Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Europäische Arbeitsrecht lässt sich in Zeiten der Europäischen Union doch aus dem nationalen Arbeitsrecht gar nicht wegreden, insofern verstehe ich den OP NickNick durchaus.
Ein Betriebsrat, der nicht über die Vorgänge auf EU Ebene informiert ist, handelt nach meinem Dafürhalten sehr kurzsichtig; wir müssen doch im Interesse der Belegschaft und der Firma auch in die Zukunft planen (und aus EU Recht wird doch meist sehr zeitnah nationales Recht), insofern sehe ich bei einem Seminar nach § 37 Abs. 6 BetrVG ebenfalls keinen Genehmigungsvorbehalt des Arbeitgebers. Zudem kann es sich bei einem Seminar nach § 37 Abs. 6 BetrVG auch nicht um "Spezialwissen" handeln, üblicherweise werden derlei Seminare eher nach § 37 Abs. 7 BetrVG angeboten und umgesetzt.
Relevant ist nach meinem Ermessen aber die Firmenstrukturierung ( Lieschen Müllers Dorfmolkerei oder ein europaweiter / globaler Konzern?), bei letzterem sollte es einfach zu argumentieren sein, denn schließlich ist man nicht nur Betriebsrat vor Ort, sondern das im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit durchaus auch reisen, und das nicht nur innerhalb es eigenen Konzerns und auch nicht nur als GBR Mitglied (!).
Betrachten wir dazu noch die Arbeitsmarktsituation (europaweiter "Handel mit der Ware Mensch"), hättest Du zudem eine weitere Perle in deiner Argumentationskette, sofern in deinem Betrieb "internationale Mitarbeiter" tätig sind oder es zukünftig sein könnten.
Abrunden kannst Du das auch mit dem AGG, dem GG, ...
Angaben zur Firma wären hilfreich, aber da musst Du dir einfach selbst Gedanken machen, wie du aus der Gesellschaftsform deines Betriebes eine tragfähige Ableitung der Notwendigkeit darstellst. Beispiel: eine deutsche GmbH lässt eher eine regionale Tätigkeit erahnen (muss aber nicht zutreffen, auch diese kann international tätig sein). Aber Du kennst deinen Betrieb ja hoffentlich ;)
Aus deinen Seminarinhalten :
- Betriebsübergangsrichtlinie (§ 613 a BGB)
- Gleichbehandlungsrichtlinien (AGG und GG)
- Arbeitszeitrichtlinien (AzG)
- Richtlinie über befristete Arbeitsverträge (TzBfG)
- Teilzeitrichtlinie (TzBfG)
- Entsenderichtlinie (Entsendegesetz)
- Nachweisrichtlinie (Nachweisgesetz)
- Richtlinie über die Einsetzung eines europäischen Betriebsrates (EBRG)
-> also jeder BR, der seinen Job ernst nimmt, sollte die Themen kennen und nicht nur wissen, dass es derlei gibt. Hierauf würde ich mich manifestieren, wenn dein Arbeitgeber dann noch blockt, würde ich ihm nahelegen, dass euer Beschluß immer noch Rechtskraft hat, solange er nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt des Beschluß über das Seminar per Beschlußersatzverfahren diesen aufgehoben bekommen hat (hat er das Beschlußersatzverfahren eingeleitet?? - falls nicht, hat er seine rechtlichen Pflichten verletzt und kann dir die Teilnahme gar nicht verbieten : -))
§ 37 Abs.6 Satz 1 BetrVG enthält nur den Anspruch der Betriebsratsmitglieder auf bezahlte Freistellung für die Zeit, während der sie an Fortbildungsveranstalungen teilgenommen haben.
Hat der Betriebsrat den o.g. Ablauf hinter sich gebracht, d.h. hat er beschlossen, dass einzelne seiner Mitglieder an einer bestimmten Bildungsveranstaltung teilnehmen sollen, und ist die Teilnahme an dieser Bildungsveranstaltung notwendig im Sinne von § 37 Abs.6 Satz 1 BetrVG, dann muss der Arbeitgeber auch alle Kosten tragen, die aus der Teilnahme an der Bildungsveranstaltung resultieren. Diese Pflicht folgt aus § 40 Abs.1 BetrVG. Dieser Vorschrift zufolge trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten.
Zu den Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen, gehören bei der rechtmäßigen bzw. durch § 37 Abs.6 Satz 1 BetrVG gedeckten Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung insbesondere
-die Seminargebühren,
-Kosten für die Anreise zum Ort der Schulungsveranstaltung
-Kosten für die Übernachtung vor Ort, falls die Schulung auswärts stattfindet und mehrere Tage dauert.
Vorsorglich solltet ihr also noch wie erwähnt im Gremium einen Beschluß auf Beistellung eines Anwaltes fassen, diesen Anwalt per Beschluß auch mit allen nötigen Vollmachten ausstatten und diese Info über den Beschluß dann dem Arbeitgeber zukommen lassen - im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit natürlich ;-)
So ausgestattet kannst Du am Seminar teilnehmen, mit dem eher geringen Risiko, dass dein Arbeitgeber ggf mit der Einbehaltung von Lohn droht (das erledigt dann euer Anwalt vor Gericht). Rein rechtlich bist Du jedenfalls "sauber", solange euer Beschluß zum Seminar Besuch entsprechend der gesetzlichen Vorgaben die Notwendigkeit im betrieblichen Alltag wiederspiegelt und sich tatsächlich dahingehend Aufgaben aufzeigen.
Fazit: es gibt immer wieder Arbeitgeber, die aus Kostengründen den Betriebsräten die Weiterbildungsrechte absprechen und es gibt leider auch genügend Betriebsräte, die sich hierzu einlullen lassen. Unsere Aufgaben indes sind per Gesetz klar geregelt, so dass wir uns hier auch mal gegen den Arbeitgeber durchsetzen müssen.
Je nach berieblicher Gegebenheit und Verhältnis zum Arbeitgeber:
Wenn Du noch etwas Courage aufbringst, dann zeige deinen Arbeitgeber an (Beschluß des Gremiums wäre hilfreich, geht alternativ auch privat oder schriftlich beim Staatsanwalt). Als Betriebsrat hast Du nämlich per Gesetz die Verpflichtung dich zu bilden. Hindert dich dein Arbeitgeber daran, wird es spannend und lehrreich (§119 BetrVG) ;)
Nicht einschüchtern lassen, einfach auf sein RECHT bestehen, dann klappt das schon, schließlich arbeitet ihr auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber ;)
Beste Wüsche