Liebe Provokateurin,
Liebe Freunde der Fragestellung!
Ich versuche mal eine kleine Liste zu erstellen, wie Alkoholismus/Suchtmittelabhängigkeit die originäre Arbeit eines BR tangiert...
Nach § 45 BetrVG können Informationen zum Thema Alkohol Gegenstand von z.B. Betriebsversammlungen sein. Inhaltliche Ausgestaltung und Form der Information legt der BR fest.
Nach § 89 BetrVG hat der BR bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren mit den einschlägigen Stellen zusammenzuarbeiten. Dazu zählen bei Alkoholfragen neben Gewerbeaufsicht und Berufsgenossenschaften die Gesundheitsbehörden, der Betriebsarzt, die Suchtberatungsstellen, die Krankenkassen und eventuelle außer- und innerbetriebliche Selbsthilfegruppen.
Nach § 87 BetrVG, Abs. 1 bestimmt der BR mit bei:
- Der Einführung und Durchführung eines betrieblichen Alkoholverbotes und bei Sanktionen wegen Verstößen (Ziffer 1); Ausnahme: spezifisches Alkoholverbot aufgrund von Schutzvorschriften
- Auch die Überwachung des Alkoholverbotes durch Betriebsfremde (z.B. externer Werkschutz) unterliegt der Mitbestimmung des BR; ebenso besteht Mitbestimmung bei Regelungen über den Umfang und die Modalitäten des betrieblichen Alkoholkonsums
- Der Ausgestaltung von Unfallverhütungsvorschriften (nach Ziffer 7) z.B. im Rahmen der UVV, allgemeine Vorschriften, § 38: „Versicherte dürfen sich durch Alkoholgenuss nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können“ und anderen Vorschriften zum Schutz der Gesundheit
- Der Auswahl und Preisgestaltung von Getränken in Kantine, Kiosken und Automaten (Ziffer 8), damit kann die "Griffnähe" zum Alkohol tendenziell gesteuert werden
Nach § 90 BetrVG kann der BR bei Änderung von Arbeitsplätzen und Arbeitsorganisation Vorschläge zur Gestaltung machen. Er kann dabei fordern, Arbeitsplätze so einzurichten, dass der Alkoholkonsum durch sie nicht gefördert wird.
Nach § 91 BetrVG besteht die Möglichkeit, bei Arbeitsplätzen mit besonderen physischen und psychischen Belastungen Massnahmen zur Abhilfe durchzusetzen. Allerdings muss die besondere Belastung offensichtlich sein und den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen. Hierbei ist in Bezug auf Alkohol ein Zusammenhang zwischen Belastung und der steigenden Bereitschaft zum Konsum nachzuweisen. Dies kann durch Befragung und die Aussage des Betroffenen geschehen.
Nach § 94 und § 95 BetrVG unterliegen die Auswahlrichtlinien und Beurteilungskriterien der Mitbestimmung. Fragen zu Alkoholkonsum, Alkoholerkrankung und Therapie-Teilnahme bedürfen der Zustimmung des BR. Das gleiche gilt für Fragen und Kriterien zu einer eventuell vorhandenen individuellen Disposition für Suchtverhalten.
Nach § 99 BetrVG kann eine Umgruppierung und Versetzung, die durch Alkoholprobleme erforderlich scheint, nur mit Zustimmung des BR erfolgen (ersatzweise Arbeitsgericht).
Bei alkoholbedingten ordentlichen Kündigungen (nach §102 BetrVG) kann der BR innerhalb einer Woche Widerspruch einlegen. Bedenken gegen außerordentliche Kündigungen kann er innerhalb von 3 Tagen vortragen. Ein Sonderrecht des Arbeitgebers zu Kündigungen von Alkoholkranken gibt es nicht, sondern hier gelten die gleichen Grundsätze wie für andere krankheitsbedingte Kündigungen.
Nach § 75 BetrVG sind die Beschäftigten auch bei Alkoholproblemen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln, d.h. sie dürfen keine unangemessenen Nachteile erfahren.
Nach § 80 BetrVG, Abs. 1 hat der BR Massnahmen, die der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen (Ziffer 2), z.B. Hilfen für Alkoholgefährdete und –kranke, und die Eingliederung besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern (Ziffer 4), z.B. die Wiedereinstellung gekündigter Arbeitnehmer nach erfolgreicher Therapie.
Im Rahmen von § 88 BetrVG können freiwillig weitere Regelungen zur Verhinderung des Alkoholmissbrauchs getroffen werden. Hierzu zählen beispielsweise Informationstage, Einführung von Beratungen, Massnahmen zum Arbeitsschutz, Einstellung eines Sozialarbeiters, Freistellung von Suchtberatern usw..
Nach § 37 BetrVG, Abs. 6 steht dem Betriebsratsmitglied das Recht zu, Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu besuchen, bei denen Kenntnisse zur betrieblichen Alkoholproblematik vermittelt werden.
@Z.Ickig
"Mal ganz ehrlich: haltet ihr das tatsächlich für i.S.d. Gesetzes "erforderliche" Betriebsratsarbeit?"
Wenn nicht hier wann denn dann?
PS: Über eine abzuschliessende BV habe ich mich übrigens bewusst noch nicht ausgelassen...