Erstellt am 27.10.2009 um 12:50 Uhr von pitsieben
@ didius,
Arbeitnehmer erwerben auch dann einen Urlaubsanspruch, wenn sie das ganze Jahr krankgeschrieben sind. Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hervor.
Der Fall
Ein Arbeitnehmer war erkrankt und musste seinen Job in der Firma für ein Jahr ruhen lassen. Danach kehrte er nicht wieder in den Betrieb zurück, denn das Arbeitsverhältnis wurde inzwischen beendet. Für den wegen der Krankheit ungenutzten Urlaub wollte der Ex-Beschäftigte aber einen finanziellen Ausgleich von seinem Arbeitgeber. Weil dieser Nein sagte, wurde der Urlaubs-Zwist zum Fall für das Arbeitsgericht.
Das Urteil
Das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf gab dem Arbeitnehmer Recht. Urlaubsanspruch verfalle nicht, erklärten die Richter. Und wenn das Arbeitsverhältnis inzwischen beendet sein sollte, könne man sich die aus gesundheitlichen Gründen entgangenen Urlaubstage auszahlen lassen - auch dann, wenn man für das ganze Jahr oder darüber hinaus krankgemeldet war.
Das Düsseldorfer Gericht reagierte mit seinem Urteil auch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Dieses hatte die bisherige deutsche Regelung, wonach Urlaubstage erkrankter Arbeitnehmer nach dem 31. März des folgenden Jahres verfallen, für nicht EU-konform erklärt.
Die Aktenzeichen
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Az.: 12 Sa 486/06
Europäischer Gerichtshof, Az.: Rs. C-350-06
Erstellt am 27.10.2009 um 16:10 Uhr von Haifisch
Anbei noch ein Urteil zu dem Thema:
Lediglich der vierwöchige Mindesturlaubsanspruch verfällt nach der neuen Rechtsprechung des EuGH nicht, wenn ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig krank war. Wie bisher verfallen dagegen darüber hinausgehende tarifliche Urlaubsansprüche. Es bedarf hierfür keiner tarifvertraglichen Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubsansprüchen. Auch der zusätzliche Erholungsurlaub nach § 125 SGB IX verfällt bei einer Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums.
Die schwerbehinderte Klägerin war beim beklagten Land als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der BAT anwendbar. Nach § 125 SGB IX hatte sie zusätzlich zu dem tariflichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen einen Urlaubsanspruch von 5 Arbeitstagen. 20 Urlaubstage nahm sie im Juli 2005. Von Ende August 2005 bis Oktober 2007 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Rückwirkend zum 01.02.2007 wurde ihr Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit zuerkannt.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005-2007. Die Klage hatte lediglich teilweise Erfolg.
Begründung:
Die Klägerin hat nur hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs von 20 Arbeitstagen pro Jahr einen Anspruch auf Abgeltung. Verfallen sind hingegen der tarifliche und der gesetzliche Mehrurlaubsanspruch mit Ablauf des tariflichen Übertragungszeitraums (bis zum 01.06. des Folgejahres, § 47 Abs. 7 BAT).
Das Urteil des EuGH vom 20.01.2009 (Rs.: C-350/06 u. C-520/06), wonach Arbeitnehmer ihren Urlaubsanspruch auch bei lang andauernder Krankheit nicht verlieren, bezieht sich nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen. Für die darüber hinausgehenden tarifvertraglichen oder anderweitigen gesetzlichen zusätzlichen Ansprüche (z.B. aus § 125 SGB IX) bleibt es dagegen bei der bisherigen Regelung. Daher verfallen sie, wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des gesetzlichen Übertragungszeitraums (31.03. des Folgejahres) oder des tariflichen Übertragungszeitraums (30.06. des Folgejahres) andauert.
Der Verfall von über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden einzelvertraglichen oder tariflichen Urlaubsansprüchen setzt entgegen der Auffassung des BAG (Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07) nicht voraus, dass der Arbeits- oder Tarifvertrag zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen differenziert. Denn ohne besondere Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer im Hinblick auf den Verfall ihrer Urlaubsansprüche nicht besser gestellt werden sollen als arbeitsfähige.
Das gilt entgegen der Auffassung des LAG Düsseldorf (Urteil vom 02.02.2009 - 12 Sa 486/06) auch für den zusätzlichen gesetzlichen Erholungsurlaub nach § 125 SGB IX. Diese Vorschrift dient nicht der Umsetzung sonstigen EU-Rechts und unterliegt daher den allgemeinen Grundsätzen des Urlaubsrechts. Wenn der Zusatzurlaub bis zum Ende des Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden kann, verfällt er daher auch.
Für das Jahr 2005 kann die Klägerin nach diesen Grundsätzen keine Urlaubsabgeltung beanspruchen, weil der Mindesturlaub von 20 Tagen gewährt worden ist und die darüber hinausgehenden Urlaubsansprüche verfallen sind. Ein Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs von 20 Tagen besteht für 2006. Für 2007 hat die Klägerin nur einen anteiligen Urlaubsanspruch für Januar 2007 geltend gemacht. Insoweit steht ihr eine Abgeltung von zwei Urlaubstagen zu.
ArbG Berlin 22.04.2009, 56 Ca 21280/08