Sitzungsniederschrift und Protokoll
Die Wahl zum Schriftführer wird bei Ihnen gemischte Gefühle auslösen. Zum einen können Sie stolz auf den Vertrauensvorschuss sein, zum anderen scheint ein Berg von Formalitäten und Schriftkram vor Ihnen zu liegen.
Doch keine Sorge: das Pflichtprogramm ist einfach und die Kür mit gutem Willen erlernbar.
Legen wir gleich los!
Was ist eine Sitzungsniederschrift bzw. ein Protokoll
Die gesetzliche Grundlage für die Anfertigung einer Sitzungsniederschrift findet sich in § 34 BetrVG. Danach soll bei jeder Verhandlung des Betriebsrates ein Protokoll angefertigt werden, das den Wortlaut der gefassten Beschlüsse und die Stimmmehrheit bei der Beschlussfassung dokumentiert (§ 34 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Der Sitzungsniederschrift kommt daher vor allem folgende Aufgabe zu: als Urkunde des Privatrechts soll sie die Betriebsratsbeschlüsse ordnungsgemäß und rechtsgültig nachweisen.
Ihre Pflicht: das „Ob” und „Wie” der notwendigen Sitzungsniederschrift
Wann muss eine Sitzungsniederschrift angefertigt werden?
In jeder Verhandlung des Betriebsrates muss eine Sitzungsniederschrift angefertigt werden (§ 34 Abs. 1 S. 1 BetrVG), also bei
- Betriebsratssitzungen (auch wenn keine Beschlüsse gefasst werden)
- Verhandlungen des Gesamtbetriebsrats (§ 51)
- Verhandlungen des Konzernbetriebsrats (§ 59)
- Verhandlungen der JAV (§ 65)
- Ausschüssen/Gremien (§§ 27, 28)
- Arbeitsgruppen (§ 28a).
Es müssen keine Niederschriften anfertigen, wenn Sie beispielsweise in Ihrer Rolle als Betriebsrat mit dem Arbeitgeber verhandeln, Betriebsratsberatungen abhalten oder Einzelgespräche mit Arbeitnehmern führen.
Solange Sie die Mindestanforderungen erfüllen, kommt es beim „Wie“ auf Sie an: Haben Sie Lust, Zeit und Fähigkeiten über die Mindestanforderungen des Gesetzes hinauszugehen? Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig: die Sitzungsniederschrift muss „mindestens den Wortlaut der Beschlüsse und die Stimmmehrheit, mit der sie gefasst sind,“ enthalten (§ 34 Abs. 1 S.1 BetrVG).
Wichtig ist zudem: dem Protokoll muss immer eine Anwesenheitsliste der Teilnehmer beigefügt werden, in welche sich handschriftlich einzutragen ist (§ 34 Abs. 1 S. 3 BetrVG). In diese Liste müssen sich alle anwesenden Sitzungsteilnehmer eintragen, z.B. auch der Arbeitgeber oder der Gewerkschaftsbeauftragte. Was passiert aber nun in den Fällen, in denen ein Sitzungsteilnehmer für kurze Zeit den Raum verlässt (z.B. um die Toilette aufzusuchen) oder bereits vorzeitig die Sitzung verlässt (z.B. um andere Termine wahrzunehmen)? Die (vorübergehende) Abwesenheit muss immer dokumentiert werden! Es sind also genaue Angaben über den Zeitraum zu machen, in dem der jeweilige Teilnehmer persönlich der Sitzung beigewohnt hat - oder eben auch nicht.
Gliederungsvorschlag
- Datum, Uhrzeit, Beginn und Ende der Sitzung
- Anwesenheitsliste, in der sich alle Teilnehmenden einer Betriebsratssitzung einzutragen haben (§ 34 Abs. 1 S. 3 BetrVG)
- Leitung der Sitzung
- Tagesordnung, die behandelt wurde (Anhang)
- Wortlaut der gefassten Beschlüsse (§ 34 Abs. 1 S. 1 BetrVG)
- Abstimmungsergebnis zu den jeweiligen Beschlüssen (§ 34 Abs. 1 S. 1 BetrVG)
- Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden und eines weiteren Betriebsratsmitglieds (§ 34 Abs. 1 S. 2 BetrVG)
Wollen Sie darüber hinaus weitere Punkte als Inhalt der Sitzungsniederschrift festlegen, kann man dies im Rahmen einer Geschäftsordnung (§ 36 BetrVG) regeln. „Die Niederschrift ist von dem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied zu unterzeichnen“ (§ 34 Abs. 1 S. 2 BetrVG).
Beachten Sie: Erfüllen Sie Ihre Pflicht nicht, folgt daraus nicht, dass die in den Verhandlungen gefassten Beschlüsse ungültig werden. Aber der Beweis, dass sie eben ordnungsgemäß zustande gekommen sind, geht verloren (§ 286 ZPO)!
Die perfekte Sitzungsniederschrift als Ihre Kür
Eine Sitzungsniederschrift kann und sollte auch Anforderungen enthalten, die über diese Mindestanforderung hinausgehen – je nach Zweck des Protokolls! Daraus folgt die Konsequenz: es gibt eine Fülle an in Betracht kommenden Protokollarten, von denen Sie sich nun mit den 6 wichtigsten vertraut machen sollten.
Wortprotokoll
Was enthalten sein muss: der gesamte Verhandlungs- und Gesprächsverlauf inklusive Namensnennung
Vorteil: nahezu vollständig, die Ergebnisse sind nachvollziehbar und es hat die größte Beweiskraft
Verlaufsprotokoll
Was enthalten sein muss: die wesentlichen Diskussionspunkte und Sachargumente und der grobe Verlauf der Sitzung inklusive der Ergebnisse
Vorteil: später können Hintergründe und Argumentationen zu den Tagesordnungspunkten nachvollzogen werden
Kurzprotokoll
Was enthalten sein muss: „gestrafftes“ Verlaufsprotokoll; Pro-Argumente für das Abstimmungsergebnis, die wichtigsten Informationen und die Ergebnisse der Abstimmung
Was nicht enthalten sein muss: Namensnennung
Vorteil: schnelle und übersichtlich Art der Protokollanfertigung
Ergebnisprotokoll
Was enthalten sein muss: nur die Ergebnisse
Was nicht enthalten sein muss: Beschlüsse, Abstimmungen sowie Namen der an der Abstimmung teilnehmenden Personen, das Zustandekommen der Ergebnisse oder der Diskussionsverlauf
Vorteil: ist insbesondere für Besprechungen geeignet
Beschlussprotokoll
Was enthalten sein muss: Wortlaut der gefassten Beschlüsse und das Ergebnis der Abstimmung (minimale Gesetzesvorlage)
Vorteil: wenig Arbeitsaufwand
Gedächtnisprotokoll
Was enthalten sein muss: nachträgliche Anfertigung einer Sitzungsniederschrift, häufig in Form einer Gesprächsnotiz
Nachteil: Gefahr von Ungenauigkeiten
Beachten Sie: Auch wenn Sie als Schriftführer alle oben genannten inhaltlichen Anforderungen beachtet haben, besteht für andere Sitzungsteilnehmer die Möglichkeit Einwendungen gegen den Inhalt zu erheben!
Wie solche Einwendungen ordnungsgemäß zu erheben sind, klärt § 34 Abs. 2 S. 2 BetrVG: sie müssen unverzüglich und schriftlich beim Betriebsratsvorsitzenden erhoben werden, der diese der Sitzungsniederschrift beifügt und den Betriebsrat in Kenntnis gesetzt. Auf die Wirksamkeit von Beschlüssen haben solche Einwendungen jedoch keinen Einfluss.
Wie die Wahl des Schriftführers abläuft, was Sie bei der Anfertigung der Sitzungsniederschrift beachten müssen und nützliche Praxis-Tipps für Ihre Arbeit als Schriftführer erhalten Sie in diesem Ratgeber!
Einsichtsrecht und Abschriften
Sobald eine Sitzungsniederschrift angefertigt wurde, darf diese nicht in einfach in einem großen Aktenstapel versinken, ohne dass die Betriebsratsmitglieder darauf Zugriff haben. § 34 Abs. 3 BetrVG garantiert nämlich allen Betriebsratsmitgliedern ein Einsichtsrecht in die Unterlagen des Betriebsrats und seiner Ausschüsse!
Dieses Einsichtsrecht muss vor allem jederzeit gewährleistet sein: das heißt, dass keine zeitlichen Beschränkungen vorliegen dürfen und man keine Begründung der Einsicht vorlegen muss.
Man darf zudem nicht auf elektronisch abgespeicherte Unterlagen verwiesen werden, denn die Unterlagen des Betriebsrates erstrecken sich auch auf die in Papierform vorliegenden Aufzeichnungen. Das Recht auf Einsichtnahme kann weder von Geschäftsordnungen oder Betriebsratsbeschlüssen noch durch Verweis auf Datenschutzbestimmungen eingeschränkt werden.
Nicht vergessen: wenn sich unter den Sitzungsteilnehmern auch der Arbeitgeber oder ein Beauftragter einer Gewerkschaft befindet, müssen diese eine Abschrift der Sitzungsniederschrift erhalten (§ 34 Abs. 2 S. 1 BetrVG) – aber nur für den Teil der Sitzung, an dem diese auch persönlich teilgenommen haben.
Aktuell: Sitzungsniederschriften in digitalen Betriebsratssitzungen
Aufgrund der COVID-19-Pandemie gestaltet sich die Arbeitswelt momentan in vielen Bereichen anders als gewohnt – so auch bei Betriebsratssitzungen. Mit der Einführung des § 129 BetrVG hat der Gesetzgeber auf diese Ausnahmesituation reagiert. Nun sind Betriebsratssitzungen und damit Betriebsratsbeschlüsse auch per Telefon- oder Videokonferenz möglich.
Wie bei einer Betriebsratssitzung mit physischer Anwesenheit muss auch hier sichergestellt werden, dass der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gewahrt wird (§ 129 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Teilnehmende Betriebsräte müssen sicherstellen, dass sich keine unbefugte Person mit ihnen im Raum befindet oder sich Zutritt zum Raum verschaffen kann.
Das Erfordernis einer Sitzungsniederschrift entfällt durch digitale Betriebsratssitzungen nicht. Was genau ist jedoch in der Rolle als Schriftführer durch die Gesetzesneuerung zu beachten? Grundsätzlich kann man hier auf die oben genannten Ausführungen zu Inhalt und Form verweisen. Einige Änderungen sollten jedoch beachtet werden.
Auch wenn es die Arbeit des Schriftführers erleichtern würde: digitale Betriebsratssitzungen dürfen nicht aufgezeichnet werden (§ 129 Abs. 1 S. 2 BetrVG)!
Wie gewohnt muss dem Sitzungsprotokoll auch eine Anwesenheitsliste beigefügt werden. Ein „eigenhändiges” Eintragen wie es § 34 Abs. 1 S. 3 BetrVG fordert, kann momentan jedoch nicht erfolgen. Daher muss die Teilnahme in Textform bestätigt werden (§ 129 Abs. 1 S. 3 BetrVG), insbesondere per E-Mail (§ 126b BGB).
Per E-Mail sollte auch versichert werden, dass die Nichtöffentlichkeit der Sitzung gewährleistet wird und die Sitzung in keiner Form „aufgenommen wird”.