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Grobe Pflichtverletzung des BR
§ 23 BetrVG - II. Ausschluss aus dem Betriebsrat (Abs. 1) - Däubler/Kittner/Klebe (Hrsg.)
Ersatzmitglieder
Rn 17 Die Vorschrift ist entsprechend auf die Ersatzmitglieder anzuwenden, die zeitweilig als Stellvertreter in den BR eingetreten sind und während der Zeit ihrer Zugehörigkeit zum BR eine grobe Verletzung ihrer Amtspflichten begangen haben.
Grobe Pflichtverletzung
19 Als grobe Pflichtverletzungen wurden angesehen:
– Behinderung der BR-Arbeit:
Verhalten, durch das die Funktionsfähigkeit des BR ernstlich bedroht oder lahm gelegt wird (BAG 5. 9. 67, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG); Einschlagen eines Konfrontationskurses gegenüber der BR-Mehrheit, der darauf angelegt ist, die sachliche BR-Arbeit und die Funktionsfähigkeit des BR zu gefährden (BAG 21. 2. 78, AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972); im Einzelnen zum Verbot der Störung und Behinderung § 78 Rn. 7 ff.);
– Beleidigung:
ungerechtfertigte, gehässige Diffamierung von BR-Mitgliedern, ehrkränkende Äußerungen über BR-Mitglieder (LAG Hamm 25. 9. 58, BB 59, 376; LAG Düsseldorf 27. 2. 67, BB 67, 1123, 23. 6. 77, DB 77, 2191; LAG Baden-Württemberg 11. 2. 86, AuR 86, 316, Ls.; ArbG Marburg 28. 5. 99, DB 01, 156), wobei allerdings ein hartes Ringen um die richtige Auffassung auch mit polemischen Argumenten keine Amtspflichtverletzung darstellt; falsche Anschuldigung des AG (LAG München 26. 8. 92, BB 93, 2168: AG hätte BR-Mitglied durch Tätlichkeit zu Fall gebracht); bei der Beurteilung einer Beleidigung ist zu berücksichtigen, dass der AG den BR provoziert hat (ArbG Marburg, a. a. O.);
– Betriebsratssitzung:
unberechtigte Ablehnung eines mit Gründen versehenen Antrages eines Viertels der BR-Mitglieder auf Einberufung einer BR-Sitzung nach § 29 Abs. 3 durch den BR-Vorsitzenden (ArbG Esslingen 21. 5. 64, AuR 64, 249); beharrliche Weigerung, an BR-Sitzungen teilzunehmen (zur Teilnahmepflicht von BR-Mitgliedern § 37 Rn. 33);
– Betriebsversammlung:
wiederholte Unterlassung der Einberufung von Pflichtversammlungen i. S. d. § 43 durch den BR-Vorsitzenden (GL, Rn. 18; HSWG, Rn. 33; HessLAG 25. 2. 93, AiB 94, 404; ArbG Wetzlar 22. 9. 92, AiB 93, 48 = BB 92, 2216) und der Erstattung von Tätigkeitsberichten während eines längeren Zeitraums (Rn. 52; § 43 Rn. 1 ff.);
– Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer:
die Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer verstößt gegen § 75 (Kleveman, AiB 1993, 529 [544]); zum Diskriminierungsverbot § 75 Rn. 7 ff.);
– falsche Angaben:
falsche Angaben eines freigestellten BR-Mitglieds über den Zweck seiner Tätigkeit während der Arbeitszeit außerhalb des Betriebs (BAG 21. 2. 78, AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972; ArbG Berlin 25. 9. 73, BB 74, 231);
– Gewerkschaftsrechte, Rechte einzelner Arbeitnehmer:
Behinderung der Teilnahme des Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft an einer Betriebsversammlung (§ 46 Abs. 1) auf Grund rechtswidrigen Gebrauchs vom Hausrecht durch den BR-Vorsitzenden (ArbG Esslingen 21. 5. 64, AuR 64, 249) sowie sonstige Beeinträchtigungen von Gewerkschaften, wie z. B. durch Nichteinladung eines Gewerkschaftsbeauftragten zur BR-Sitzung. Schließt der BR mit dem AG eine Regelungsabrede im Sinne eines Bündnisses für Arbeit ab, in der sich der BR mit veränderten Wochenarbeitszeiten und einer Veränderung der Vergütung der AN unter der Voraussetzung einverstanden erklärt, dass diese einzelvertraglich einer solchen Arbeitsvertragsänderung zustimmen, so liegt darin – jedenfalls gegenüber den tarifgebundenen AN – eine grobe Pflichtverletzung i. S. des § 23 Abs. 1 BetrVG. In dieser Vorgehensweise ist unter anderem eine Verletzung des durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Vorrangs der Tarifautonomie und damit der Tarifhoheit der Tarifvertragsparteien zu erblicken. Gewerkschaften haben einen Anspruch auf Unterlassung tarifwidriger betrieblicher Regelungen (BAG 20. 4. 99 – 1 ABR 72/98). Trotz der groben Pflichtverletzung kann die Amtsenthebung des BR am – jeweils im Einzelfall festzustellenden – Verschulden scheitern. Eine etwaige Heilung der Pflichtverletzung aus dem Gesichtspunkt des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) scheidet auch dann aus, wenn der AG als »Gegenleistung« für den Vereinbarungszeitraum auf den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen verzichtet hat. Denn der Verzicht auf Kündigungen stellt in Anbetracht der Gesamtumstände keine objektive gleichwertige Leistung dar (ArbG Marburg 7. 8. 96, NZA 96, 1331; Bachner, NZA 96, 1304). Mitglieder des BR sind nicht berechtigt, AN zu sanktionieren, die unter Inanspruchnahme ihres Rechts zur freien Entscheidung eine Änderung ihres Arbeitsvertrags ablehnen (ArbG Freiburg 15. 10. 97 – 6 BV 2/97). Androhung von Nachteilen für einen AN, wenn dieser nicht seine Gewerkschaft wechselt (LAG Köln 15. 12. 00, NZA-RR 01, 371).
– Parteipolitik:
wiederholte parteipolitische Agitation im Betrieb oder Verteilung von Flugblättern parteipolitischen Inhalts innerhalb bzw. außerhalb des Betriebs, sofern dies noch der Betriebssphäre zuzurechnen ist und im Zusammenhang mit der Stellung des BR-Mitglieds steht (BAG 3. 12. 54, 13. 1. 56, AP Nrn. 2, 4 zu § 13 KSchG; 5. 12. 75, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße; 11. 12. 75, AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969, 21. 2. 78, AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972); Behandlung von parteipolitischen Fragen in einer Betriebsversammlung bzw. deren Zulassung, sofern der Betriebsfrieden nachhaltig gestört wird (BAG 4. 5. 55, AP Nr. 1 zu § 44 BetrVG; LAG Düsseldorf 23. 6. 77, DB 77, 2191; im Einzelnen zur parteipolitischen Betätigung § 74 Rn. 27 ff.).
Nicht jede parteipolitische Tätigkeit von BR-Mitgliedern berechtigt jedoch deren Ausschluss aus dem BR (BAG 8. 8. 68, AP Nr. 57 zu § 626 BGB). Das Verbot parteipolitischer Betätigung ist restriktiv zu handhaben. Eine grobe Pflichtverletzung, die einen Ausschluss aus dem BR rechtfertigen könnte, liegt vielmehr im Allgemeinen nur vor, wenn eine parteipolitische Betätigung eine schwere Störung des Betriebsfriedens zur Folge hat (BAG 21. 2. 78, a. a. O.; BVerfG 28. 4. 76, AP Nr. 2 zu § 74 BetrVG 1972; § 74 Rn. 27 ff.), wobei die Grenze zur verfassungsrechtlich geschützten freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) fließend und das allgemeine politische Verhalten im Betrieb, insbesondere des AG, ebenfalls zu würdigen ist (BVerfG 28. 4. 76, AP Nr. 2 zu § 74 BetrVG 1972; ErfK-Eisemann, Rn. 6).
Das Eintreten für Völkerverständigung und gegen Rassismus ist nicht nur erlaubt, sondern spätestens durch die BetrVG-Novell. 2001 sogar geboten, während rassistische Agitation in so grober Weise gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstößt, dass der Ausschluss aus dem BR gerechtfertigt ist.
– Schweigepflicht:
Eine Verletzung der Schweigepflicht ist u. U. als grobe Amtspflichtverletzung anzusehen, wenn sie schwerwiegende Folgen hat oder mehrfach erfolgt (GL, Rn. 14; HSWG, Rn. 29). Nach § 79 unterliegen die BR-Mitglieder zugunsten des UN einer Geheimhaltungspflicht. Zugunsten der AN gilt die Schweigepflicht der BR-Mitglieder nach § 82 Abs. 2, § 83 Abs. 1, § 99 Abs. 1 und § 102 Abs. 2. Darüber hinaus besteht im Allgemeinen keine Rechtspflicht zum Stillschweigen über in einer BR-Sitzung erörterte Angelegenheiten (BAG 5. 9. 67, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG), zumal der BR kein Geheimrat und für seine Arbeit die Kommunikation mit der Belegschaft wichtig und entscheidend ist. Dennoch kommt den behandelten Beratungsgegenständen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des BR vielfach eine »gewisse allgemeine Vertraulichkeit« zu, so dass z. B. die rücksichtslose Preisgabe vertraulicher Informationen oder eines – unter Ausnutzung oder auf Grund der BR-Eigenschaften erlangten – Wissens gegenüber der AG-Seite eine grobe Amtspflichtverletzung darstellen soll (LAG München 15. 11. 77, DB 78, 894 f.). Entsprechendes wird teilweise angenommen für vorzeitige Veröffentlichungen von noch im Stadium der Beratung befindlichen BR-Beschlüssen oder von geschäftsführenden Angelegenheiten, bevor sie im BR selbst beraten wurden (LAG Düsseldorf 27. 2. 67, BB 67, 1123). In Zweifelsfällen sollte ein BR-Beschluss über die Geheimhaltung herbeigeführt werden (im Einzelnen zur Schweigepflicht § 79 Rn. 1 ff.);
– Tätlichkeiten:
Handgreiflichkeiten gegenüber anderen BR-Mitgliedern während einer BR-Sitzung (ArbG Berlin 19. 5. 81, AuR 82, 260). Notwehrhandlungen sind erlaubt und rechtfertigen keinen Ausschluss.
– Tonbandaufzeichnung:
unzulässige Aufzeichnungen des Verlaufs einer Betriebsversammlung auf Tonband (LAG München 15. 11. 77, DB 78, 894 f.);
– Untätigkeit:
ständige Nichtwahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse und Aufgaben, z. B. durch beharrliche Weigerung, an BR-Sitzungen und Abstimmungen im BR teilzunehmen wegen grundsätzlicher Ablehnung der Betriebsverfassung (LAG Mainz 28. 10. 53, BB 54, 129);
– Vorteilsannahme:
Entgegennahme von besonderen, nur dem betreffenden BR-Mitglied zugewandten Vorteilen zum Zwecke der Beeinflussung der Amtsführung oder zur Belohnung einer vorausgegangenen pflichtwidrigen Amtsführung (LAG München 15. 11. 77, DB 78, 894);
– Weitergabe von Unterlagen, Datenschutz:
Weitergabe einer vom AG für vertraulich und betriebsintern erklärten Liste über die Lohngruppenzugehörigkeit von AN an die Gewerkschaft zur Überprüfung der Beitragsehrlichkeit (bedenklich im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BetrVG, BAG 22. 5. 59, AP Nr. 3 zu § 23 BetrVG). Der BR darf nicht ohne weiteres die vom AG elektronisch erfassten Arbeitszeiten der AN namensbezogen den Aufsichtsbehörden mitteilen, weil dies gegen das BDSG verstößt (BAG 3. 6. 03, AiB 04, 184).
–wilder Streik:
Aufruf zu einem »wilden« Streik unter Ausnutzung des BR-Amtes (LAG Hamm 23. 9. 55, BB 56, 41); Beteiligung an einem rechtmäßigen Arbeitskampf unter missbräuchlicher Ausnutzung des BR-Amtes und sachlicher Mittel des BR (Bieback, RdA 78, 82 [92]; GK-Oetker, Rn. 41 m. w. N.; § 74 Rn. 12 ff.), wobei in jedem Einzelfall genau zu prüfen ist, ob ein Missbrauch vorliegt, zumal die Grenze zwischen den Befugnissen eines BR- und eines Gewerkschaftsmitglieds fließend ist (im Einzelnen zum Arbeitskampf § 74 Rn. 12 ff.).