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Tarifvertrag – einfach erklärt

10 Minuten Lesezeit

Der Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber[n] und Gewerkschaft über Löhne und Gehälter sowie über Arbeitsbedingungen.

Was er genau regelt, welche Arten es gibt und was Sie als Betriebsrat genau wissen müssen? Lesen Sie weiter!

Tarifvertrag – was ist das?

Inhalt - Was regelt ein Tarifvertrag?

Ein Tarifvertrag enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln und die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien festlegen.

Rechtliche Grundlage

Die in Art. 9 GG festgesetzte Koalitionsfreiheit bildet die rechtliche Grundlage für den Abschluss von Tarifverträgen. Durch sie wird die Tarifautonomie garantiert und somit das Recht der Tarifvertragsparteien die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in freien Tarifverhandlungen ohne staatliche Eingriffe kollektiv zu gestalten.

Hier inbegriffen ist auch das Recht der Tarifvertragsparteien durch Arbeitskampfmaßnahmen unter Ausschluss staatlicher Zwangsschlichtung ihre Interessen durchzusetzen. Den gesetzlichen Rahmen bildet das Tarifvertragsgesetz (TVG). Tarifverträge bedürfen gemäß § 1 Abs. 2 TVG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Tarifvertragsparteien

Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind nach Art. 9 Abs. 3 GG gleichermaßen berechtigt zum Zweck der Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu gründen oder ihnen beizutreten. Auf der Seite der Arbeitnehmer nennt sich eine solche Vereinigung Gewerkschaft. Auf der Arbeitgeberseite spricht man von Arbeitgeberverbänden.

Gemäß § 2 TVG gilt für die Tarifvertragsparteien folgendes:

  • Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.
  • Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben.
  • Spitzenorganisationen können selbst Parteien eines Tarifvertrages sein, wenn der Abschluss von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört.
  • In den Fällen der Absätze 2 und 3 haften sowohl die Spitzenorganisationen wie die ihnen angeschlossenen Verbände für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien.

Wann gilt ein Tarifvertrag? (Tariffähigkeit)

Die Tariffähigkeit ist die rechtliche Fähigkeit mittels einer Vereinbarung mit dem sozialen Gegenspieler Arbeitsbedingungen tarifvertraglich zu regeln, sodass sie für die tarifgebundenen Personen unmittelbar und unabdingbar wie Rechtsnormen gelten.

Damit eine Koalition tariffähig ist, muss sie sich die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer oder Arbeitsgeber als satzungsgemäße Aufgabe setzen und als Ziel den Abschluss von Tarifverträgen verfolgen. Darüber hinaus muss sie frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein. Außerdem muss sie die Bindung an das geltende Tarifrecht anerkennen sowie über eine leistungsfähige Organisation verfügen, um im Zuge der Verhandlungen wirksamen Druck auf den sozialen Gegenspieler ausüben zu können. Eine Arbeitnehmervertretung ist dabei für den von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereich entweder insgesamt oder überhaupt nicht tariffähig. Eine partielle Tariffähigkeit kann hingegen nicht bestehen.

Funktionen

Tarifverträge dienen dazu die Verhandlungsschwäche des einzelnen Arbeitsnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auszugleichen. Da die Gewerkschaft als Vertreter der Interessen vieler Arbeitnehmer ein stärkeres Gegengewicht gegenüber dem Arbeitgeber darstellt, haben Tarifverträge in erster Linie eine Schutzfunktion gegenüber dem Arbeitgeber. Darüber hinaus begünstigen sie eine Standardisierung der Arbeitsverträge und einer Überschaubarkeit der Personalkosten. Somit führen Sie zu einer autonomen Ordnung des Arbeitslebens (Ordnungsfunktion). Ferner ist es während der Laufzeit eines Tarifvertrags nicht erlaubt Arbeitskämpfe um die geregelten Arbeitsbedingungen zu führen. Somit erfüllen Tarifverträge auch eine Friedensfunktion. Außerdem haben Tarifverträge eine Kartellfunktion, da sie die Mindestarbeitsbedingungen regeln und damit einen Wettbewerb um dieselben im Geltungsbereich der Verträge ausschließen.

Arten von Tarifverträgen

In Tarifverträgen vereinbaren die verantwortlichen Parteien verbindliche Regelungen für das Arbeitsverhältnis. Hier kann zwischen folgenden Tarifvertragsarten unterschieden werden:

  • Branchen-/Flächentarifverträge: gelten für ganze Branchen und bestimmte regionale Bereiche
  • Lohn-/Gehalt-/Entgelttarifverträge: geregelt wird nahezu ausschließlich die Höhe von Löhnen, Gehältern, Ausbildungsvergütungen (Entgelten)
  • Manteltarifverträge (MTV): enthalten allgemeingültige Vereinbarungen zu konkreten Arbeitsbedingungen, wie beispielswiese die Probezeit, Kündigungsfristen, Wochenarbeitszeiten, Regenlungen zur Schichtarbeit
  • Rahmentarifverträge (RTV): beziehen sich auf die Beschreibung von Tätigkeits- und Qualifikationsmerkmalen für die einzelnen Lohn- und Gehaltsgruppen und die Kriterien der jeweiligen Einstufung
  • Firmentarifverträge: Tarifverträge, die auf eigenen Wunsch eines Betriebs mit der zuständigen Fachgewerkschaft ausgehandelt werden
  • Verbandtarifverträge: Tarifverträge, bei denen als Vertragspartei auf der Arbeitgeberseite ein Verband auftritt
  • Anschlusstarifverträge: Tarifverträge, die direkt im Anschluss an den Kündigungstermin neu ausgehandelt und wirksam werden
  • Notlagen-/Sanierungstarifverträge: dienen der Abwendung einer finanziellen Notlage oder Insolvenz , häufig wird hierbei auf die Zahlung von Sonderzulagen verzichtet
  • Allgemeinverbindliche Tarifverträge: Tarifverträge, die auf Antrag der Tarifvertragsparteien an das BMAS auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer gelten

Rechtsnormen

Tarifverträge haben sowohl eine schuldrechtliche als auch eine normative Wirkung. Der schuldrechtliche Teil umfasst die Rechte und Pflichten der vertragsschließenden Parteien für den Abschluss und die Durchführung des Tarifvertrags. Der normative Teil enthält folgende Rechtsnormen:

  • Abschluss-, Inhalts und Beendigungsnormen von Arbeitsverhältnissen
  • Betriebliche Normen: regeln Angelegenheiten, die das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaft bestimmen und über die individuellen Arbeitsverhältnisse hinausgehen (z.B. Regelungen über die wöchentliche Arbeitszeit, Einführung von Kurzarbeit).
  • Betriebsverfassungsrechtliche Normen (z.B. Errichtung einer betrieblichen Schlichtungsstelle nach § 76 Abs. 8 BetrVG)

Ausnahmen in Form eines Verzichts auf tarifvertragliche Rechte sind nur zulässig, wenn sich die Tarifvertragsparteien auf einen Vergleich einigen können. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen können jedoch nach § 4 Abs. 4 TVG im Tarifvertrag vereinbart werden.

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Tarifbindung

Die Tarifbindung ist die Voraussetzung für die unmittelbare Gebundenheit eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers an die im Tarifvertrag festgesetzten Rechtsnormen.

Tarifvertragspartei auf der Seite der Arbeitgeber ist ein Arbeitgeberverband. Damit ein Arbeitgeber tarifgebunden ist, muss er demnach Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands sein. Ausgenommen hiervon sind Haus- und Firmentarifverträge, die der Arbeitgeber direkt mit einer Gewerkschaft abschließt. Arbeitnehmer müssen für die Tarifbindung Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft sein. Die Tarifbindung endet erst mit dem Ende des Tarifvertrags. Auch ein Austritt aus dem Verband bewirkt somit nicht das Ende der Tarifbindung, sofern der Tarifvertrag weiterhin in Kraft bleibt.

Durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung kann bestimmt werden, dass alle Arbeitsverhältnisse im fachlichen und örtlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags dem normativen Teil eines Tarifvertrags unterworfen werden. Dadurch sind an den Tarifvertrag auch Arbeitsverhältnisse gebunden, die bislang nicht tarifgebunden sind.

Nachwirkung

Die Regelungen eines Tarifvertrags gelten gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach dem Ablauf seines Geltungszeitraums oder seine Kündigung noch so lange weiter, bis sie durch eine neue Abmachung (z.B. Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag) ersetzt wurden. Dadurch will der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Ende eines Tarifvertrags nicht zu ungeregelten Arbeitsbedingungen führt. So wird durch die Nachwirkung die tariflose Zeit bis zu einem Neuabschluss überbrückt Sie gilt kraft Gesetz und muss nicht ausdrücklich im Tarifvertrag vereinbart werden. Allerdings kann sie im Tarifvertrag ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität

Von Tarifkonkurrenz wird gesprochen, wenn ein Arbeitsverhältnis von mehreren Tarifverträgen erfasst wird, die dieselben Regelungsmaterialen enthalten. Hierbei ist stets nach der Ursache der Konkurrenz zu unterscheiden. So können die jeweiligen Tarifparteien die kollidierenden Tarifverträge autonom abgeschlossen haben oder die Tarifkonkurrenz wurde durch staatliche Einflussnahme verursacht. Die Rechtsprechung stellt in diesen Fällen die Tarifeinheit nach dem Grundsatz der Spezialität her. Demnach ist grundsätzlich der Tarifvertrag anzuwenden, der dem Betrieb räumlich und fachlich am nächsten steht. Beispielsweise hat ein Firmentarifvertrag Vorrang vor einem Verbandstarifvertrag, ein fachspezifischer vor einem fachübergreifenden und ein regionaler vor einem überregionalen. Ist es durch das Spezialitätsprinzip nicht möglich einen Vorrang festzustellen, wird das Mehrheitsprinzip herangezogen, wonach der Tarifvertrag Anwendung findet, der die meisten Arbeitsverhältnisse im Betrieb erfasst.

Von der Tarifkonkurrenz zu unterscheiden ist die Tarifpluralität. Sie liegt vor, wenn mehrere Tarifverträge für die Arbeitsverhältnisse eines Betriebs gelten. Dies kann dazu führen, dass für Arbeitnehmer derselben Tätigkeit je nach Gewerkschaftszugehörigkeit unterschiedliche Lohn- und Arbeitsbedingungen angewendet werden. Hierdurch können die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und der Betriebsfrieden beeinträchtigt werden. Um dies zu vermeiden wurde am 10. Juli 2018 das Tarifeinheitsgesetz verabschiedet. Es zielt darauf ab, die Schutz-, Verteilungs-, Befriedungs- sowie die Ordnungsfunktion von Rechtsnormen des Tarifvertrags gemäß § 4a Abs. 1 TVG zu sichern. Dabei wird die Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip hergestellt. Demnach sind im Betrieb die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen Tarifvertrags im Betrieb die meisten Arbeitsverhältnisse betrifft (§ 4 Abs. 2 s. 1 u. 2 TVG). Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den im Betrieb anzuwendenden Tarifvertrag liegt nach § 4a Abs. 2 s. 1 u. 2 TVG beim Arbeitsgericht.

Tarifvertrag und Betriebsübergang

Betriebsübergänge ereignen sich, wenn Betriebe oder Betriebsteile auf ein anderes Unternehmen übertragen werden. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übernimmt im Falle eines Betriebsübergangs der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils alle Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen.

Allerdings wird durch den Betriebsübergang keine unmittelbare und zwingende Tarifbindung des Erwerbers hergestellt. Um die von einem Tarifvertrag profitierenden Arbeitnehmer vor einer unmittelbaren Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen zu schützen, ist in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB die sog. Transformation der vor Betriebsübergang kraft des Tarifvertrags geltenden Arbeitsbedingungen vorgesehen. Somit werden sie vertraglicher Bestandteil des Arbeitsverhältnisses zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer und können für die Dauer eines Jahres nicht zu dessen Nachteil verändert werden.

Tarifregister

Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Tarifregister geführt, in das der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Tarifverträgen sowie der Beginn und die Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit vermerkt werden. Nach § 7 TVG sind die Tarifvertragsparteien verpflichtet, dem Bundesministerium Abschriften der abgeschlossenen Tarifverträge mit den notwendigen Angaben zu übersenden. Das Tarifregister soll eine lückenlose Information über das Bestehen und den Geltungsbereich der abgeschlossenen Tarifverträge gewährleisten. Allerdings wird nicht der Inhalt der registrierten Tarifverträge in das Tarifregister aufgenommen, sondern wie sich aus den §§ 14-16 TVG-DVO ergibt, nur die Bezeichnung der Tarifvertragsparteien, der Geltungsbereich des Tarifvertrages sowie der Zeitpunkt seines Abschlusses und Inkrafttretens. Die Eintragung hat jedoch keine konstitutive Wirkung und ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Gültigkeit des Tarifvertrags. Die Einsichtnahme in das Tarifregister ist jedem gestattet. Zudem können von seinen Eintragungen Abschriften angefordert werden. Diese umfassen jedoch nicht den Inhalt der Tarifverträge, sondern nur die Angaben nach den §§ 14-16 TVG-DVO.

Darüber hinaus werden auch bei den Arbeitsministerien der Bundesländer Tarifregister geführt. Ferner unterhalten die Tarifvertragsparteien eigene Tarifdokumentationen. Das zentrale Tarifarchiv der DGB-Gewerkschaften wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Blöckler-Stiftung geführt.

Aushang des Tarifvertrags durch den Arbeitgeber

Nach § 8 TVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die für seinen Betrieb geltenden Tarifverträge öffentlich an geeigneter Stelle auszulegen. Erforderlich ist hierbei der Aushang des gesamten Tarifinhalts. Ein Hinweis auf abgeschlossene Tarifverträge genügt nicht. Befindet sich ein Tarifvertrag im Nachwirkungszeitraum besteht die Rechtspflicht zur Auslegung nicht mehr.

Allerdings ist die Wirksamkeit tariflicher Normen vom Aushang durch den Arbeitgeber unabhängig. Der Arbeitnehmer kann bei Nichteinhaltung des § 8 TVG keine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.

Rolle des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG über die Einhaltung der geltenden Tarifverträge durch den Arbeitgeber zu wachen. Tarifverträge haben aufgrund der Tarifautonomie Vorrang vor Betriebsvereinbarungen. (§ 87 Abs. 1 BetrVG). Dementsprechend ist eine Betriebsvereinbarung unwirksam, wenn und soweit ein Sachverhalt durch einen Tarifvertrag abschließend geregelt ist.

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