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Europäischer Betriebsrat

Autor:
Christian Hundertmark
15 Minuten Lesezeit

Der Europäische Betriebsrat (EBR) ist zuständig in Angelegenheiten, die ein gemeinschaftsweit tätiges Unternehmen oder mindestens zwei Betriebe in verschiedenen Mitgliedstaaten betreffen (§ 1 Abs. 2 EBRG).

Lesen Sie hier alle zum Thema Gründung, Aufgaben und Tätigkeiten des EBR.

Europaflagge

Entstehung des des Europäischen Betriebsrats

Besondere Probleme für die Arbeit der Interessenvertretung treten auf, wenn ein Unternehmen oder ein Konzern international (z.B. europaweit) operiert.

Das jeweilige nationale Recht (z.B. das Betriebsverfassungsrecht) vermag die für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen entstehenden Probleme nicht zu lösen.

Die Gewerkschaften haben daher insbesondere für den Bereich der europäischen Gemeinschaft seit langem die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für einen „Europäischen Betriebsrat” gefordert.

Hierzu wurde 1996 eine entsprechende Gesetzgebung ausgearbeitet, die 2011 aufgrund der Änderung der zu Grunde liegenden neugefassten Richtlinie 2009/38/EG geändert wurde.

Aufgaben des Europäischen Betriebsrats

  • Einfordern von Informationen von der Unternehmensleitung schon im Vorfeld unternehmerischer Entscheidungen
  • Herstellung des Informationsflusses zwischen den jeweiligen Interessensvertretungen
  • Entwicklung gemeinsamer Konzepte und Vorgehensweisen mit dem Ziel, im Sinne der Interessen der Beschäftigten auf unternehmerische Planungen und Entscheidungen Einfluss zu nehmen

Regelungen zum EBR finden sich in Deutschland im Europäischen Betriebsrätegesetz (EBRG).

Die Befugnisse und Zuständigkeiten erstrecken sich auf alle Betriebe und Unternehmen in der EU. Er ist nach § 1 Abs. 3 EBRG für Angelegenheiten zuständig, die mindestens zwei Betriebe oder zwei Unternehmen in verschiedenen Mitgliedsstaaten berühren. Die betreffenden Angelegenheiten sind in §§ 29 f. EBRG aufgeführt. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Unterrichtungspflichten über die Entwicklung, die Geschäftslage und die Perspektive des Unternehmens.

Gründung eines Europäischen Betriebsrats

Ein EBR wird in Unternehmen errichtet, die in der EU mit mindestens 1.000 Beschäftigten insgesamt und in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten mit jeweils mindestens 150 Arbeitnehmern tätig sind (§ 3 EBRG).

Die Mitglieder des EBR werden vom Gesamtbetriebsrat bestellt. Besteht kein Gesamtbetriebsrat, bestellt der Betriebsrat die Mitglieder. In gemeinschaftsweit tätigen Unternehmensgruppen werden die Mitglieder des EBR nach § 23 Abs. 1 u. 2 EBRG vom Konzernbetriebsrat bestellt. Gleiches gilt auch für die Abberufung der Mitglieder EBR (§ 23 Abs. 4 EBRG).

Hinsichtlich der Mitglieder des EBR sollte möglichst eine ausgewogene Vertretung der Arbeitnehmer nach ihrer Tätigkeit berücksichtigt werden. Demnach sollten nach § 23 Abs. 5 EBRG auch Frauen und Männer entsprechend ihres zahlenmäßigen Verhältnisses im Betrieb bestellt werden. Nach der Bestellung sind die Namen, Anschriften sowie die jeweilige Betriebszugehörigkeit der neuen Mitglieder des EBR unverzüglich der zentralen Leitung mitzuteilen. Diese informiert daraufhin sowohl die örtlichen Betriebsleitungen als auch die dort tätigen Arbeitnehmervertretungen sowie die in den Betrieben tätigen Gewerkschaften (§ 24 EBRG).

Nachdem die Mitglieder des EBR benannt wurden, lädt die zentrale Leitung zeitnah zur konstituierenden Sitzung ein, in der der Vorsitzende sowie sein Stellvertreter gewählt werden. Dieser vertritt den EBR im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse und nimmt Erklärungen entgegen, die gegenüber dem EBR abzugeben sind (§ 25 Abs. 1 u. 2 EBRG). Darüber hinaus bildet der EBR aus seiner Mitte einen Ausschuss, der aus dem EBR-Vorsitzenden sowie mindestens zwei, jedoch höchstens vier weiteren gewählten Ausschussmitgliedern besteht, die in verschiedenen Mitgliedstaaten beschäftigt sind. Der Ausschuss übernimmt nach § 26 EBRG die laufenden Geschäfte des EBR.

Tätigkeit des EBR

Nach der Gründung stehen Europäische Betriebsräte vor oft schwierigen Problemen, die Arbeitsfähigkeit des Gremiums herzustellen. Unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Kulturen der Arbeitnehmervertretung und auch Interessenkonflikte stehen im Raum. Das Gremium benötigt deshalb dringend gemeinsame Zeit zum Austausch von Informationen, von Problemsichten und Ideen. In etwa der Hälfte der EBR-Vereinbarungen ist aber nur maximal eine reguläre Sitzung des EBR pro Jahr vorgesehen, wie dies in § 27 EBRG vorgesehen ist. Manche Vereinbarungen sprechen von mindestens einer Sitzung. In neueren Vereinbarungen werden zunehmend zwei jährliche Sitzungen festgelegt, um den direkten Austausch zu verbessern.

Offizieller Zweck des EBR ist die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer/innen durch die zentrale Unternehmensleitung auf europäischer Ebene. Diesem Zweck dienen die ordentlichen Sitzungen sowie außerordentliche Sitzungen, die bei besonderen Anlässen einberufen werden. Die Inhalte der Anhörung werden in den EBR-Vereinbarungen geregelt. Üblicherweise werden hier genau die Gegenstände genannt, die laut EBR-Richtlinie "kraft Gesetzes" im Falle des Scheiterns einer EBR-Vereinbarung vorgesehen sind. Dazu gehören u.a. die wirtschaftliche Situation und die Beschäftigungslage des Unternehmens, Investitionen, Umstrukturierungen, Fusionen und Betriebsschließungen mit länderübergreifender Bedeutung.

Zwar besitzt kein EBR Mitbestimmungsrechte. Aber die Information und Anhörung durch die zentrale Leitung geht über das Vortragen von Fakten und Standpunkten hinaus. Die EBR-Richtlinie verlangt ausdrücklich die Einrichtung eines Dialogs. Das heißt, dass das Management auf die Ansichten und Vorschläge der Arbeitnehmervertreter zu reagieren hat. Nach neuem Recht besteht Anspruch auf eine mit Gründen versehene Antwort auf die Stellungnahme des EBR. Um Ansichten und Vorschläge entwickeln zu können, muss aber zunächst ein intensiver Austausch der Arbeitnehmervertreter/innen organisiert werden. Die intensive und permanente Vernetzung der Arbeitnehmerseite ist daher auch jenseits der seltenen Treffen eine zentrale Aufgabe des EBR. Damit erbringt der EBR zugleich als Informationspool eine wichtige Dienstleistungsfunktion für die nationalen Arbeitnehmervertretungen.

Zahlreiche EBR ergreifen außerdem Initiativen, die über ihre geregelten Aufgaben hinausgehen. Es existiert eine größere Zahl von Vereinbarungen verschiedener EBR mit der Konzernleitung zu Themen wie "Sicherheit und Gesundheit" oder "Soziale Verantwortung des Unternehmens". Zunächst wird ein länderübergreifend zusammengesetztes „Besonderes Verhandlungsgremium“ gebildet, um mit der zentralen Unternehmensleitung eine Vereinbarung über die grenzübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer abzuschließen (Artikel 6 der Richtlinie). Seine Zusammensetzung ist im Gesetz geregelt, die Wahl seiner Mitglieder richtet sich nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen.

Der Unternehmensleitung und dem besonderen Verhandlungsgremium steht es frei, die Art und die Modalitäten der grenzübergreifenden Unterrichtung und Anhörung festzulegen. In der Regel wird dies auf die Bildung eines Europäischen Betriebsrates hinauslaufen, es sind aber auch andere Anhörungsverfahren ohne Europäischen Betriebsrat denkbar. Das besondere Verhandlungsgremium kann mit Zweidrittelmehrheit sogar beschließen, auf die Bildung eines Europäischen Betriebsrats ganz zu verzichten. Das besondere Verhandlungsgremium wird gebildet, wenn die Unternehmensleitung von sich aus die Initiative ergreift oder wenn die Arbeitnehmerseite dies beantragt.

Zur wirksamen Antragstellung bedarf es der Unterschrift von Belegschaftsvertretungen aus zwei Ländern, die jeweils mindestens 100 Beschäftigte vertreten. In Deutschland können dies nicht nur Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat, sondern auch einzelne Standortbetriebsräte sein. Es können sogar 100 Einzelpersonen unterschreiben. Auf diese Weise ist es denkbar, dass z.B. ein großes deutsches Unternehmen, das nur über eine verhältnismäßig kleine Belegschaft in zwei anderen EU-Ländern verfügt, gegen den Willen eines vielleicht zögerlichen deutschen Gesamt- oder Konzernbetriebsrats zur Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums gezwungen werden kann. Umgekehrt müssen deutsche Betriebsräte in einem ausländischen Konzern nicht darauf warten, bis die Belegschaftsvertreter im Mutterland des Konzerns das Verfahren einleiten.

Das besondere Verhandlungsgremium

Um seine Aufgaben erfüllen zu können, hat das besondere Verhandlungsgremium einen Auskunftsanspruch gegenüber der zentralen Unternehmensleitung. Dies gilt insbesondere für Daten der Unternehmensstruktur und der Belegschaftsgröße in den einzelnen Ländern, aber auch über die genauen Standorte.

Sachverständiger

Das besondere Verhandlungsgremium kann grundsätzlich einen Sachverständigen hinzuziehen, der vom Arbeitgeber zu bezahlen ist. Da es kein ausdrückliches Recht der Gewerkschaften gibt, in die Verhandlungen einbezogen zu werden, bewerben sich häufig hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre um die Rolle des Sachverständigen. Das BVG kann jedoch frei entschieden, welche Sachverständigen es benennt.

Dauer der Verhandlungen

In der Praxis gibt es große Unterschiede, wie lange sich der Verhandlungsprozess hinziehen kann. Es gibt Fälle, in denen bereits beim ersten Treffen eine EBR-Vereinbarung unterzeichnet wird, in anderen Unternehmen wird bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist von drei Jahren verhandelt. Ändert sich kurz vor Abschluss der Verhandlungen die Konzernstruktur grundlegend, so kann in Einzelfällen der Verhandlungsprozess unter einem neuen Unternehmensdach von vorne beginnen. Je länger sich der Verhandlungsprozess hinzieht, umso mehr übernimmt das besondere Verhandlungsgremium in der Praxis oft schon die Rolle eines Europäischen Betriebsrats. Die Vielzahl von Fusionen und Übernahmen im europäischen Wirtschaftsraum haben nachhaltige Auswirkungen auf den Abschluss von EBR-Vereinbarungen und deren Neuverhandlung. Schätzungsweise ein Viertel aller Delegierten scheidet jedes Jahr aus einem Europäischen Betriebsrat aus oder finden sich in einem anderen Europäischen Betriebsrat wieder, weil die Konzernzugehörigkeit gewechselt hat.

Inhalte der EBR-Vereinbarung

Nach § 18 des deutschen EBR-Gesetzes sollen mindestens folgende Fragen schriftlich geregelt werden:

▪ Bezeichnung der erfassten Betriebe und Unternehmen

▪ Zusammensetzung des Europäischen Betriebsrats, Anzahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder, Sitzverteilung und Mandatsdauer

▪ Zuständigkeiten und Aufgaben des Europäischen Betriebsrats, insbesondere bei Unterrichtung und Anhörung

▪ Ort, Häufigkeit und Dauer der Sitzungen

▪ finanzielle und sachliche Ressourcen des Europäischen Betriebsrats

▪ Anpassung an Änderungen der Unternehmensstruktur, Geltungsdauer der Vereinbarung und das Verfahren zu deren Neuverhandlung

Scheitern der Verhandlungen

Können sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite nicht auf eine EBR- Vereinbarung einigen, so wird ein Europäischer Betriebsrat „kraft Gesetzes“ errichtet. In diesem Fall greifen die Mindestvorschriften. Eine solche Situation tritt ein,

▪ wenn die zentrale Unternehmensleitung die Aufnahme von Verhandlungen sechs Monate lang verweigert hat oder

▪ wenn trotz Verhandlung innerhalb von drei Jahren keine Vereinbarung zustande kommt.

Ausnahme: Eurobetriebsrat kraft Gesetzes §§ 21-33 EBRG;

Bis heute gibt es allerdings europaweit nur eine verschwindend geringe Zahl von solchen Eurobetriebsräten.

Das zeigt auch, dass das Modell als solches – schmale gesetzliche Basis, Festlegen der Rahmenbedingungen in Verhandlungen, die Vereinbarung als Grundlage für Rechte und Pflichten von Eurobetriebsräten und Unternehmensleitungen – sich als erfolgreich erwiesen hat, auch wenn natürlich bis heute Wünsche und Forderungen zur Verbesserung der rechtlichen EBR- Grundlagen offen geblieben sind.

Fällt das bVG einen Beschluss mit 2/3-Mehrheit nach §15 EBRG die Verhandlungen zu beenden, gibt es keinen EBR. Dies sollte allerdings tunlichst verhindert werden!

Ratgeber
Grund­la­gen­wis­sen für BR

In diesem Ratgeber finden Sie grundlegendes Wissen für Ihren Arbeitsalltag wie Rechte, Pflichten und Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat sowie wertvolle Praxis-Tipps für die Betriebsratsarbeit.

Ratgeber Grundlagenwissen

Rechte und Pflichten der Mitglieder

Für die im Inland beschäftigten Mitglieder des EBR gelten die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes im Hinblick auf:

  • Ehrenamtlichkeit, Arbeitsbefreiung, Ausgleich für außerhalb der Arbeitszeit erforderliche BR-Tätigkeit sowie Arbeitsentgelt- und Tätigkeitsschutz (§ 37 Abs. 1 bis 5 BetrVG),
  • Schutz vor Störung oder Behinderung bei Ausübung der Tätigkeit sowie das Verbot der Benachteiligung oder Begünstigung gegenüber anderen AN (§ 78 BetrVG),
  • besonderen Kündigungsschutz (§ 15 Abs. 1 u. 3 bis 5 KSchG, § 103 BetrVG).

Information und Anhörung als Kernaufgaben

Ihren Grund hat die Einrichtung von Eurobetriebsräten in der Notwendigkeit der Stärkung des Rechts auf grenzüberschreitende Unterrichtung und Anhörung (der Arbeitnehmervertreter) in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen, so formuliert in § 1 Abs. 1 EBRG. Im Mittelpunkt der im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Vereinbarung steht daher das Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung des EBR, einschließlich des Rechts und der Pflicht, die erhaltenen und verarbeiteten Informationen den nationalen Arbeitnehmervertretern zu vermitteln. Es handelt sich also um ein Konsultationsverfahren, nicht um Mitbestimmung, nicht auch um Verhandlung von Arbeitsbedingungen.

Und: Der EBR ist für grenzüberschreitende Angelegenheiten zuständig, nicht für die Fragen der nationalen Umsetzung von Unternehmensentscheidungen.

Eine Absprache des EBR kann daher nicht die Rechte nationaler Interessenvertretungen beeinträchtigen.

EBR-Gremien sollten sich also darauf konzentrieren, den Kommunikationsprozess zu organisieren, ohne dessen Funktionieren auch das Informations- und Anhörungsverfahren keine Wirkung zeigen kann. Letztlich wird der EBR nur dann von der Unternehmensleitung ernst genommen werden, wenn er über die Mittel und Fähigkeiten verfügt, die erhaltenen Informationen auf ihren Gehalt ebenso wie im Hinblick auf ihre nationalen und europäischen Auswirkungen zu bewerten und daraufhin eine fundierte Stellungnahme abzugeben.

Unterrichtungsrecht des EBR

Der Europäische Betriebsrat hat gemäß § 29 EBRG Anspruch darauf, dass die zentrale Leitung ihn einmal im Kalenderjahr über die Entwicklung der Geschäftslage und die Perspektiven des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe unterrichtet und ihn anhört.

Zur Entwicklung der Geschäftslage und der Perspektiven gehören insbesondere:

  • die Struktur des Unternehmens
  • die wirtschaftliche und finanzielle Lage
  • die voraussichtliche Entwicklung der Geschäfts-, Produktions- und Absatzlage
  • die Beschäftigungslage und ihre voraussichtliche Entwicklung
  • die Investitionen
  • grundlegende Änderungen der Organisation
  • die Einführung neuer Arbeits- und Fertigungsverfahren
  • die Verlegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen sowie Verlagerung der Produktion
  • Zusammenschlüsse oder Spaltungen von Unternehmen oder Betrieben
  • die Einschränkung oder Stilllegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen
  • Massenentlassungen

Grenzüberschreitende Angelegenheiten

Betriebsräte im EBR sind zuständig für Angelegenheiten, die über den Bereich eines Landes hinausgehen, also grenzüberschreitender Natur sind. In verflochtenen europäischen Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen ist im Übrigen kaum vorstellbar, dass relevante, zentral getroffene Entscheidungen sich nur in einem Land auswirken. Selbst die Stilllegung einer Produktionsstätte bedeutet, dass die dort bisher gefertigten Produkte i.d.R. in Zukunft woanders hergestellt werden oder aber diese Produkte – ebenfalls mit Auswirkungen auf Arbeitnehmer - auch in anderen Ländern dann nicht mehr in den Vertrieb oder in die Weiterverarbeitung gelangen.

Vollständigkeit, Dokumentation

Die Information der Unternehmensleitung hat umfassend und verständlich zu sein. Das erfordert natürlich einen gewissen Aufwand, ohne den der Informations- und Anhörungsprozess nicht effizient gestaltet werden kann. In der Vereinbarung oder einer Verfahrensregelung sollte festgeschrieben werden, in welcher Form und in welchen Sprachen die Erstinformation erfolgt, an wen sie gerichtet wird und wie die Weitergabe stattfindet. Die Mitteilung erfolgt in der Regel an den Vorsitz des EBR, der dann das weitere Verfahren gemeinsam mit dem Lenkungsausschuss des EBR festlegt.

Lenkungsausschuss ist der EBR-Ausschuss i.S.v. § 18 Abs. 1 Ziff. 5; § 26 EBRG, der die laufenden Geschäfte des EBR führt, vergleichbar dem Betriebsausschuss des deutschen BetrVG.

Rechtliche Durchsetzbarkeit

Der EBR der Deutschen Telekom war im Februar 2018 erst Wochen nach dem deutschen Gesamtbetriebsrat über Pläne eines massiven Personalabbaus bei T-Systems informiert worden und hatte unverzüglich eine einstweilige Verfügung gegen die zentrale Leitung beantragt. Diese hatte das Arbeitsgericht Bonn am 01.08.2018 abgelehnt, obwohl die EBR-Richtlinie vorsieht, dass ein EBR spätestens gleichzeitig, nicht später als nationale Betriebsräte, zu beteiligen ist. Die LAG Köln hat den Antrag des EBR am 13.12.2018 ebenfalls abgewiesen.

Unmittelbar nach dem Scheitern der einstweiligen Verfügung leitete der EBR am 8. August 2018 das Hauptsacheverfahren vor dem Arbeitsgericht Bonn ein, um den Rechtsverstoß feststellen zu lassen. Die Richter verweigerten dies jedoch, weil es sich um in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Vorgänge handele. "Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, ob er im Recht war oder nicht ... oder eine Rechtsfrage gutachterlich zu klären", so die Formulierung im Urteil. Es bleibt nach wie vor die Frage offen, ob der deutsche Gesetzgeber die Sanktionen in der EU-Richtlinie korrekt umgesetzt hat. Im Mai 2018 hatte die Europäische Kommission auf Missstände ausdrücklich aufmerksam gemacht und dabei festgestellt, "dass die EBR nur schwer dazu in der Lage sind, ihre Rechte durchzusetzen, und dass in den meisten Mitgliedstaaten keine abschreckenden und verhältnismäßigen Sanktionen verhängt werden" (siehe Bericht in den EBR-News 2/2018).

Dauer der Mitgliedschaft im EBR

Die Amtszeit der Mitglieder des EBR beträgt in der Regel vier Jahre. Gemäß § 32 Abs. 1 EBRG beginnt sie mit der Bestellung der Mitglieder. Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit ist durch Abberufung oder Amtsniederlegung möglich. Die Mitglieder des EBR sind verpflichtet Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aufgrund ihrer Tätigkeit im EBR bekannt geworden sind und von der zentralen Leitung als ausdrücklich geheimhaltungsbedürftig bezeichnet wurden, nicht zu offenbaren. Diese Geheimhaltungspflicht gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem EBR (§ 35 Abs. 2 EBRG).

EBR und Brexit

Trotz des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU), welcher Ende Januar 2020 erfolgt ist, bleibt aufgrund der zwischen der EU und Großbritannien ausgehandelten Übergangsvorschriften zumindest bis Ende 2020 alles beim Alten. Allerdings ist unklar, was danach passieren wird. Denkbar ist sowohl ein sog. „ungeregelter Brexit“ als auch eine Assoziierung an die EU und damit an ihre Standards.

Tritt Großbritannien ungeregelt aus der Europäischen Union aus, sind britische Arbeitnehmer nicht mehr zur Mitarbeit im EBR berechtigt. Darüber hinaus haben die im EBR verbleibenden Mitglieder kein Informationsrecht im Hinblick auf die geplanten Maßnahmen einer in Großbritannien ansässigen Konzernleitung.

Für die Bildung eines EBR ist in Deutschland die Grundlage das Europäische Betriebsrätegesetz (EBRG). Dessen Geltungsbereich erstreckt sich – entsprechend der dem EBRG zugrundeliegenden Richtlinie – auf in den Mitgliedstaaten der EU sowie den Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftraums (EWR) tätigen Unternehmen (§ 2 EBRG).

Das Wirksamwerden des Austritts Großbritanniens ab 01.01.2021 aus der EU, was zugleich zur Beendigung der Mitgliedschaft im EWR führen würde, hätte zur Folge, dass Großbritannien Drittstaat i.S.d. § 14 EBRG würde. Dies könnte durch den Beitritt Großbritanniens zum EWR oder ähnliche Vereinbarungen mit der EU verhindert werden.

Das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) in Brüssel hat hierzu im Jahr 2018 ermittelt, dass von den ca. 20000 Arbeitnehmervertretern in EBRs, rund 2400 aus England stammen und hiervon 850 in Gremien sitzen, die sich auf britisches Recht stützen. Das ETUI verweist jedoch in diesem Zug darauf, dass eine Vielzahl Europäischer Betriebsräte sogar Mitglieder von außerhalb der EU oder des europäischen Wirtschaftsraums über Vereinbarungen mit ihren Unternehmen aufgenommen haben. Aufgrund dieser Tatsache kommt es zu dem Schluss, dass die Sitze britischer Arbeitnehmer in ihren Gremien nur in den wenigsten Fällen in Frage gestellt werden würden. Voraussetzung dafür ist aber, dass eine entsprechende Regelung zwischen Großbritannien und der EU getroffen wird.

Gemäß dem DGB-Informationsdienst „einblick“ ist sowohl ein „Norwegen-Szenario“ als auch ein „Schweiz-Modell“ für Großbritannien vorstellbar. Bei einem „Norwegen-Szenario“ würde das Vereinigte Königreich ein Teil des Europäischen Wirtschaftsraums bleiben, weshalb auch die EBR-Richtlinie unverändert zur Geltung kommen würde. Dagegen würde bei einem „Schweiz-Modell“ die EBR-Richtlinie nicht automatisch zur Geltung kommen, sie könnte allerdings per Beschluss oder bilateralem Abkommen übernommen werden.

Schließlich hat die britische Regierung angekündigt, dass auch im Fall eines „No Deal“ zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU der Rahmen für die Durchsetzung von Rechten und Schutz der Arbeitnehmerinnen im Vereinigten Königreich nach allen Möglichkeiten erhalten werden soll. Regelungen, die die Geschäftsführung bestehender EBR betreffen, sollen weiterhin zur Geltung kommen, allerdings kann im Vereinigten Königreich kein neuer EBR mehr errichtet werden.

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Autor: Christian Hundertmark

Herr Rechtsanwalt Hundertmark ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und berät bundesweit Arbeitnehmer, Betriebsräte und Arbeitgeber im Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Insbesondere berät er Betriebsräte als Sachverständiger und vertritt sie bei Beschlussverfahren sowie bei Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen und Betriebsvereinbarungen. Herr Hundertmark ist zudem seit dem Jahr 2000 als Dozent im Individual- und Kollektivarbeitsrecht tätig. Schwerpunkte sind dabei - neben den Grundlagenschulungen im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht - Themen rund um den Außendienst sowie BetriebsänderungBetriebsübergang.
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