Erstellt am 29.04.2010 um 10:19 Uhr von rkoch
Es gibt eine Art Gewohnheitsrecht.
Arbeitsverträge bedürfen gewöhnlich der Konkretisierung, d.h. im Vertrag steht i.d.R. nicht präzise wann, was, etc. der AN zur Vertragserfüllung zu tun hat. Mit Aufnahme der Arbeit findet die erste Konkretisierung statt i.d.R. bzgl. des "was". Das bedeutet aber nicht, das damit alles in Stein gemeißelt ist. Der AG hat lt. GewO immer noch das Recht im Rahmen der Vertragsvereinbarung Änderungen (Weisungsrecht) vorzunehmen.
Die Gerichte erkennen aber an, das ein AG, der dieses Weisungsrecht nicht ausübt u.U. dieses verwirkt. Dazu gehört aber schon einiges. 8 Jahre nur Frühschicht ist zwar eine Konkretisierung (sofern sie nicht im Arbeitsvertrag bereits fest vereinbart ist), aber trotzdem dürfte der Arbeitgeber nach 8 Jahren sein Recht auf Weisung nicht verwirkt haben. Faktisch kann man dem ArbG aufgeben festzustellen, ob der AG mit dieser Weisung nicht seine Befugnisse überschreitet, aber ich sehe wenig Chancen auf Erfolg, schließlich ist die Änderung kein wesentlicher Eingriff in den Arbeitsvertrag.
Sinnvoller ist u.U. ein Veto des BR. Dieser hat nach §87 mitzubestimmen bei der Lage der Arbeitszeit und auch über die Einteilung einzelner AN in die Schichten. Insofern steht dem BR das Recht zu diese Änderung zu unterbinden.
Erstellt am 29.04.2010 um 10:19 Uhr von rainerw
In der Tat ist hier eine betriel. Übung entstanden. Da diese über 8 Jahre so gelebt wurde ist sie zu einem stillschweigenden Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Dieses wieder zu ändern kann nur einvernehmlich geschehen. Hier auch das Stichwort Änderungsvertrag.
Will der AG dies eineitig durchziehen ist es wohl eine individualrechtliche Sache.
Erstellt am 29.04.2010 um 10:32 Uhr von rkoch
@rainerw
Der Begriff "betriebliche Übung" ist hier nicht korrekt. Unter betrieblicher Übung versteht man nur die "vorbehaltslose Gewährung einer Leistung" zu der der AG lt. Arbeitsvertrag nicht verpflichtet ist. Die Arbeitszeit fällt hier nur darunter, wenn der AG z.B. mehr Pausen als verpflichtet gewährt, eigenmächtige Kürzung der AZ durch den AN erlaubt o.ä. Insofern gilt hier z.B. auch nicht die Regel der dreimalige Wiederholung. Somit sind die 8 Jahre auch nicht als Maßstab bindend.
s.a. z.B. Wikipedia "betriebliche Übung":
Sonderfall: Gewohnheitsrecht betr. Arbeitszeit?
1998 wies das Landesarbeitsgericht Hessen die Klage eines Arbeitnehmers ab, der seit mehreren Jahren im Nachtdienst tätig war und in den Tagesdienst eingeteilt wurde. Er begründete die Klage mit dem Gewohnheitsrecht, da er jahrelang immer die gleiche Arbeitszeit gehabt habe. Dadurch sei ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Einteilung in die Nachtschicht entstanden.
Das Gericht verwarf diese Auffassung – denn Voraussetzung für das Entstehen einer betrieblichen Übung sei ein übereinstimmender Wille beider Vertragspartner. Im vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber nicht erkennen lassen, mit der generellen Übernahme einer bestimmten Schicht einverstanden gewesen zu sein (LAG Hessen -9 Sa 1325/98, [2]
Erstellt am 29.04.2010 um 10:48 Uhr von rainerw
@rkoch
Dieser RA sieht es aber anders. Oder lese ich verkehrt?
http://www.frag-einen-anwalt.de/forum_topic.asp?topic_id=74037&
Erstellt am 29.04.2010 um 11:25 Uhr von erwin
Hallo,
hier eine BAG-Entscheidung zu diesem Thema:
http://www.lexrex.de/rechtsprechung/innovativ/ctg1086615530461/2056.html
BAG, Urteil vom 21.1.1997 - 1 AZR 572/96 -
Datenbank/ Rechtsprechung
Grundfragen der Arbeitszeitgestaltung
Als PDF anzeigen Entscheidung versenden
BAG, Urteil vom 21.1.1997 - 1 AZR 572/96 -
Schichtenregelung durch Betriebsvereinbarung
Fundstellen: AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972; EzA Nr. 36 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; NZA 1997, 1009-1013
Leitsätze:
1. Eine betriebliche Übung setzt voraus, daß eine bestimmte betriebliche Praxis den Schluß erlaubt, der Arbeitgeber wolle sich vertragsrechtlich binden.
2. Das ist zwar grundsätzlich bei jedem Verhalten des Arbeitgebers denkbar, jedoch bei Fragen der Organisation des Betriebes (wie etwa Schichtplänen) im Zweifel nicht anzunehmen, weil sie üblicherweise auf kollektiver Ebene geregelt werden.
3. Die Festlegung eines bestimmten Schichtsystems durch betriebliche Übung kann nur ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn erkennbar dem Interesse der betroffenen Arbeitnehmer an einer bestimmten Form des Schichtbetriebs entsprochen werden sollte.
Erstellt am 29.04.2010 um 11:40 Uhr von rainerw
@erwin
Ich möchte dem ja auch nicht Grundsätzlich wiedersprechen, sehe es aber so das hier dann im Einzelfall entschieden werden muß. Denn auch in Deinem zietiertem Urteil steht unter 2. "üblicherweise" Und Punkt 3 Lässt eh alles offen.
Ich denke mal der betreffende AN sollte in seinem Fall einen Fachanwalt aufsuchen und den Einzelfall prüfen lassen.
Erstellt am 29.04.2010 um 11:48 Uhr von rkoch
@rainerw
der RA redet von "dürfte konkretisiert".... Sicher ist er sich auch nicht. Und ich habe die *Möglichkeit* der Konkretisierung nur als unwahrscheinlich hingestellt. Wäre von Gericht zu prüfen.
PS: Schon wieder der 7er Schrott. Also aus mit Diskussion.
Erstellt am 29.04.2010 um 11:58 Uhr von Günther
Hatte vergessen es raus zu nehmen.
MfG
Günther
Erstellt am 29.04.2010 um 17:48 Uhr von rainerw
rkoch
"dürfte konkretisieren"..............
Deshalb schrieb ich ja auch, ich möchte dem nicht Grundsätzlich wiedersprechen.
Erstellt am 29.04.2010 um 17:53 Uhr von Kölner
@all
Wenn man die Jungs von google nochmals losschickt und die Suche etwas verfeinert, dann kann man BAG-Urteile bekommen, die ein Gewohnheitsrecht hinsichtlich des Wechsels von Früh- in Spät- oder Nachtschicht verneinen.
Wenn die Jungs dann wiederkommen, könnten sie auch das eine BAG-Urteil im Gepäck haben, dass einem Nachtschichtler die betriebliche Übung/Gewohnheit zugesteht.