Mitbestimmung bei Versorgungswiderruf

BAG 3 AZR 221/91 vom 10. März 1992

Leitsatz

1. Bei der Teilschließung einer Unterstützungskasse hat der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu beachten.

a. Der Arbeitgeber kann die Mittel, die er für die Altersversorgung seiner Arbeitnehmer über eine Unterstützungskasse zur Verfügung stellen will (Umfang der finanziellen Verpflichtungen, Dotierungsrahmen), mitbestimmungsfrei kürzen. Das führt dazu, daß für die zur Verfügung stehenden Mittel ein neuer Verteilungsplan aufzustellen ist.

b. Der Betriebsrat hat bei der Aufstellung von Grundsätzen mitzubestimmen, nach denen die vom Arbeitgeber (Trägerunternehmen) zur Verfügung gestellten Mittel an die begünstigten Arbeitnehmer verteilt werden sollen.

2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann ausnahmsweise entfallen, wenn es an einem Regelungsspielraum für die Verteilung der verbleibenden Mittel fehlt. Werden jedoch im Rahmen einer Übergangsregelung weitere Mittel verteilt, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten.

3. Ein vom Arbeitgeber oder von der Unterstützungskasse erklärter Widerruf von Versorgungszusagen ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht beachtet hat.

4. Es bleibt offen, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, im Falle einer wirtschaftlichen Notlage (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG) den Pensions-Sicherungs-Verein in Anspruch zu nehmen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die frühere Arbeitgeberin der Kläger die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse wirksam widerrufen hat, bevor über das Vermögen der Arbeitgeberin das Konkursverfahren eröffnet wurde. War der Widerruf wirksam, so steht dem Kläger G keine vom Beklagten zu sichernde unverfallbare Versorgungsanwartschaft zu und die Anwartschaft des Klägers O erreicht einen geringeren Betrag. War der Widerruf dagegen unwirksam, so haben der Kläger G eine unverfallbare und der Kläger O eine höhere Versorgungsanwartschaft.

Der Kläger G ist am 9. Mai 1952 geboren. Er war seit dem 28. Februar 1966 bei der G -Werke AG beschäftigt. Der Kläger O ist am 9. März 1940 geboren und war seit dem 3. Februar 1964 dort tätig. Bei den G -Werken bestand seit 1948 eine Unterstützungskasse in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Die Satzung der Einrichtung wurde mehrfach, zuletzt am 9. September 1982, geändert. Der Verein hat 12 Mitglieder, von denen je sechs vom Vorstand der AG und vom Konzernbetriebsrat berufen werden (§ 3 der Satzung). Organe des Vereins sind die Mitgliederversammlung und der Vorstand (§ 4 der Satzung). Gemäß § 5 Nr. 3 der Satzung beschließt die Mitgliederversammlung über Änderungen der Satzung, sie erläßt Richtlinien über die Gewährung von Leistungen und wählt den Vorstand. Der Vorstand besteht aus fünf Personen, von denen drei auf Vorschlag der G -AG und zwei auf Vorschlag des Konzernbetriebsrats gewählt werden (§ 6 Nr. 1 der Satzung). Der Vorstand führt die Vereinsgeschäfte, verwaltet das Vermögen und bewilligt die Leistungen nach den Versorgungsrichtlinien (§ 7 Nr. 1 der Satzung).

Auch die Leistungsrichtlinien wurden mehrmals geändert. Die zuletzt maßgebliche Fassung vom 31. März 1981 sah endgehalts- und dienstzeitabhängige Leistungen bis zu einer Obergrenze in Höhe des rentenfähigen Einkommens vor (§§ 3, 14 der Richtlinien). § 28 der Richtlinien enthält die allgemeinen und besonderen steuerunschädlichen Mustervorbehalte nach Nr. 41 EStR, insbesondere den Vorbehalt der Einstellung oder Kürzung der Leistungen für den Fall, daß

"c) sich die finanzielle Situation der Unterstützungskasse oder die wirtschaftliche Lage der G -Werke AG nachhaltig so verschlechtern, daß eine Aufrechterhaltung der Leistungen nicht mehr zumutbar ist."

Die G -AG geriet Mitte der achtziger Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das Geschäftsjahr 1985 endete mit einem Verlust von ca. 24 Millionen DM; für 1986 und 1987 wurden weitere Verluste von 25 bis 30 Millionen DM erwartet. In den Jahren 1979 bis 1984 hatte die AG der Unterstützungskasse jährliche Beträge von 1,5 Millionen DM zugewendet. 1985 stellte sie die Zuwendungen ein. Das Kassenvermögen betrug zum 31. Dezember 1985 ca. 21,8 Millionen DM, zum 31. Dezember 1988 noch ca. 14,6 Millionen DM. Die wirtschaftliche Lage der G -AG wurde im Jahre 1986 als bedrohlich bewertet. In einem Gutachten vom 4. März 1987 stellte die Deutsche Treuhand-Gesellschaft fest:

"Noch schwerwiegender ist jedoch, daß der G - AG ab 1988 der Konkurs wegen Überschuldung droht, wenn nicht bis zu diesem Zeitpunkt im Rahmen einer Sanierung die Altersversorgungs-Verpflichtungen .... erheblich reduziert worden sind."

Angesichts der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage entschloß sich der Vorstand der AG, die betriebliche Altersversorgung im Konzern einzuschränken.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1986 teilte die Geschäftsleitung dem Betriebsrat der AG mit:

"...

Für das Geschäftsjahr 1986 erwarten wir einen Verlust von ca. 25 bis 30 Mio DM, was zu einer weiteren Verringerung unseres Eigenkapitals auf 57 bis 62 Mio DM führen wird. Obwohl wir alle nur denkbaren Maßnahmen ergriffen haben, um den Umsatzrückgang zu stabilisieren und die Kosten zu reduzieren, müssen wir auch für 1987 von einem Verlust von ca. 15 bis 20 Mio. DM ausgehen. Damit werden wir am 31.12.1987 voraussichtlich nur noch über ein unzureichendes Eigenkapital verfügen. Dieser Betrag reicht nicht aus, um die bestehenden Versorgungsverpflichtungen aus der Unterstützungskasse, soweit sie über das tatsächliche Vermögen hinausgehen, abzudecken. In Abstimmung mit unserer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Deutschen Treuhand-Gesellschaft, und unserem Berater für Betriebliche Altersversorgung, der Beratungs -GmbH für Altersversorgung Dr. H , sind wir zu dem Schluß gekommen, daß im Rahmen aller Sanierungsmaßnahme auch die betriebliche Altersversorgung einen Beitrag zur Existenzsicherung des Unternehmens leisten muß. Wir sehen uns daher gezwungen, von dem Widerrufsvorbehalt nach § 28 c der Richtlinien der Pensions- und Unterstützungs-Einrichtung der G -Werke AG e.V. Gebrauch zu machen und die folgenden Maßnahmen zu ergreifen:

1. Die Unterstützungskasse wird für alle nach dem 31.12.1986 eintretenden Mitarbeiter geschlossen.

2. Die Versorgungsanwartschaften von Mitarbeitern, die zum 31.12.1986 die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des Betriebsrentengesetzes noch nicht erfüllt haben, werden widerrufen.

3. Alle Versorgungsanwartschaften, bei denen zum 31.12.1986 die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des Betriebsrentengesetzes erfüllt sind, werden nur noch in Höhe des sich nach § 2 BetrAVG errechneten Teilanspruchs aufrechterhalten. Der so errechnete Teilanspruch wird jeweils bei Eintritt eines Versorgungsfalles ohne weitere Erhöhungen unverändert ausgezahlt. Darüber hinausgehende Versorgungsanwartschaften, seien es dienstzeitabhängige oder -unabhängige, werden widerrufen.

4. Mitarbeiter, bei denen bis zum 31.12.1987 entweder ein Versorgungsfall eintritt oder die bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Vorruhestandsmaßnahmen aus dem Unternehmen ausscheiden, werden von diesen Maßnahmen nicht betroffen.

..."

Mit Rundschreiben vom 18. Dezember 1986 wurden die Versorgungskürzungen auch den Mitarbeitern mitgeteilt. Die Unterstützungskasse gab die Kürzungen durch Aushang vom 18. Dezember 1986 bekannt. Zu Verhandlungen mit dem Betriebsrat kam es nicht mehr. Der beklagte PSV wurde nicht eingeschaltet. Am 4. Februar 1989 stellte die AG Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens. Am 28. Februar 1989 wurde das Konkursverfahren eröffnet.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der Widerruf der Zusagen sei unwirksam, weil er ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne vorherige Einschaltung des beklagten PSV erklärt worden sei. Ihre Anwartschaften seien bis zum Sicherungsfall (28. Februar 1989) angewachsen.

Sie haben beantragt festzustellen, daß der Beklagte bei der Berechnung ihrer Versorgungsanwartschaften den 28. Februar 1989 als Stichtag zugrunde legen müsse.

Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Er sieht den 31. Dezember 1986, den Zeitpunkt des Widerrufs, als maßgebliches Datum an. Dieser Widerruf sei wirksam. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats habe nicht bestanden. Da die G -AG den Dotierungsrahmen ihres Versorgungswerks mitbestimmungsfrei bis auf den unangreifbaren gesetzlich geschützten Besitzstand gekürzt, also nur Ansprüche auf laufende Leistungen und unverfallbare Anwartschaften aufrecht erhalten habe, sei kein Regelungsspielraum für einen neuen mitbestimmungspflichtigen Verteilungsplan vorhanden gewesen. Der Umfang des Widerrufs sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Angesichts ihrer krisenhaften wirtschaftlichen Situation sei die G -AG berechtigt gewesen, die Zuwächse zu streichen.

Das Arbeitsgericht hat in ursprünglich getrennt geführten Prozessen unterschiedlich entschieden; es hat die Klage des Klägers G abgewiesen und der Klage des Klägers O stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die beiden Verfahren miteinander verbunden und auch der Klage des Klägers G stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten, der beide Klagen abgewiesen haben will.

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Pensions-Sicherungs-Vereins ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsgericht hat den Klagen zu Recht stattgegeben.

B. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Tag der Konkurseröffnung, also der 28. Februar 1989, das für den Eintritt der Unverfallbarkeit und die Höhe der Anwartschaften maßgebliche Datum ist. Der mit Wirkung zum 31. Dezember 1986 erklärte Widerruf scheitert an der fehlenden Zustimmung des Betriebsrats der G -AG oder des nach § 58 Abs. 1 BetrVG gegebenenfalls zuständigen Konzernbetriebsrats.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Vorstand der Unterstützungskasse habe durch Beschluß vom 18. Dezember 1986, bekanntgemacht durch einen Aushang vom selbem Tag, die den Arbeitnehmern der G -AG erteilten Versorgungszusagen nach Maßgabe der Entscheidung der G -AG als Trägerunternehmen teilweise widerrufen. Dieser Teilwiderruf sei unwirksam, weil er zugleich eine Änderung der Leistungsrichtlinien darstelle, über die gemäß § 5 der Satzung allein die Mitgliederversammlung zu entscheiden habe.

Es kann dahinstehen, ob der Beschluß des Kassenvorstands vom 18. Dezember 1986 als selbständige Entscheidung der Unterstützungskasse verstanden werden kann oder ob dieser Beschluß, wie die Revision meint, nichts anderes war, als der Vollzug der Entscheidung des Trägerunternehmens, Mittel nur noch für die laufenden Renten, die erdienten Beträge der gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften und Versorgungsfälle in der Übergangszeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1987 zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls ist auch der von der Unterstützungskasse ausgesprochene Widerruf wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten dem Arbeitgeber zuzurechnen.

Zudem ist es für eventuelle Ansprüche der Arbeitnehmer gegen die Unterstützungskasse unerheblich, ob die Kasse den Widerruf erklärt, nachdem das Trägerunternehmen, der Arbeitgeber selbst, seine den Arbeitnehmern erteilten Zusagen widerrufen und die Kasse angewiesen hat, die vom Widerruf erfaßten Leistungen nicht mehr zu erbringen. Ungeachtet der finanziellen Ausstattung der Kasse zur Zeit des Widerrufs entscheidet sich, wie § 7 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG zeigt, allein an der wirtschaftlichen Lage des Trägerunternehmens, ob ein Widerruf aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt ist oder nicht.

II. Der Betriebsrat hat nach Schließung einer Unterstützungskasse bei der Aufstellung neuer Verteilungsgrundsätze mitzubestimmen. Die Auffassung des Beklagten, bei dem Widerruf handele es sich ausschließlich um die mitbestimmungsfreie Teilschließung eines Versorgungswerks, trifft nicht zu.

1. Der frühere Arbeitgeber der Kläger hat den Mitarbeitern seines Unternehmens Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse und damit über eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zugesagt. Bei der Ausgestaltung dieser Sozialeinrichtung hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Zur Ausgestaltung gehört die Aufstellung von Grundsätzen, nach denen die vom Trägerunternehmen zur Verfügung gestellten Mittel an die begünstigten Arbeitnehmer verteilt werden.

Andererseits kann der Arbeitgeber die Mittel für die Unterstützungskasse mitbestimmungsfrei einschränken. Er ist berechtigt, die Kasse ganz oder teilweise zu schließen, ohne hierzu die Zustimmung des Betriebsrats einholen zu müssen. Dies folgt daraus, daß der Arbeitgeber mit einem betrieblichen Versorgungswerk freiwillige Leistungen erbringt, die der Betriebsrat weder dem Grunde noch der Höhe nach erzwingen kann.

Entschließt sich der Arbeitgeber, den Umfang der Mittel für die freiwilligen betrieblichen Leistungen zu kürzen und, wenn diese Mittel über eine Unterstützungskasse zur Verfügung gestellt werden, die Unterstützungskasse teilweise zu schließen, so müssen die weiter zur Verfügung stehenden Mittel nach einem neu aufzustellenden Leistungsplan verteilt werden. Es muß dann festgelegt werden, welche Arbeitnehmer in welcher Höhe weiterhin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erwarten haben. Bei der Aufstellung dieses neuen Leistungsplans hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG.

2.Im Streitfall hat die G -AG mit Wirkung zum 31. Dezember 1986 die Versorgungszusagen nur teilweise widerrufen. Sie hat ihr Versorgungswerk nicht vollständig geschlossen, sondern die laufenden Leistungsverpflichtungen und die nach § 1 Abs. 1 BetrAVG unverfallbaren Anwartschaften zum Nennwert am Stichtag aufrechterhalten; sie hat ferner eine Übergangsregelung für die in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1987 eintretenden Versorgungsfälle getroffen und insoweit den bestehenden Verteilungsplan aufrechterhalten. An diesen Maßnahmen hat sie den Betriebsrat nicht beteiligt. Der beklagte PSV ist der Auffassung, es habe kein Mitbestimmungsrecht bestanden, weil die frühere Arbeitgeberin ihre Aufwendungen (den Dotierungsrahmen) bis auf das gesetzlich zulässige Maß abgesenkt habe. Es habe keinen Regelungsspielraum gegeben, den der Betriebsrat hätte erzwingen können.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Ansicht des PSV wäre hier die Beteiligung des Betriebsrats keine pure Förmelei gewesen.

a) Die G -AG hat das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats schon deswegen verletzt, weil sie den Betriebsrat nicht an der von ihr einseitig angeordneten Regelung der Übergangsfälle beteiligt hat. Für rentennahe Jahrgänge wurde eine Sonderregelung im Vergleich zu den übrigen Inhabern von verfallbaren und unverfallbaren Anwartschaften getroffen. Gemäß Nr. 4 des Schreibens der Geschäftsleitung vom 10. Dezember 1986 wurden Mitarbeiter, bei denen bis zum 31. Dezember 1987 entweder ein Versorgungsfall eintrat oder die bis dahin aufgrund von Vorruhestandsmaßnahmen aus dem Unternehmen ausschieden, von den Kürzungsmaßnahmen nicht betroffen, d.h. für diesen Kreis vom Begünstigten wurde die bisher geltende Leistungsordnung unverändert angewendet. Zutreffend hat das Berufungsgericht hierzu ausgeführt, daß insoweit nicht bloß gesetzliche oder rechtlich unangreifbare und feststehende Vorgaben nachvollzogen wurden, die so und nicht anders auch von dem zuständigen Mitbestimmungsorgan hätten hingenommen werden müssen. Die Frage, wann für einen von einem Versorgungswiderruf betroffenen Arbeitnehmer eine besondere, nicht zumutbare Härte besteht, läßt sich nicht im voraus abstrakt und für alle Fälle gültig beschreiben. Die vom Senat in ständiger Rechtsprechung geforderte konkrete Billigkeitskontrolle verlangt die Prüfung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten. Im Zusammenhang mit der Übergangsregelung bestand daher durchaus ein Regelungsspielraum. Die Lösung bedurfte daher der Beteiligung des Betriebsrats und zwingt zur Anerkennung eines von der G -AG nicht beachteten Mitbestimmungsrechts: Es wären auch Regelungen denkbar gewesen, die nicht auf die Rentennähe der vom Widerruf verschonten Jahrgänge abgestellt hätten, zumal diese durch das Festschreiben der Anwartschaften auf den am 31. Dezember 1986 erdienten Teilbetrag der dienstzeit- und gehaltsabhängigen Versorgung ohnehin nicht besonders nachteilig betroffen wurden, sondern nur geringe Einbußen zu befürchten hatten. Man hätte etwa auch daran denken können, individuelle soziale Härten auszugleichen oder, wie im Falle des Klägers G , zur Zeit des Widerrufs zwar noch verfallbare, aber im Wert bereits beträchtliche Anwartschaften zu erhalten. Immerhin hatte der zur Zeit des Widerrufs noch nicht 35 Jahre alte Kläger G bis dahin eine Dienstzeit von nahezu 20 Jahren aufzuweisen, von denen nahezu 14 Jahre versorgungswirksam waren (§ 5 Abschnitt a der Leistungsrichtlinien vom 31. März 1981).

b) Der Senat hat erwogen, im Streitfall ein Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der übrigen Neuregelung des Verteilungsplans anzuerkennen. Der Senat braucht dies jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht zu entscheiden.

Für die Annahme eines Mitbestimmungsrechts auch für Regelungen in Bezug auf die unverfallbaren Anwartschaften spricht, daß sich die G -AG 1986 in einer wirtschaftlichen Situation befand, die einen Konkurs befürchten ließ. Der PSV hat auf das Gutachten der Deutschen Treuhand-Gesellschaft vom 4. März 1987 hingewiesen, das die wirtschaftliche Lage der G -AG als bedrohlich bezeichnete und für das Jahr 1988 einen Konkurs wegen Überschuldung prognostizierte, wenn nicht im Rahmen einer Sanierung auch die betriebliche Altersversorgung erheblich reduziert werde. Damit bestand schon zur Zeit des Versorgungswiderrufs eine krisenhafte Situation, die es hätte angezeigt erscheinen lassen, den PSV in die Pläne für eine Sanierung der G -AG einzubeziehen. Die Beschreibung der wirtschaftlichen Lage der G -AG durch den Beklagten und die Treuhand-Gesellschaft, aber auch der später tatsächlich eingetretene Konkurs, legen die Annahme nahe, daß schon Ende des Jahres 1986 eine wirtschaftliche Notlage bestand, die gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG den Eingriff in insolvenzgeschützte Besitzstände der Arbeitnehmer erlaubt hätte.

Diese Annahme wird dadurch unterstützt, daß die G -AG ihren Widerruf mit dem Hinweis auf § 28 c ihrer Leistungsrichtlinien begründete und damit der Sache nach eine Erschütterung der Geschäftsgrundlage wegen wirtschaftlicher Notlage geltend machte. Darüberhinaus wäre im Fall der G -AG sogar ein Widerruf auch insolvenzgeschützter Versorgungsbesitzstände aus bloß triftigen Gründen in Betracht gekommen, allerdings ebenfalls nach Einschaltung des PSV und Sicherstellung des Insolvenzschutzes.

Insoweit ist die Rechtslage vor dem Widerruf zum 31. Dezember 1986 nicht abschließend geklärt worden. Der PSV ist nicht eingeschaltet worden, obwohl nach dem Gutachten der Treuhand eine deutliche Absenkung der Versorgungslast für ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept unabweisbar erschien.

Hätte die G -AG die unter diesen Umständen naheliegende Entscheidung getroffen und den beklagten PSV um Versicherungsschutz gebeten, gegebenenfalls Klage auf Feststellung der Eintrittspflicht des PSV erhoben (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Satz 4 BetrAVG), so hätte für einen neuen Verteilungsplan eine andere Verteilungsmasse zur Verfügung stehen können. Der PSV hätte - endgültig oder vorübergehend - die Sanierungsbemühungen der G -AG unterstützen können. Dann hätte ein sehr viel weiterer Regelungsspielraum der Betriebsparteien bestanden.

Ob allerdings die G -AG verpflichtet war, den PSV als Sanierungsinstrument im Sicherungsfall der wirtschaftlichen Notlage einzuschalten oder ob sie selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Sicherungsfalls berechtigt war, ihren Widerruf auf die nicht insolvenzgeschützten Anwartschaften zu beschränken, bleibt offen, da es hierauf, wie ausgeführt, für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.

III. Der von der G -AG erklärte Widerruf der Versorgungszusage ist unwirksam, weil die G -AG das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachtet hat. Zwar konnte die G -AG dem Mitbestimmungsrecht durch eine organschaftliche Lösung, mithin eine paritätische Besetzung des zuständigen Kassenorgans genügen (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG). Das zuständige paritätisch besetzte Organ der Unterstützungskasse, die Mitgliederversammlung, hat den Widerruf aber nicht erklärt. Der Vorstand der Kasse, der den Widerruf erklärt hat, war hingegen nicht paritätisch besetzt. Das Mitbestimmungsrecht ist auch im Trägerunternehmen nicht beachtet worden (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Der Betriebsrat der G -AG hat dem Widerruf nicht zugestimmt.

Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts hinsichtlich dieses Teils des neuen Verteilungsplans macht den Widerruf des Verteilungsplans im ganzen unwirksam. Der Erhalt von Rechten auf der einen und deren Entzug auf der anderen Seite sind im jeweiligen Umfang voneinander abhängig, auch wenn, wie bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen, der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei den aufrechtzuerhaltenden Versorgungsaufwand bestimmt. Mit einer Einsparung bei der Übergangsregelung hätten auch nicht insolvenzgeschützte Rechtspositionen der Arbeitnehmer erhalten werden können. Die Sanktion der Verletzung des Mitbestimmungsrechts, die Unwirksamkeit des Widerrufs, muß daher auch insoweit eingreifen, wie Arbeitnehmer betroffen sind, die, wie die Kläger, nicht unter die Übergangsregelung fallen.

Infolge der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ist der Widerruf der Versorgungszusagen unwirksam. Die betroffenen Mitarbeiter können verlangen, daß ihre Versorgungsrechte bis zur Konkurseröffnung (§ 7 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 1 Abs. 4 BetrAVG) als fortbestehend behandelt werden.