Erstellt am 09.07.2014 um 13:55 Uhr von gironimo
Zu Deiner Grundsatzfrage.
Der BR kann mit einer BV keine gesetzlichen Bestimmungen aushebeln.
Als Beispiel dazu, der Eingangssatz zum § 87 BetrVG: "Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen"
Was die rechtliche Situation angeht, ist natürlich das Thema "Arztbesuch" ein Kapitel für sich und ich möchte nicht im Detail darauf eingehen.
Aber der BR ist jederzeit berechtigt Änderungen einer bestehenden BV zu fordern. Kommt es nicht zu einer gemeinsamen Einigung über die Änderung einzelner Punkte, kann der BR die BV kündigen. In Fragen der Mitbestimmung geht es dann auch nicht allein um die Frage, dass gesetzliche Ansprüche bestätigt werden, sondern um die inhaltliche Gestaltung einer Fragestellung. Es liegt also an Euch Regelungen vorzuschlagen und in der Diskussion umzusetzen, die Ihr für die AN sinnvoll und richtig haltet (sie müssen nur gesetzeskonform sein).
Erstellt am 09.07.2014 um 19:04 Uhr von ganther
Tja bei Gleitzeit eine durchaus denkbare gesetzeskonforme Regelung. Kommt zwar auf die genaue Ausgestaltung an aber nicht ausgeschlossen. D h. Nicht dass ich das als BR wollte....
Erstellt am 10.07.2014 um 09:18 Uhr von Pjöööng
Ich grübele gerade darüber, welche gesetzliche Regelung Du meinst, nach der "die Fehlstunden für JEDEN Arztbesuch" gutgeschrieben werden sollen.
Mir fallen da nur zwei Regelungen ein:
1) Entgeltfortzahlungsgesetz (insbesondere § 3): Bei Vorliegen einer AU erfährt der Arbeitgeber doch gar nicht, wie lange der AN beim Arzt war, kann die Stunden also gar nicht verrechnen. Wenn ein AN eine Woche AU ist, dann ist es für den Arbeitgeber völlig wurscht (und auch nicht erkennbar), ob der AN in dieser Zeit 10 min beim Arzt war, oder 168 Stunden. Der AG hat für diese Woche Entgeltfortzahlung zu leisten.
2) BGB § 616: Wenn hier die Möglichkeit der Nacharbeit geschaffen wird, dann entsteht dem AN ja kein finanzieller Nachteil und somit ist auch der 616 nicht einschlägig.
Zitat (Nijobel):
"Kollege hatte sich den Arm privat verknackst und ist morgens zum Arzt zum Röntgen. Jeder weiß, wie lange das dauert und der Kollege ist trotzdem danach ins Büro gekommen, aus Pflichtbewußtsein, nicht weil er mußte."
Warum "musste" er nicht? Hatte er eine AU-Bescheinigung?
Zitat (Nijobel):
"DAZU gibt es noch eine Ungleichbehandlung, da nicht von jedem Mitarbeiter die Arbeitszeit erfasst wird, so dass diese jederzeit zum Arzt könnten und so weiter, aber die se Fehlstunden nicht nacharbeiten müssen... "
Bloß weil einzelne Mitarbeiter die Möglichkeit haben, den Arbeitgeber zu betrügen, heißt das noch lange nicht , dass hier eine Gleichbehandlung im Unrecht erfolgen muss.
Erstellt am 10.07.2014 um 10:01 Uhr von Nijobel
Hmmm... also der Kollege hätte sich krankschreiben lassen können, wollte aber nicht. Das ist mit :>"und der Kollege ist trotzdem danach ins Büro gekommen, aus Pflichtbewußtsein, nicht weil er mußte."< gemeint.
Entgeltfortzahlung ist klar, aber ihm entstehen Nachteile durch Minusstunden... welche den Kollegen nicht entstehen, deren Arbeitszeit auf Grund von "individuellen Arbeitsverträgen" nicht erfasst werden, da sehen wir als BR eine Benachteiligung....
Schwierig, ich weiß... In diesem Fall war es halt ein notwendiger Arztbesuch, und da gibt es doch Eine oder Andere Urteil drüber.
Zitat von Verdi: " Eine Besonderheit besteht für eine betriebliche Gleitzeitregelung. Hier gilt, dass Arbeitnehmer/-innen für einen Arztbesuch in der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen können, wenn keine ausdrückliche anderweitige Regelung besteht (vgl. LAG Hamm vom 11.12.2001 - 11 Sa 247/11 -, LAG-Report 2002, 134). "
Hier geht es um Besuch WÄHREND der Gleitzeit, dass es da keine Zeitgutschrift gibt, ist klar, aber bei dem Kollegen war es "medizinisch unvermeidbar" während der Kernarbeitszeit...
Ich denke, da wird sich wohl nichts machen lassen und der Kollege muss die Fehlstunden nacharbeiten, und sich beim nächsten Mal krankschreiben lassen.....
( Anmerkung am Rande: so eine Regelung find ich persönlich voll dä...lich , ich habe doch lieber eine Kraft im Hause, welche sich nicht bei jedem Wehwehchen krankschreiben lässt, als denjenigen dann auch noch zu "bestrafen" ) Danke für Eure Meldungen... :-)
Erstellt am 10.07.2014 um 11:49 Uhr von Pjöööng
Zitat (Nijobel):
"Hmmm... also der Kollege hätte sich krankschreiben lassen können, wollte aber nicht."
Dann war er rechtlich auch nicht arbeitsunfähig und er MUSSTE zur Arbeit erscheinen. (Und jetzt bitte keine Diskussion ob ein AN der auf eine AUB verzichtet trotzdem die drei Karenztage "ausnutzen" kann)
Zitat (Nijobel):
"Entgeltfortzahlung ist klar, aber ihm entstehen Nachteile durch Minusstunden... welche den Kollegen nicht entstehen, deren Arbeitszeit auf Grund von "individuellen Arbeitsverträgen" nicht erfasst werden, da sehen wir als BR eine Benachteiligung...."
Solch eine Benachteiligung wäre aber schon mal nur verboten wenn sie diskriminierend wäre. Aber für mich wäre hier eher die Frage, ob diese Kollegen sich dann nicht möglicherweise vertragswidrig verhalten.
Diese Unterscheidung nach Kernarbeitszeit und Gleitzeit kommt ja daher, dass in der Kernarbeitszeit eine Anwesenheitspflicht besteht (und diese kann nicht nachgeholt werden), in der Gleitzeit hingegen nicht (man kann sich die Gleitzeit so legen, dass sie nicht mit dem Arztbesuch der in diese Zeit fällt kollidiert).
Sofern keine eigenständige Rechtsgrundlage geschaffen wurde (also z.B. Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung), wäre Anspruchsgrundlage der § 616 BGB und der kann abbedungen werden...
Ich sehe hier übrigens keine Bestrafung für denjenigen, der sich nicht krankschreiben lässt. Man sollte sich den § 616 BGB mal ganz sorgfältig zu Gemüte führen und überlegen, welchen Schutzzweck dieser erfüllt. Und wenn dieser Schutzzweck auch auf andere Art und Weise erfüllt wird? Warum soll der Arbeitgeber hier einen Schaden davon haben, dass der AN am Wochenende Fußball gespielt hat?