denn, die Benutzer wurden aufgefordert, für bestimmte Zwecke bestimmte Daten zu liefern (Simitis/ Dammann BDSG § 3 Rn. 104).

Dies ist vorliegend nicht gegeben, weil die Arbeitgeberin die Kunden gerade nicht zu einem Feedback über das Verhalten und die Leistung der Mitarbeiter auffordert. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass die Aufforderung zu einem „Feedback“ den Kunden auch dazu verleiten kann, Kommentare über Verhalten und Leistung von Mitarbeitern abzugeben; im Fokus dieser Aufforderung steht dies jedoch nicht. So hat die Arbeitgeberin nachvollziehbar behauptet, dass 99 % der Kundenrückmeldungen sich auf das Warensortiment und ähnliche Bedingungen der betreffenden Filiale beziehen und nur 1 % mitarbeiterbezogen sei.

(2) Die streitgegenständliche App verarbeitet die mitarbeiterbezogenen Daten, die von Kunden eingegeben werden, auch nicht etwa programmgemäß zu Aussagen über Verhalten und Leistung der Betroffenen. Im Gegensatz zu EDV-Systemen, bei denen Leistungsdaten manuell eingegeben, jedoch programmgemäß zusammengestellt, in Beziehung zueinander gesetzt und damit zu Aussagen über Leistung oder Verhalten von Arbeitnehmern zusammengefasst werden (wie z.B. beim Technikerberichtssystem in der BAG-Entscheidung vom 14. September 1984), stellt die streitgegenständliche App lediglich eine weitere Übermittlungsmöglichkeit für Rückmeldungen durch Dritte dar. Sie verarbeitet selber derartige Daten ebenso wenig wie das Kontaktpostfach der Arbeitgeberin auf der Unternehmens-Website und stellt daher lediglich eine Form des elektronischen Briefkastens dar.

Die weitere Nutzung der Daten erfolgt hingegen nicht technisch mit der Gefahr des Kontextverlustes, sondern ausschließlich manuell dadurch, dass Informationen durch Mitarbeiter der Dienstleistungs-KG selektiert und an die entsprechenden Hausleiter der Betriebe weitergeleitet werden. Dafür, dass die App selber die entsprechenden Daten kategorisiert oder auch eine Auswertungsmöglichkeit zur Verfügung stellt, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Die Gefahr des Kontextverlustes und der anonymen Überwachung gerade durch die technische Einrichtung ist damit nicht gegeben. Die Möglichkeit, dass Kunden dem Arbeitgeber Daten über Verhalten oder Leistung seiner Mitarbeiter zukommen lassen, wird durch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ebenso wenig erfasst, wie eine Überwachung der Arbeitnehmer durch Testkäufer oder Hausdetektive.

cc) Da es bereits an einer Überwachungsmöglichkeit durch die technische Einrichtung fehlt, kam es nicht streitentscheidend auf die Frage der wirksamen Anonymisierung durch die K Dienstleistungs-KG an.

2. Auch der vom Gesamtbetriebsrat gestellte Hilfsantrag unterlag der Zurückweisung, da die App keine mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung darstellt, da diese die Arbeitnehmerdaten weder erhebt noch programmgemäß verarbeitet.

3. Der Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes ist mangels Stattgabe der Unterlassungsanträge zur Entscheidung nicht angefallen.