Ich glaube, wir Reden jetzt doch einwenig aneinander vorbei.
Dass es bei einer Suspendierung oder Freistellung nicht mehr um ein MBR geht, ist ja hier schon hinreichend kommuniziert worden. Wo nichts mehr ist, da kann auch nichts mehr mitbestimmt werden. So zumindest der allgemeine Tenor hier. Was ich allerdings so nicht ganz teilen kann und auch in der Rechtsprechung nicht einheitlich so gesehen wird.
Daher kann ich der in dem Link einseitig dargestellten Sichtweise auch nicht so recht folgen. Dazu dann im Folgenden aber mehr.
Zitat Pjöööng: „Die Zuweisung eines neuen Arbeitsgebietes ist mitbestimmungspflichtig, nicht aber der Entzug der Aufgaben.“
Wenn Du hier von einer kompletten Erfassung eines Tätigkeitsbereichs und damit dem Wegfall aller Tätigkeitsfelder ausgehst und dem auch so wäre, würde ich diese Aussage auch unterschreiben. Bei der Formulierung: „Entzug der Aufgaben“, sehe ich aber eben keine allumfassende Tätigkeitsbeschreibung, die das ganze Arbeitsverhältnis umfasst.
Mit dem Wegfall der Aufgaben sind ja nicht automatisch auch alle sonstigen Pflichten entfallen.
Eine Befreiung von der Arbeitspflicht setzt begrifflich ja voraus, dass die Arbeitspflicht "an sich" fortbesteht.
Erfolgt eine Suspendierung oder auch der komplette Entzug von Arbeitsaufgaben nicht während des Auslaufens einer Kündigungsfrist, so ist es teil einer Handlung (erster Teilakt) und bereits als eine Versetzung anzusehen.
Eine Suspendierung ist ja der erste Schritt einer Neuzuweisung eines Arbeitsplatzes und beinhaltet damit das Risiko einer Benachteiligung durch den faktischen Wegfall des Arbeitsplatzes und/oder die Arbeitsübertragung auf Dritte. Daher sollte/müsste hier im ersten Teilakt bereits das Beteiligungsrecht zuerkannt werden, weil der AG die Versetzung schließlich vor ihrer Durchführung dem BR zur Zustimmung zuleiten soll. Diese wäre verspätet, wenn ein erster Teilakt bereits vorgenommen ist.
Erfolgt eine Suspendierung nicht während des Auslaufens einer Kündigungsfrist, besteht das Arbeitsverhältnis ja weiter. Und damit auch ein MBR eines BR bezüglich Veränderungen von Arbeitsbedingungen und Bereichen.
Das Gesetz sieht ja das Vorliegen einer Versetzung bereits dann als gegeben an, wenn die Änderung eines Arbeitsbereichs so erheblich ist, dass sich das Gesamtbild der Tätigkeit dadurch ändert. Unter Änderung des Arbeitsbereichs ist die Veränderung des Arbeitsortes ebenso anzusehen, wie die erhebliche Änderung der Arbeitsaufgabe, die Änderung des Platzes in der betrieblichen Organisation, sowie die erhebliche Änderung der gesamten Arbeitsumstände.
Und bei dem von mir eingestelltem Urteil ist es ja eigentlich egal, worum es hier geht. Wichtig war für mich hier die Grundsatzaussage im Leitsatz:
„Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung durch Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs kann auch darin bestehen, dass dem Arbeitnehmer ein wesentlicher Teil seiner Aufgaben entzogen wird.“
Und das sich hier so einiges ändert, dürfte ja nicht strittig sein.
Da wahrscheinlich nicht alle die Möglichkeit haben, auch alle Urteile einzusehen, stelle ich hier einmal einen Auszug aus einem Beschluss mit genau gegenteiliger Ansicht, zu dem von in Pjöööngs eingestellten Link dargelegten ein.
Arbeitsgericht Minden Beschl. v. 14.08.1996, Az.: 2 BV 19/96
„Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei der Suspendierung einer Arbeitnehmerin; Anforderung an eine betriebsverfassungsrechtliche Versetzung als personelle Einzelmaßnahme; Voraussetzungen an die Suspendierung als betriebsverfassungsrechtliche Versetzung“
In der arbeitsrechtlichen Literatur ist die Frage, ob die Freistellung von der Arbeit (sofern sie nicht mit der Zuweisung von Arbeit in einem anderen Betrieb verbunden ist) eine mitbestimmungspflichige Versetzung darstellt, umstritten. Verneint wird dies beispielsweise von Wolf (in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, Neuwied 3. Auflg. 1989, Grunds. Rdnr. 247) und Kraft (in: Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz. Neuwied 5. Auflg. 1995, § 99 Rdnr. 66) unter Hinweis auf die bereits zitierte Entscheidung des BAG vom 19.02.1991. Dagegen sehen beispielsweise Kittner (in: BetrVG, Kommentar für die Praxis, Köln. 5. Auflg. 1996, § 99 Rdnr. 98) und (Däubler, Arbeitsrecht 1, Reinbeck bei Hamburg, 14. Auflg. 1995, Rdnr. 1051) zumindest in einem Entzug von Kompetenzen, der das Ausmaß einer Persönlichkeitsverletzung annimmt, eine betriebsverfassungsrechtliche Versetzung, beispielsweise wenn ein Angestellter sechs von acht Stunden mit Zeitungslektüre und schlichtem Nichtstun verbringen muß. Fitting/Kaiser/Heither/Engels (in: Handkommentar Betriebsverfassungsgesetz München, 18. Auflg. 1996, § 99, Rdnr. 25) stellen darauf ab, daß der Entzug von bisher wahrgenommenen Aufgaben als erster Schritt für die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs bereits den Beginn einer Versetzung darstellt und damit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliege.
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Nach Ansicht der Kammer kann der "andere Arbeitsbereich" des § 95 Abs. 3 BetrVG auch darin bestehen, daß dem Arbeitnehmer die bisherigen Aufgaben entzogen werden, ohne daß ihm neue, andere Arbeitsinhalte zugewiesen werden.
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Vor dem Hintergrund des Wortlauts des § 95 Abs. 3 BetrVG mag dies zwar zunächst paradox erscheinen. Nach den vorstehenden Ausführungen, insbesondere des BAG in der Entscheidung vom 26.05.1988 dürfte aber wohl Einigkeit darüber zu erzielen sein, daß vom betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff nicht nur Veränderungen des Arbeitsortes, der Arbeitsumstände oder des Platzes in der betrieblichen Organisation erfaßt werden, sondern auch Veränderungen von Arbeitsaufgaben und -inhalten, und zwar sowohl die Hinzufügung von Aufgaben als auch der Entzug von Arbeitsaufgaben als auch die Umschichtung von Arbeitsaufgaben, wobei in der Literatur als Regelgrenze für die Schwelle der Erheblichkeit einer Änderung in der Regel mindestens 20 von 100 der Arbeitsinhalte betroffen sein müssen, damit die "übliche Schwankungsbreite" überschritten wird (zuletzt BAG vom 02.04.1996 a.a.O.).
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Fraglich kann dann nur noch sein, ob der bloße der Entzug von Tätigkeiten ohne Zuweisung anderer Arbeit die Zuweisung eines anderen "Arbeitsbereichs" darstellen kann. Nach Ansicht der Kammer kann der neue Arbeitsbereich eines Arbeitnehmers auch so ausgestaltet sein, daß der Arbeitgeber ihn - innerhalb oder außerhalb des Betriebes - zum Nichtstun verurteilt. Wenn schon der Entzug von Arbeitsaufgaben von mehr als 1/5 die "Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs" darstellen können, so muß dies erst recht für den Entzug von 100 von 100 der Arbeitsaufgaben gelten. Insofern stellt die Suspendierung nur einen Sonderfall der Versetzung dar, der als solcher nicht eigenständig geregelt worden ist. Der Gesetzgeber konnte für den Regelfall davon ausgehen, daß ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer Aufgaben entzieht, diesem in der Regel andere Aufgaben zuweisen wird. Die Zahlung von Vergütung und die Nichtannahme von Arbeit stellt nicht den gesetzlichen Regelfall des Arbeitsvertrages i.S.v. § 611 BGB dar, sondern dessen Ausnahme.
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Entscheidend für die Kammer ist aber, daß § 99 BetrVG die Suspendierung auch von seinem Sinn und Zweck her mitumfaßt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG dient das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG vor allem dem Schutz der Interessen der Belegschaft und daneben auch dem Schutz des einzelnen, von der personellen Maßnahme, insbesondere einer Versetzung, betroffenen Arbeitnehmers (vgl. nur BAG vom 19.02.1991 (a.a.O. m.w.N.)). Die mit der vorübergehenden Herausnahme eines Arbeitnehmers aus einer betrieblichen Einheit möglicherweise verbundenen Nachteile für die verbleibenden Arbeitnehmer (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG), ggf. auch das Erfordernis des Schutzes des von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers vor einer ohne rechtfertigenden Grund erfolgenden Benachteiligung (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG) bestehen unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr als 20 von 100 aber wen er als 100 von 100 der Aufgaben entzieht, oder ob dem Arbeitnehmer sämtliche Aufgaben entzogen werden. Im Gegenteil, das Schutzbedürfnis der Belegschaft wird in dem Maße zunehmen, wie einem Arbeitnehmer ersatzlos Aufgaben entzogen werden, da im Regelfall einer Suspendierung der Arbeitgeber nicht sofort eine Ersatzkraft einstellt und somit die bisher von dem suspendierten Arbeitnehmer geleistete Arbeit von der übrigen Belegschaft in irgendeiner Form mitgeleistet werden muß.