@Minna
Das läßt sich so pauschal nicht sagen, es kommt auch immer auf den Einzelfall an. Es kann durchaus Möglich sein, dass eine vorherige Tätigkeit nicht zumutbar ist. Es kommt hier neben der Tätigkeit auch auf die Art der Untersuchung an.
Vieleicht bringt der nachstehende Kommentar einwenig Licht ins Dunkel.
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Arztbesuch
Arztbesuche führen in der betrieblichen Praxis immer wieder zu Verärgerungen. Arbeitgeber verstehen nicht, warum sie während der Arbeitszeit erfolgen müssen, Arbeitnehmer sehen häufig nicht ein, dafür ihre Freizeit zu opfern.
Im Grunde ist ein Arztbesuch Privatsache des Arbeitnehmers und gehört deswegen auch in die arbeitsfreie Zeit. Ein Arbeitnehmer kann seinen Arzt vor oder nach der Arbeit aufsuchen. Vorausgesetzt natürlich, er bekommt einen Termin.
Beispiel:
Teilzeitmitarbeiterin T arbeitet nur vormittags. Von ihr kann erwartet werden, dass sie ihre Arztbesuche nachmittags in der Freizeit macht.
Vollzeitmitarbeiter V hat im rollierenden System immer einen ganzen freien Tag in der Woche. Er muss seine Arztbesuche daher auf diesen freien Tag legen oder eben versuchen, einen Termin vor oder nach Arbeitsbeginn zu bekommen.
Daneben gibt es Fälle, in denen die Freizeit nicht für Arztbesuche genutzt werden kann.
Beispiel:
Der arbeitsfreie Tag des Vollzeitmitarbeiters V ist der Mittwoch. An diesem Tag operiert sein Orthopäde vormittags Patienten im Krankenhaus, am Nachmittag hat er seine Praxis nicht besetzt. V bleibt daher gar nichts anderes übrig, als einen Termin für einen anderen Wochentag zu vereinbaren. Wenn dies morgens vor Arbeitsbeginn oder abends nach Arbeitsende nicht möglich ist, kann V seinen Arzt während der Arbeitszeit aufsuchen.
Führt ein Internist bestimmte Untersuchungen - z.B. Magen- und Darmspiegelungen - immer nur am Vormittag durch, ist ein Arbeitnehmer für diese Untersuchung ebenfalls vormittags freizustellen.
Wer morgens nüchtern zur Blutentnahme kommen soll, kann nicht auf einen freien Nachmittag vertröstet werden.
Häufig wird ein Arztbesuch während der Arbeitszeit stattfinden müssen, insbesondere wenn ein Arztbesuch außerhalb der Arbeitszeit nicht zumutbar ist.
Beispiel:
Koch K verletzt sich während seiner Arbeit erheblich mit einem Küchenmesser. Er muss unverzüglich in ärztliche Behandlung.
Näherin N hat starke Zahnschmerzen. Ihr kann nicht zugemutet werden, den Nachmittag abzuwarten, sondern sie muss unverzüglich in zahnärztliche Behandlung.
Sachbearbeiter S stürzt auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad. Eine blutende Verletzung muss sofort und nicht erst am Nachmittag versorgen werden.
Der Arbeitnehmer hat, sofern ihm dies möglich ist, das Fernbleiben von der Arbeit aufgrund des Arztbesuchs anzukündigen. Sind allerdings die o.g. Gründe gegeben und weigert sich der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer freizustellen, so ist es zweifelhaft, ob in dessen dennoch durchgeführtem Arztbesuch ein Grund für eine Kündigung liegt.
Ist der Arbeitnehmer bei seinem Arztbesuch arbeitsunfähig krank, trägt der Arbeitgeber die Folgen des Arbeitsausfalls. Der Arbeitnehmer hat nach § 3 Abs. 1 EFZG einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ihm wird das Arbeitsentgelt gezahlt, das er in der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit erzielt hätte. Die ausfallenden Stunden werden wie geleistete Arbeit auf die Arbeitszeit angerechnet.
Beispiel:
Die regelmäßige Arbeitszeit des Sachbearbeiters S aus dem vorherigen Beispielsfall beginnt um 9 Uhr und endet um 17 Uhr. Der Wegeunfall passiert morgens gegen 8 Uhr 30. S geht sofort zum Arzt und wird dort versorgt. Der Unfallarzt bescheinigt S für 5 Tage Arbeitsunfähigkeit und entlässt ihn um 9 Uhr 45 aus der Behandlung. S bekommt den ganzen Tag mit der für ihn maßgeblichen Arbeitszeit vergütet.
Näherin N unterbricht ihre Arbeit um 9 Uhr 15 und geht zum Zahnarzt. Sie wartet dort bis gegen 10 Uhr 30 und kommt dann ins Behandlungszimmer. Der schmerzende Zahn wird behandelt. Nach wenigen Minuten ist N wieder beschwerdefrei und kann ihre Tätigkeit fortsetzen. Das macht sie ab 11 Uhr 30. N hat ihre Arbeit aus Anlass des Arztbesuches krankheitsbedingt für 2 Stunden und 15 Minuten unterbrochen. Ihr Lohn wird für diese Zeit weiter gezahlt, die ausgefallenen Arbeitsstunden sind auf ihre Arbeitszeit anzurechnen.
In einer Grundsatzentscheidung hat das BAG festgestellt, dass chronisch Kranke, die während der Arbeitszeit den Arzt aufsuchen müssen, für diesen Zeitraum grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben (BAG, 03.05.1995 - 5 AZR 100/94). In diesem Fall drang eine Mitarbeiterin mit einer Zahlungsklage durch, die dreimal wöchentlich ihre Arbeitstätigkeit erst eine Stunde nach Beginn der Kernarbeitszeit wegen erforderlicher Arztbesuche aufnehmen konnte.
Liegt beim Arztbesuch keine gleichzeitige Arbeitsunfähigkeit vor, scheidet das EFZG als Anspruchsgrundlage aus. Vergütungsansprüche können sich dann nur noch aus § 616 S. 1 BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift verliert der zur Dienstleistung Verpflichtete seinen Anspruch auf die Vergütung nicht dadurch, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
§ 616 S. 1 BGB ist allerdings abdingbar (Argument aus § 619 BGB, der nur die §§ 617, 618 BGB für unabdingbar erklärt). Das bedeutet, von dieser Vorschrift kann durch eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung abgewichen werden. Von dieser Möglichkeit wird in Tarifverträgen oft Gebrauch gemacht. Enthalten ist dann meist ein abschließender Katalog von Freistellungstatbeständen. Wird der Arztbesuch dort nicht genannt, gibt es dafür keine bezahlte Freizeit, wenn nicht eine gleichzeitige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorliegt oder eine gesetzliche Sonderregelung besteht.
§ 616 S. 1 BGB kann auch einzelvertraglich ausgeschlossen werden.
Dies ist jedoch problematisch. Begründet wird ein einzelvertraglicher Ausschluss mit dem arbeitsrechtlichen Grundsatz "Kein Lohn ohne Arbeit", jedoch enthält die gesetzliche Vorschrift eine Regelung zugunsten des Arbeitnehmers, von der üblicherweise nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden darf.
So weit der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG Platz lässt, können Freistellungs- und Vergütungsansprüche für Arztbesuche auch in Betriebsvereinbarungen geregelt werden.
Eine wichtige Sonderbestimmung enthält § 16 MuSchG. Danach muss der Arbeitgeber die Freizeit gewähren, die zur Durchführung der Untersuchungen im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich ist (§ 16 S. 1 MuSchG). Ein Entgeltausfall darf dadurch nicht eintreten (§ 16 S. 2 MuSchG). Auch Jugendliche müssen vom Arbeitgeber für die nach dem JArbSchG erforderlichen Untersuchungen gegen Vergütungsfortzahlung freigestellt werden (§ 43 JArbSchG).
Quelle: "C:Program FilesWolt***Klu******soft***soft.exe