Erstellt am 28.11.2017 um 11:47 Uhr von Challenger
Durch ein regelmäßiges, gleichförmiges und vorbehaltloses Verhalten des Arbeitgebers kann eine betriebliche Übung entstehen, die den Arbeitgeber auch für die Zukunft verpflichtet, die in der Vergangenheit gewährten Leistungen weiterhin zu erbringen.
Das BAG hat mit Urteil vom 13.5.2015 - 10 AZR 266/14 diesen Grundsatz schon für einen Zeitraum von drei Jahren aufgestellt.
Erstellt am 28.11.2017 um 13:09 Uhr von lolium
Challenger: Das BAG Urteil bezieht sich ja den Anspruch einer Jahressonderzahlung. Meinst Du, es ist 1:1 auf die Verteilung der Arbeitszeit anzuwenden?
Erstellt am 28.11.2017 um 13:22 Uhr von anwatec
meines Erachtens: nein!
das kann man sicher auch anders vertreten. Wir hatten bei uns aber einen Fall mit einem Kollegen der seit mehr als 10 Jahren aus der Schicht genommen wurde. Das Verfahren ging über 2 Instanzen und der MA bekam kein Recht vor dem Arbeitsgericht und dem LAG. Beide Gerichte sahen keinen Ansatzpunkt das Instrument der betrieblichen Übung überhaupt anzuwenden. Es wurde dafür die Frage diskutiert, ob sich der Arbeitsvertrag entsprechend konkretisiert habe. Dies lag nicht vor, da kein BESONDERER Vertrauenstatbestand geschaffen wurde aus dem der MA schließen konnte, dass er nicht Schicht arbeiten müsse. Die reine Zeitdauer würde nicht für einen solchen Vertrauenstatbestand sprechen
Erstellt am 28.11.2017 um 13:29 Uhr von Challenger
Zitat :
Das BAG Urteil bezieht sich ja den Anspruch einer Jahressonderzahlung
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Völlig richtig. Aber bei einer betrieblichen Übung ist es völlig unerheblich, ob es sich um Jahressonderzahlungen handelt,oder um sonstige Vereinbarungen und/oder Absprachen zwischen AG & AN
Erstellt am 28.11.2017 um 13:45 Uhr von Pjöööng
Zitat (Challenger):
"Aber bei einer betrieblichen Übung ist es völlig unerheblich, ob es sich um Jahressonderzahlungen handelt,oder um sonstige Vereinbarungen und/oder Absprachen zwischen AG & AN "
Fall "Verieinbarungen und/oder Absprachen" bestehen, dann sind diese gültig und betriebliche Übung scheidet aus!
Eine betriebliche Übung zur Lage der Arbeitszeit, insbesondere der persönlichen Arbeitszeit, ist mir bisher noch nicht untergekommen und ich bezweifle dass diese überhaupt entstehen kann.
Hier wäre wohl eher zu prüfen, ob der Arbeitsvertrag entsprechend konkretisiert wurde. Dafür sehe ich hier aber keinen Anhaltspunkt. Falls es zu einer Konkretisierung des Arbeitsvertrages gekommen sein sollte, könnte der Arbeitgeber hier zum Mittel der Änderungskündigung greifen.
Erstellt am 28.11.2017 um 15:51 Uhr von anwatec
da irrt Challenger mal wieder
Erstellt am 28.11.2017 um 22:19 Uhr von basilica
Auf jeden Fall in den Arbeitsvertrag schauen: Eine Klausel wie "Änderungen bedürfen der Schriftform" schließt mW Konkretisierung oder Betriebliche Übung aus.
Erstellt am 29.11.2017 um 00:40 Uhr von Pjöööng
Zitat (basilica):
"Eine Klausel wie "Änderungen bedürfen der Schriftform" schließt mW Konkretisierung oder Betriebliche Übung aus."
Nö!
Erstellt am 29.11.2017 um 17:37 Uhr von basilica
ok, offenbar wird betriebliche Übung nur von der qualifizierten Schriftformklausel geblockt
"Keine betriebliche Übung bei doppelter Schriftformklausel"
https://www.123recht.net/Die-Schriftformklausel-__a6976__p2.html
Erstellt am 29.11.2017 um 20:20 Uhr von Ernsthaft
Was soll dieser alte und mehrfach überholte Schinken von 2003?
Zeigt mal wieder, dass sich auch Anwälte weiterbilden müssen und nicht mehr Bestehendes von einer Beratungswebseite verschwinden sollte.
BAG, 20.05.2008 - 9 AZR 382/07
Vom AG vorformulierte Arbeitsvertragsklauseln sind gem. § 307 Abs.1 S.1 BGB unwirksam, wenn sie den AN entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Vorrang. Der Erstatttungsanspruch des Kl. folgt aus betrieblicher Übung. Die Schrifformklausel ist zu weit gefasst und daher gem. § 307 Abs.1 S.1 BGB unwirksam. Sie erweckt beim AN entgegen der Schutzvorschirft des § 305b BGB den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftorm gem § 125 S.2 BGB unwirksam.
Sollen Arbeitszeiten und Tage zu einer betrieblichen Übung werden, bedarf es schon konkreterer Handlungen eines AG als nur: „War schon immer so“.
Dass Gute liegt so nah! Auch hier wird einem weitergeholfen.
https://www.betriebsrat.com/urteil/262/65937/bag-1-azr-57-92
Erstellt am 29.11.2017 um 23:20 Uhr von basilica
Danke, einen Verweis auf § 305b BGB wird man in einem 20 Jahre alten Arbeitsvertrag gewiß nicht finden. Wenn dieser § aber dennoch für den älteren Arbeitsvertrag gilt (was ich vermute), kann die vor 20 Jahren abgesprochene Regelung dann nicht aufgrund dieses § Bestand haben?
Erstellt am 03.12.2017 um 14:13 Uhr von basilica
Gemäß EGBGB Art. 229 § 5 gelten die Regeln des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 (und dazu gehört der § 305b BGB) ab dem 1.1.2003 auch für vor dem 1.1.2002 abgeschlossene Verträge.
Von Bedeutung ist das freilich nur, wenn der Arbeitsvertrag der betroffenen Kollegin tatsächlich ein Formular-Arbeitsvertrag ist. In individuell ausgehandelten Arbeitsverträgen kann betriebliche Übung einfacher ausgeschlossen werden.
Aber auch für Formulararbeitsvertrräge haben findige Anwälte offenbar Klauseln entwickelt, die Betriebliche Übung wirksam ausschalten:
https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsvertrag_Allgemeine-Geschaeftsbedingungen_AGB_AGB-Kontrolle_Schriftformklausel.html#tocitem4
Ich würde deshalb immer noch einen Blick in den Arbeitsvertrag empfehlen. Es gibt für den einen oder anderen Fall eben doch Klauseln, die die Wirksamkeit mündlicher Abreden bzw Betriebliche Übung ausschließen.