Abfindung
Frank Birkefeld
Was ist eine Abfindung?
Eine Abfindung im Arbeitsverhältnis ist eine einmalige außerordentliche Zahlung. Diese wird dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Entschädigung ausgezahlt. Sie gilt für den Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten.
Wann habe ich Anspruch auf eine Abfindung – und wie berechnet man sie? Welche Informationen benötigt der Betriebsrat dazu?
Und was ist darüber hinaus noch wichtig? Erfahren Sie mehr!
Wann bekommt man eine Abfindung?
Abfindungen spielen im deutschen Arbeitsrecht im Falle der Beendigung von Arbeitsverhältnissen eine Rolle – insbesondere bei Kündigungen des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, Aufhebungsverträgen sowie im Rahmen von Betriebsänderungen (Sozialplan, Interessenausgleich).
Aber nicht immer haben Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf eine Abfindung. Es kommt auf die Beendigungsart an.
Abfindung bei Kündigung
In den häufigsten Fällen geht es im Zusammenhang mit Kündigungen um Abfindungen.
Gerade bei einer Kündigung hat der Arbeitnehmer aber nicht automatisch einen Abfindungsanspruch – auch wenn im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses letztlich häufig eine Abfindung bezahlt wird.
Kündigung durch den Arbeitgeber
Die Mehrzahl der Kündigungsschutzprozesse wird durch gerichtlichen Vergleich beendet. Im Rahmen des Vergleichs werden dann in der Regel auch Abfindungen vereinbart, um das Risiko eines unsicheren Prozessverlaufs und eventueller Lohnnachzahlungen zu beseitigen. Dies ist jedoch nicht zwingend. Insbesondere ist eine Kündigung keinesfalls unwirksam, wenn keine Abfindung angeboten wurde.
Eine Ausnahme kann sich ergeben, wenn der Arbeitgeber dem Mitarbeiter im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung anbietet, sofern der Mitarbeiter im Gegenzug auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Nimmt der Mitarbeiter dieses Angebot an, aber auch nur dann, entsteht im Zusammenhang mit der Kündigung ein Abfindungsanspruch (§ 1 a KSchG).
Widerspricht der Betriebsrat einer Kündigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG, muss der Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigt werden. Dadurch wird auch die Verhandlungsposition des Arbeitsnehmers im Hinblick auf die Höhe einer Abfindung deutlich verbessert.
Bei gerichtlichen oder außergerichtlichen Verhandlungen über die Höhe der Abfindung orientiert man sich in der Regel (entsprechend §§ 9 – 11 sowie § 1 a KSchG) zunächst an einem halben Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung – jedenfalls, wenn der Mitarbeiter länger als ein halbes Jahr beschäftigt ist und der Arbeitgeber mehr als zehn (Altregelung: fünf) Arbeitnehmer (ohne Azubis) beschäftigt (Geltung des KSchG).
Hat der Arbeitnehmer also z.B. nach zehn Jahren Beschäftigung zuletzt 3.000 EUR (brutto) im Monat verdient, so würde sich eine "normale" Abfindung auf ungefähr 15.000 EUR belaufen.
Von diesem Regelwert wird u.a. bei folgenden Aspekten abgewichen:
- weniger - im Kleinbetrieb (keine Geltung des KSchG),
- mehr - bei Sonderkündigungsschutz (z.B. Betriebsräte, Schwerbehinderte),
- evtl. nach der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers,
- Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage?
Kündigung durch den Arbeitnehmer
Kündigt der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, besteht ebenfalls kein Anspruch auf eine Abfindung.
Wird er allerdings durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers (z.B. fortdauernde Nichtzahlung des Lohns) zu einer fristlosen Kündigung veranlasst, besteht ein gesetzlicher Abfindungsanspruch als Schadensersatz, § 628 BGB. Im Berufsausbildungsverhältnis gilt § 23 BBiG.
Der Betriebsrat muss hier nicht vorher angehört werden, aber selbstverständlich bestehen die allgemeinen Beratungsrechte und -pflichten (§ 80 Abs. 1 BetrVG).
Die Höhe der Abfindung entspricht hier dem Wert des Verlustes des Arbeitsplatzes.
Abfindung durch Auflösungsurteil
Stellt das Arbeitsgericht im Zuge eines Kündigungsschutzprozesses die Unwirksamkeit der Kündigung fest, kann das Arbeitsverhältnis dennoch auf Antrag des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers aufgelöst werden, wenn dessen Fortsetzung unzumutbar bzw. eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. In diesem Fall ist der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet.
Da dem Auflösungsurteil eine (rechtswidrige) Kündigung vorausging, musste auch hier zuvor der Betriebsrat angehört werden.
Die Höhe der Abfindung ergibt sich aus § 10 KSchG.
Abfindung bei Aufhebungsvertrag/Auflösungsvertrag
Im Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis einvernehmlich – als Pendant zum Arbeitsvertrag - beendet, wird üblicherweise auch eine Abfindung vereinbart.
Sofern der Vertrag nicht wegen unzumutbarer Benachteiligung des Arbeitnehmers angefochten werden kann, haben beide Seiten Gewissheit über die Beendigung, die sich der Arbeitgeber durch die Abfindung erkauft.
Im Hinblick auf den Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen kommen dem Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte zu. In der Praxis kann es jedoch vorkommen, dass er trotzdem zu den Verhandlungen hinzugezogen wird. Dabei sollte er stets auf die möglichen rechtlichen Konsequenzen hinweisen und gegebenenfalls die Hinzuziehung eines Anwalts empfehlen.
Die Höhe der Abfindung wird zwischen den Parteien frei verhandelt, wobei die Grundsätze zur Höhe der Abfindung bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber zugrunde gelegt werden.
Abfindung bei Betriebsänderung
Der Betriebsrat hat bei Betriebsänderungen Informations- und Beratungsrechte sowie einen Anspruch auf Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan, §§ 111, 112 BetrVG.
Nachteilsausgleich
Wurde kein Interessenausgleich versucht oder weicht der Arbeitgeber ohne zwingenden Grund von dem vereinbarten Interessenausgleich ab, können Arbeitnehmer, die infolge dessen entlassen werden, den Arbeitgeber gerichtlich auf Zahlung einer Abfindung in Anspruch nehmen, § 113 BetrVG.
Die Höhe der Abfindung richtet sich hierbei nach den Regeln des Auflösungsurteils gemäß § 10 KSchG.
Ob die Verletzung des Verhandlungsanspruchs über den Interessenausgleich eine weitere Umsetzung der Betriebsänderung verhindern kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Bejahendenfalls könnte dadurch der Druck auf den Arbeitgeber zur Zahlung höherer Abfindungen im Sozialplan verstärkt werden.
Sozialplan
Der Sozialplan dient dem Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung.
Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung wie beim Interessenausgleich beinhaltet dies nicht.
Allerdings ist der Verhandlungsanspruch des Betriebsrates hier – anders als beim Interessenausgleich – über die Einigungsstelle erzwingbar. Der Betriebsrat übt hier echte, erzwingbare Mitbestimmungsrechte aus.
Üblicherweise werden daher in Sozialplänen Abfindungen vereinbart.
Die Höhe der Abfindung ist letztlich Verhandlungssache, wobei die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, die wirtschaftlichen Folgen für die Arbeitnehmer und auch mögliche Transferleistungen der Bundesagentur für Arbeit zu berücksichtigen sind, § 112 Abs. 5 BetrVG. Zudem sind bei der Berechnung Diskriminierungstatbestände (z.B. Alter, Geschlecht, Schwerbehinderung, Teilzeit) zu beachten.
Die „klassischen“ Varianten der Abfindungsberechnung bilden die Faktoren- und die Divisorenformel:
Faktorenformel:
Betriebszugehörigkeit x (mehrfaches oder anteiliges Monatsbrutto z.B. 0,5/ 0,8/ 1,2 (VERHANDLUNG) =
Divisorenformel:
Betriebszugehörigkeit x Alter x Monatsbrutto / 40 (VERHANDLUNG)
Beide Formeln sind nicht im Gesetz geregelt, werden in der Praxis aber angewandt.
Sonstige vereinbarte Abfindungen
Manche Tarifverträge und auch Arbeitsverträge sehen Abfindungsansprüche für Arbeitnehmer vor, die bei einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses anfallen.
Meist – aber nicht immer - ist dies bei Betriebsänderungen infolge von Rationalisierungen der Fall – siehe zuvor.
In diesem Ratgeber finden Sie grundlegendes Wissen für Ihren Arbeitsalltag wie Rechte, Pflichten und Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat sowie wertvolle Praxis-Tipps für die Betriebsratsarbeit.
Besteuerung der Abfindung
Abfindungen sind zum Zahlungszeitpunkt zu versteuern – für sie kommt jedoch gegebenenfalls als steuerbegünstigte Entschädigung nach § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG oder steuerbegünstigte Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gem. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 4 EstG die sogenannte „Fünftel-Regelung in Betracht.
Keine steuerbegünstigten Abfindungen sind Zahlungen, soweit sie bereits entstandene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis für Zeiträume vor dessen Auflösung abgelten
Voraussetzung zur Anwendung der „Fünftel-Regelung“ ist ferner, dass es zu einer Zusammenballung der Einkünfte gekommen ist. Dies bedeutet, dass das Jahreseinkommen mit Abfindung höher ist, als das reguläre Jahreseinkommen ohne Abfindung.
Liegt demnach eine Zusammenballung von Einkünften vor und wird die „Fünftel-Regelung“ angewendet, wird das zu versteuernde Einkommen zunächst ohne den zu versteuernden Teil der Abfindung ermittelt. Diesem zu versteuernden Einkommen wird ein Fünftel des steuerpflichtigen Teils der Abfindung hinzugerechnet und die sich darauf ergebende Einkommensteuer ermittelt. Der Unterschied zwischen den beiden Steuerbeträgen wird mit fünf multipliziert und ergibt somit die zusätzliche Steuer, die auf die Abfindung entfällt.
Nicht selten ist die Berechnung der Steuern auf eine Abfindung nach § 34 Abs. 1 EStG für den Steuerpflichtigen ungünstiger, als eine Versteuerung der Abfindung als gewöhnliches Arbeitsentgelt. Es ist deshalb genau zu prüfen, ob der Antrag beim Finanzamt überhaupt gestellt werden soll. Bei Verheirateten empfiehlt sich außerdem eine Überprüfung, ob in dem Jahr, in dem die Abfindung bezahlt wurde, nicht ausnahmsweise auch eine getrennte Steuerveranlagung der Ehegatten durchgeführt werden sollte.
Sozialversicherung – insbesondere Sperrzeit und Anrechnung auf das Arbeitslosengeld
(Echte) Abfindungen unterliegen nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung, sofern es sich also nicht um scheinbares (bsw. rückständiges) Arbeitseinkommen handelt (dann unechte Abfindungen).
Beim Bezug von Arbeitslosengeld sind jedoch Besonderheiten zu beachten.
Eine Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld kann erfolgen, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde, wobei es für bestimmte nicht ordentlich kündbare Personengruppen (z.B. Betriebsräte) Sonderregelungen gibt.
In diesem Falle wird die Abfindung abhängig von ihrer Höhe, der Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs, dem Lebensalter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit angerechnet.
Hat ein Arbeitnehmer seine Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt, ohne einen wichtigen Grund zur Beendigung zu haben, (z.B. durch einen Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung), kann eine Sperrzeit zum Ruhen und zur Kürzung des Arbeitslosengeldanspruchs führen.
Ein wichtiger Grund zur Kündigung kann aber beispielsweise die Kündigung bei Umzug des einen neuen Arbeitsplatz antretenden Ehepartners sein, oder beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages etwa die drohende betriebs- oder personenbedingte (z.B. bei Krankheit) Kündigung des Arbeitgebers.
Der Betriebsrat sollte auch hier nach entsprechender Schulung seinen Beratungspflichten nachkommen und gegebenenfalls rechtsanwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen.
Pfändbarkeit und Vererbbarkeit
Abfindungen sind pfändbar, § 850 i ZPO.
Verstirbt der Arbeitnehmer vor der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, besteht für die Erben nur dann ein Anspruch auf die Auszahlung der Abfindung, wenn dies zuvor vereinbart wurde. Daher müssen Abfindungen bsw. in gerichtlichen Vergleichen, Aufhebungsverträgen und Sozialplänen unmittelbar für bereits entstanden und vererbbar erklärt werden.