Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes

An das zuständige Integrationsamt (Widerspruchsstelle) [Ort] [Datum]

Absender: Arbeitnehmer [Name]

 

Mein Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Sachen

[genaue Bezeichnung des Arbeitgebers] ./. [Arbeitnehmer] [Aktenzeichen: …]

lege ich gegen den Bescheid des Integrationsamtes vom [Datum]

Widerspruch

ein. Die Entscheidung ist am [Datum] zugestellt worden. Eine Kopie der Entscheidung liegt diesem Schreiben bei.

Begründung:

Das Integrationsamt hat dem Antrag auf Zustimmung zur [außerordentlichen] [ordentlichen] [außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen] Kündigung stattgegeben. In der Sache hat das Integrationsamt im Wesentlichen ausgeführt, dass die beabsichtigte Kündigung [nicht in Zusammenhang mit der Kündigung stünde] [deshalb hinzunehmen sei, weil eine Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber vorliegend unzumutbar sei].

Die Entscheidung ist inhaltlich unrichtig. Das Integrationsamt hat bereits übersehen, dass [die beabsichtigte Kündigung sehr wohl in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht] [eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht und für den Arbeitgeber überdies zumutbar ist].

[Hier nach Möglichkeit kurz und in einfachen Worten ausführen, warum die beabsichtigte Kündigung in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht und/oder warum eine Weiterbeschäftigung zumutbar ist, siehe hierzu die beigefügten Anwaltstipps.

z.B. „Der Arbeitgeber wirft mir ‚mangelnden Arbeitseinsatz‘ vor und meint damit offensichtlich ein im Vergleich zu anderen Mitarbeitern geringfügig verlangsamtes Arbeitstempo. Hierfür bleibt er indes alle Belege schuldig; jedenfalls stünde eine etwaige Minderleistung in einem klaren und eindeutigen Zusammenhang mit meiner Schwerbehinderung. Denn ich habe oft während der Arbeitszeit teils recht erhebliche Schmerzen. Diese können unstreitig zu Fehlern oder eben einem langsameren Arbeitsstil führen.“

z.B. „Eine Weiterbeschäftigung ist bislang nicht ernsthaft geprüft worden, erscheint aber ohne weiteres möglich. Statt in der Großküche kann ich etwa auf einem notfalls durch Umsetzung oder Versetzung freizumachenden Platz in der Verwaltung beschäftigt werden. Jedenfalls ist eine solche Position in der Essensausgabe derzeit frei bzw. sie könnte für mich frei gemacht werden.“

z.B. „Soweit der Arbeitgeber mir einen Diebstahl vorwirft, tritt dies nicht zu. Ich habe keine Erklärung dafür, wie die Uhr in meine Tasche gelangt sein könnte, die am angeblichen ‚Tattag‘ allerdings mehrere Stunden unbeobachtet in meinem Zimmer gestanden hat. Nicht unerwähnt lassen kann ich in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber sich in der Vergangenheit mehrfach abschätzig über ‚lahme Enten‘ in der Belegschaft geäußert hat, womit er offenbar schwerbehinderte Menschen meinte. Ich muss davon ausgehen, dass mir eine Falle gestellt worden ist. Dies habe ich bereits im Anhörungsverfahren vor Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung und auch im mündlichen Termin vor dem Integrationsamt vorgetragen, wo mir offensichtlich aber kein Glauben geschenkt worden ist. Jedoch ist es die Aufgabe des Integrationsamts, den Sachverhalt in einem solchen Fall umfassend aufzuklären. Eben dies dürfte das Integrationsamt vorliegend verkannt haben, indem es sich praktisch unhinterfragt die Arbeitgeberargumente zu eigen gemacht und auf eine angemessene Sachverhaltsaufklärung verzichtet hat.“

 

[Ort], [Datum]

[Unterschrift des Arbeitnehmers]

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Anwaltstipps:

Der Widerspruch ist vom Arbeitnehmer beim Integrationsamt binnen eines Monats einzulegen.

Die Unterschrift unter den Widerspruch nicht vergessen!

Bleibt der Widerspruch ohne Erfolg, kann und sollte Klage zum Verwaltungsgericht (nicht: Sozialgericht!) erhoben werden. Wird der angegriffene Zustimmungsbescheid des Integrationsamts im Widerspruchs- oder Klageverfahren aufgehoben, ist die Schwerbehindertenkündigung rückwirkend unwirksam geworden. Parallel zum Widerspruchsverfahren sollte in jedem Fall Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben werden (§ 4 Kündigungsschutzgesetz – KSchG). Bitte die Dreiwochenfrist insoweit nicht verpassen (§§ 4, 7 KSchG)!

Der Widerspruch muss keinen Antrag enthalten.

Eine Begründung des Widerspruchs ist zweckmäßig, aber zunächst nicht erforderlich.

Wird der Widerspruch begründet, ist es sinnvoll, darzulegen, warum die beabsichtigte Kündigung aus Sicht des Widerspruchsführers in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht und eine Weiterbeschäftigung im konkreten Fall möglich und zumutbar erscheint.

Hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung vor Antragsstellung beim Integrationsamt nicht ordnungsgemäß angehört, sollte dieser Umstand im Widerspruch gerügt werden.

Hat der Arbeitgeber kein Präventionsverfahren (§ 167 Absatz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX) betrieben bzw. kein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt (§ 167 Absatz 2 SGB IX), sollte auch das im Widerspruch gerügt werden.

In die Widerspruchsbegründung dürfen auch Tatsachen Eingang finden, von denen bislang, etwa im Anhörungsverfahren vor dem Betriebsrat, noch nicht die Rede gewesen ist („neue Tatsachen“). Der Vortrag neuer Tatsachen kann nicht etwa als „verspätet“ zurückgewiesen werden.

Widerspruch einzulegen kann auch dann zweckmäßig sein, wenn Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung zur Kündigung geschwiegen oder diese gar befürwortet haben.

Das Integrationsamt prüft nicht die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Kündigung, sondern die Notwendigkeit der Gewährung des Sonderkündigungsschutzes.

Genauer: Bei einer außerordentlichen Kündigung prüft das Integrationsamt, ob die Kündigungsgründe mit der Schwerbehinderung in Zusammenhang stehen. Diese Prüfungsfrage wenden viele Integrationsämter auch auf ordentliche Kündigungen an. Zugleich wird in diesen Fällen die Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber geprüft (Ermessens- und Auslegungsfrage im Einzelfall. Hier kann der Widerspruchsführer oftmals gewichtige Argumente anbringen, die den Arbeitgeber in Beweisnot bringen und zum Prozessverlust führen können, z.B. „selbst wenn ich auf meinem aktuellen Arbeitsplatz in der Nachtschicht nicht mehr dauerhaft arbeiten kann, könnte ich doch auf dem notfalls durch Versetzung des Kollegen X freizumachenden dortigen Arbeitsplatz in der Tagschicht arbeiten, und sei es vorläufig oder in Teilzeit. Die Behauptung des Arbeitgebers, dies sei ‚unmöglich‘ ist in der Sache nicht belegt. In Verkennung meines gesetzlichen Anspruchs auf behinderungsgerechte Beschäftigung ist diese Option bislang schlicht nicht geprüft worden“).

Die Unwirksamkeit der Schwerbehindertenkündigung kann sich auch aus sonstigen Gründen ergeben. Deshalb sollte immer zugleich vor dem Arbeitsgericht geklagt werden (s.o.). Dort kann – und sollte – dann beantragt werden, das arbeitsgerichtliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage auszusetzen (Ermessensfrage).