Der Betriebsrat steht bei der Mitgestaltung der Arbeitszeit vor einer ebenso komplexen wie schwierigen Aufgabe. Er ist den Arbeitszeitgestaltungsforderungen des Arbeitgebers ausgesetzt. Gleichzeitig muss er sicherstellen, dass die gesetzlichen und tariflichen Regelungen sowie die unterschiedlichen Arbeitszeitinteressen der Beschäftigtengruppen zum Zuge kommen.
Wichtig ist, vor jedem Abschluss einer »Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung« eine breite Arbeitszeitdiskussion mit den Beschäftigten zu organisieren, in die sämtliche – oben genannte – Aspekte einfließen. Hieraus muss ein Arbeitszeitkonzept/Forderungskatalog abgeleitet werden, mit dem der Betriebsrat in die Verhandlungen mit der Unternehmensleitung geht.
Scheitern die Verhandlungen, kann der Betriebsrat (ebenso wie der Arbeitgeber) die Einigungsstelle anrufen. Dies ergibt sich aus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG i. V. m. § 87 Abs. 2 BetrVG.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat, »soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht«, mitzubestimmen über
»Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage«.
Diese Vorschrift gibt dem Betriebsrat das Recht, über die Dauer der »täglichen« Arbeitszeit mitzubestimmen. Denn die Dauer der täglichen Arbeitszeit ergibt sich zwangsläufig aus der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit.
Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen (BAG v. 29. 9. 2004 – 5 AZR 559/03). Ihr Interesse an einer sinnvollen Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und verfügbarer Freizeit soll geschützt werden. Der Betriebsrat kann durch Ausübung seines Mitbestimmungsrechts Einfluss auf die Dauer der Betriebsnutzungszeiten nehmen. Er kann seine Zustimmung von »Gegenleistungen« zum Schutz und im Interesse der Arbeitnehmer abhängig machen.
Dem Mitbestimmungsrecht steht nicht entgegen, dass damit in gewissem Umfang in die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers (Art. 12 Abs. 1 GG) eingegriffen wird. Lehnen Betriebsrat und Einigungsstelle eine Ausweitung der Arbeitszeiten ab, kann der Arbeitgeber seinen Betrieb zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Tagen nicht nutzen. Diese Beschränkung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit ist aber zur Wahrung der Belange der Arbeitnehmer geboten und steht mit der Verfassung im Einklang (vgl. die zum Thema Ladenöffnungszeiten ergangene Rechtsprechung: BVerfG v. 18. 12. 1985 – 1 BvR 143/83 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 15, zu II 1 der Gründe; vgl. auch BAG v. 31. 8. 1982 – 1 ABR 27/80, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 8; BAG v. 26. 10. 2004 – 1 ABR 31/03 (A), NZA 2005, 538 [541]). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst deshalb auch die Frage, ob an bestimmten Tagen überhaupt und in welchem Umfang gearbeitet werden soll. Gegen die Einführung oder Aufrechterhaltung arbeitsfreier Zeiten (in der Nacht) sprechende unternehmerische Belange sind im Rahmen des Mitbestimmungs- und ggf. Einigungsstellenverfahrens zu beachten und zu gewichten, sie schließen das Mitbestimmungsrecht aber nicht aus (BAG v. 26. 10. 2004, a. a. O.).
Der Betriebsrat hat dagegen kein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Festlegung der Dauer der vom Arbeitnehmer geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit. Der Umfang des von dem einzelnen Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeitvolumens wird nach zutreffender h. M. von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht erfasst (ständige Rechtsprechung; vgl. BAG v. 13. 10. 1987 – 1 ABR 10/86, NZA 1988, 251; BAG v. 22. 6. 1993 – 1 ABR 62/92, EzA § 23 BetrVG 1972 Nr. 35; BAG v. 30. 10. 2001 – 1 ABR 8/01, AiB 2003, 494; BAG v. 11. 12. 2001 – 1 ABR 3/01, DB 2002, 2002; BAG v. 22. 7. 2003 – 1 ABR 28/02, NZA 2004, 507). Er ergibt sich aus dem → Arbeitsvertrag bzw. im Falle beiderseitiger Tarifbindung unmittelbar aus dem → Tarifvertrag, falls ein Vollzeitarbeitsverhältnis vereinbart ist
Die insbesondere von DKK-Klebe vertretene Gegenansicht (vgl. Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl., § 87 Rn. 73 ff.) unterscheidet nicht hinreichend zwischen der mitbestimmungsfrei von den Arbeitsvertrags- bzw. Tarifvertragsparteien festzulegenden Dauer der Arbeitszeit, die vom Arbeitnehmer geschuldet ist (und die Maßstab für die Bemessung des Arbeitsentgelts ist) und der Lage und Verteilung der geschuldeten Arbeitszeit, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG im Mitbestimmungswege festzulegen ist. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Bezug auf die Dauer der von dem Arbeitnehmer geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit hätte die von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht beabsichtigte Folge, dass die Betriebsparteien oder eine nach § 87 Abs. 2 BetrVG tätig werdende → Einigungsstelle das Maß der von dem Arbeitnehmer zu leistenden regelmäßigen Arbeitszeit (und des zu beanspruchenden regelmäßigen Arbeitsentgelts) festlegen könnten. Eine solche Befugnis ist den Betriebsparteien nur ausnahmsweise durch § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG im Fall der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit eingeräumt.
Gegen ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dauer der geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit spricht auch, dass hierdurch die vom Gesetzgeber gewollte »Arbeitsteilung« zwischen Tarifvertragsparteien (Tarifautonomie) und Betriebsparteien (Betriebsautonomie) konterkariert würde. Die Arbeitszeitpolitik soll – das ist die in Art. 9 Abs. 3 GG i. V. m. § 77 Abs. 3 BetrVG mit Verfassungsrang ausgestatte Grundentscheidung des Gesetzgebers – in erster Linie Sache der Tarifvertragsparteien – und nicht der Betriebsparteien – sein. Deshalb regelt § 77 Abs. 3 BetrVG, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung können. Die Bejahung eines Mitbestimmungsrechts bei der Dauer der Arbeitszeit würde – vor dem Hintergrund der herrschenden Vorrangtheorie betreffend das Verhältnis von § 77 Abs. 3 und § 87 BetrVG (siehe → Betriebsvereinbarung) – die Möglichkeit zur Tarifflucht eröffnen, weil die Betriebsparteien bzw. ggf. die → Einigungsstelle einen – nachwirkenden – Tarifvertrag über die Dauer der Arbeitszeit nicht nur verbessern, sondern auch verschlechtern könnten. Der Weg wäre frei gemacht für eine Untergrabung des durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten – und seit mehr als fünf Jahrzehnten erfolgreichen – Tarifvertragssystems (vgl. auch Hinweise unter → Arbeitsentgelt zur ähnlich gelagerten Streitfrage, ob dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Entgelthöhe zusteht).
Ein anderer – nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtiger – Vorgang ist die Verteilung des nach Tarifvertrag (oder Arbeitsvertrag) geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeitvolumens auf die einzelnen Wochentage oder innerhalb eines durch Tarifvertrag oder Gesetz (vgl. § 3 Satz 2 ArbZG) vorgesehenen »Ausgleichszeitraumes« (siehe → Arbeitszeitflexibilisierung).
Im Rahmen des Vorstehenden ist ein Mitbestimmungsrecht auch gegeben bei der konkreten Ausgestaltung von → Teilzeitarbeit.
Mitbestimmungspflichtige Tatbestände sind des Weiteren beispielsweise:
Verlegung des Arbeitszeitbeginns oder -endes;
Einführung, Ausgestaltung, Änderung und Abschaffung einer Gleitzeitregelung (siehe → Gleitzeit) oder eines Arbeitszeitkontos (siehe → Arbeitszeitflexibilisierung);
Einführung, Ausgestaltung, Änderung und Abschaffung von Schichtarbeit für den ganzen Betrieb oder für Betriebsabteilungen einschließlich der Festlegung einzelner Schichtpläne (siehe → Schichtarbeit);
Einführung, Ausgestaltung, Änderung und Abschaffung von Regelungen über → Arbeitsbereitschaft, → Bereitschaftsdienst und → Rufbereitschaft.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der
»vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit«.
Zur Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 6 Abs. 5 ArbZG bei der Auswahl der Form des Ausgleichs für Nachtarbeit (Geldzuschlag oder bezahlte Freizeit) im Falle fehlender tariflicher Ausgleichsregelungen siehe → Nachtarbeit.
Zu beachten ist, dass ein Mitbestimmungsrecht dann nicht besteht, wenn eine von § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 7 BetrVG an sich erfasste Arbeitszeitfrage (siehe insoweit Rn. 69) durch Gesetz oder → Tarifvertrag zwingend und abschließend geregelt ist (vgl. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG).
Zu beachten ist des Weiteren, dass der Betriebsrat im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG ein umfassendes Mitbestimmungsrecht, also auch ein »Initiativrecht« besitzt. Dies versetzt ihn in die Lage, auf Regelungsvorhaben des Arbeitgebers in der Frage der Arbeitszeit nicht nur zu reagieren, sondern selber aktiv zu werden und Vorschläge auszuarbeiten und vorzulegen. Scheitern die Verhandlungen, entscheidet auf Antrag die → Einigungsstelle (vgl. § 87 Abs. 2 BetrVG).
Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat, so ist es zweckmäßig, diese Einigung in einer → Betriebsvereinbarung niederzulegen.
Verletzt der Arbeitgeber (z. B. durch einseitige Maßnahmen) die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, kann dieser Unterlassung verlangen (siehe → Unterlassungsanspruch des Betriebsrats). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber versucht, die Mitbestimmung zu umgehen. Ein solcher Umgehungstatbestand liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitgeber einen Reinigungs- und Wartungsauftrag an eine Fremdfirma vergibt, nachdem die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über eine Ausführung dieser Arbeiten durch Eigenpersonal und der hieraus resultierenden Arbeitszeitgestaltung gescheitert sind (LAG Frankfurt v. 19. 4. 1988, DB 1989, 128; vgl. auch BAG v. 22. 10. 1991, DB 1992, 686). Der Betriebsrat kann – ggf. im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – die Beschäftigung des Fremdfirmenpersonals stoppen. Und zwar so lange, bis eine → Einigungsstelle über die von den Betriebsparteien verhandelte Arbeitszeitfrage entschieden hat.