Erstellt am 25.04.2018 um 14:36 Uhr von wdliss
§612 Abs 1 BGB "§ 612 Vergütung
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist."
D.h. der AG hat geleistete Arbeitszeit auch zu entlohnen. Da ist nichts mit streichen.
Erstellt am 25.04.2018 um 14:38 Uhr von kratzbürste
Na da macht die (wahrscheinlich noch christlich angehauchte ) Geschäftsleitung wohl verdeckte Öffentlichkeitsarbeit bei den AN.
Verstärkt eure Öffentlichkeitsarbeit, stellt eure Ziele dar und informiert darüber, dass es schon aus der Gesetzeslage heraus unhaltbar ist, geleistete Arbeitszeit zu streichen.
Betriebsversammlung!
Erstellt am 25.04.2018 um 14:54 Uhr von rako1966
Die Praxis des Streichens von Arbeitszeitguthaben über einem festgelegten Limit ist leider weit verbreitet. Der von wdliss zitierte §612 BGB ist da leider wenig zielführend, da nur anwendbar wenn eben KEINE Vergütungsvereinbarung existiert. Ansonsten ist eben genau DA nachzuschauen, d.h. entweder im Arbeitsvertrag oder im TV. Je nachdem wie die Vergütungsordnung formuliert ist, kann die Streichung (die für sich alleine genommen durchaus zulässig ist!) unterschiedliche Wirkungen erzielen. Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit:
Streitfall war die Streichung von Gleitzeitguthaben im Bereich eines TV. Der TV sieht vor, dass die regelmäßige AZ 35h/Woche beträgt. Jede darüber hinaus geleistete Zeit ist als Mehrarbeit zu bezahlen. Eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf längere Zeiträume ist zulässig.
Letzteres wurde über ein Gleitzeitmodell realisiert. Es werden 35h/Woche bezahlt unabhängig von der tatsächlich geleistete Arbeitszeit, Mehr- und Minderstunden werden auf dem Gleitzeitkonto verwaltet. Am Monatsende werden Stunden über einem Limit von X gestrichen.
Beantragt wurde, die Praxis des Streichens der Gleitzeitkonten über Limit X zum Monatsende zu unterbinden.
Das Streichen über Limit X wurde als zulässig angesehen. Allerdings wird der Durchschnitt von 35h/Woche nur erreicht, wenn Zeitguthaben durch Zeitausgleich auch wieder ausgeglichen wird. Jede aus dem Konto gestrichene Stunde bedeutet hingegen eine über die 35h/Woche hinaus geleistete Mehrarbeitsstunde und ist nach TV zu vergüten.
So, und jetzt kommst Du :-). Was steht in Eurer Vergütungsordnung, was könnte die Streichung der Stunden in dem Sinne wie oben beschrieben für Euch bedeuten? Ich weiß es nicht, denn ich kenne Eure Vergütungsordnung nicht...
BTW: Im Zweifelsfalle könnte eine BV zu Gleitzeit auch unwirksam sein, wenn sie im Widerspruch zu der geltenden Vergütungsordnung steht. Ohne den Passus zur "ungleichmäßigen Verteilung der AZ" im TV da oben, wäre GZ unzulässig gewesen, da im Widerspruch zu den festgelegten 35h/Woche + Mehrarbeit.
Erstellt am 25.04.2018 um 15:17 Uhr von Pickel
Die Antwort von wdliss ist natürlich falsch.
Die Regel ist dahingehend auszulegen, dass über 10 Std liegende Zeitstunden bis Stichtag X zu nehmen sind.
Sofern der AG dies grundsätzlich ermöglicht und der MA dies aber nicht tut wird ebenso wie bei verfallendem Urlaub der Anspruch entsprechend der kollektiv geltenden Regeln verfallen können. Anders wäre es nur, wenn dem MA keine Möglichkeit geboten wird, seinen Zeitanspruch auch in Form von Überstundenabbau zu nutzen.
Erstellt am 25.04.2018 um 16:40 Uhr von RoterFaden
Diese Regelung soll vermutlich verhindern, dass MA zuviele Gleit-Stunden aufbauen.
Wenn den MA die Streichung nicht passt, sollten sie konsequenterweise rechtzeitig abbauen oder wahlweise nicht aufbauen.
Sie kennen ja schließlich diese Regelung und werden nicht am Quartalsende davon überrascht...
(Angeordnete Mehrarbeit wäre anders zu behandeln, hätte aber auf diesem Konto auch nix zu suchen...)
Dass es 2 verschiedene Modelle gibt ist doch ein guter Ansatz, neu zu verhandeln.
Da die Lage der Arbeitszeit (z.B. "Ende 12:00 Uhr) mitbestimmungspflichtig ist,
läge dieser Verhandlungspunkt ja in der Hand des BR - ohne kann die GL das nicht
(so einfach) einseitig ändern.
Erstellt am 26.04.2018 um 08:46 Uhr von wdliss
Eine andere Meinung vertritt das BAG (BAG – 1 ABR 40/12). Hier wird zwar die Deckelung der Gleitzeitguthaben grunsätzlich für zulässig gehalten, allerdings ist strikt zwischen der betrieblichen Regelung zur Kappung der Überstunden und der individuellen Vergütungspflicht zu unterscheiden. Auch wenn die Mehrarbeit nur geduldet wurde ist sie auch zu vergüten.
Erstellt am 26.04.2018 um 15:38 Uhr von enigmathika
Danke erst mal für Eure Antworten.
@ Kratzbürste: Die GF (der christlich angehaucht Teil ist nicht mehr da) ist ebenfalls gegen eine neue BV, weil das andere Arbeitszeitmodell NICHT vorsieht, dass freitags um 12:00 Uhr gegangen werden kann. Sie befürchtet, dass wir das für alle Kollegen durchsetzen wollen. Dabei ist das nur eine von vielen Regelungen und wir wären durchaus bereit, einen Kompromiss zu finden, der alle zufriedenstellt.
@RoterFaden
Ja, da müssen viele MA (auch ich) lernen, eine gewisse Zeitdisziplin zu entwickeln. Manch einem fällt das Nach-Hause-Gehen schwer, wenn die Arbeit noch nicht fertig ist.
Die GF ist natürlich deutlich erfahrener im Umgang mit BR als wir im Umgang mit der GF. Wir sind alle BR-Neulinge. Als das Thema Betriebsvereinbarung aufkam, wurde schon bevor ein Blick in unseren Vorschlag geworfen wurde, die Unterstellung laut, wir würden Rosinenpickerei betreiben. Auch unser formelles Vorgehen wurde uns schon vorgeworfen, wir hatten, um alles richtig zu machen, all unsere Anfragen und Mitteilungen mit den entsprechenden Paragraphen begründet. ("Wenn Sie mit Paragraphen um sich werfen, werden wir (GF und PA) Ihnen die Arbeit so schwer wie vom Gesetz her möglich machen")
Es ist nicht einfach, den Begriff "vertrauensvolle Zusammenarbeit" so auszulegen, dass man weder den Verdacht erregt, der GF alles recht zu machen noch den, dass man nur auf Konfrontation aus ist und Unruhe in den Betrieb bringen will.