Naja, ganz so einfach ist es denn doch nicht. Neben dem 104er, der hier durchaus zum tragen kommt, könnte auch der 75er ein Thema sein.
Unabhängig davon, ob ein entsprechendes Verfahren hier einen Sinn macht oder nicht, sollte doch die rein rechtliche Ausgangslage hier im Vordergrund stehen und aufzeigen welche Möglichkeiten überhaupt bestehen.
Ob sie dann zur Anwendung kommen, oder auch nicht, ist dann eine ganz andere Geschichte.
Das von @EightBall hier Geschilderte, ist auch kein einseitig, nur auf den Betroffenen reduziertes Thema, sondern durchaus auch eines der gesamten Belegschaft.
Da hier aber keine kurzgefasste Aussage zum Ziel führen würde, bedarf es hierzu wieder einmal eines größeren Kommentars.
Was sagt uns denn der 75er?
Er übernimmt direkt die aus dem Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1, Art. 3 GG und Art. 9 Abs. 3 GG formulierten Grundrechte. Diese setzen für AG und BR Vorschriften, die ihnen Achtung vor der Kompetenz und der Eigenständigkeit der Belegschaft vorschreiben.
Das sind auch elementare Vorgaben für die Amtsführung des BR. So darf z. B. ein BR, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten AN zu schützen hat, keine Entscheidungen über die Köpfe der Betroffenen hinweg treffen. Er hat sie vorher einzubeziehen. Ein BR hat sich bei allen Aufgaben, Entscheidungen und seinem Verhalten, an diesen gesetzlichen Aufträgen zu orientieren.
...Ähnlich verhält es sich hier auch mit dem AGG. Wäre dieses nicht so, würden die dort nicht aufgeführten Gruppen, diesem Schutz entzogen und würden das Gesetz an sich, als widersinnig erscheinen lassen. Was bei der Entstehung ja auch schon hinreichend diskutiert wurde. Diese jetzt aber nur am Rande, da ja gerade hier oftmals nur auf den reinen Gesetzestext abgestellt wird, was so nicht ganz korrekt ist.
Und was bedeutet dieses jetzt für einen BR?
Ein BR hat hier ja nicht nur die Interessen des Einzelnen, sondern auch die der übrigen Betriebsangehörigen zu vertreten. Somit ist es auch kein ausschließlich auf den Betroffenen beschränktes Problem.
Führen Gesprächsangebote, in dem ihm die durchaus bestehenden Kündigungsmöglichkeiten durch den AG aufgrund häufiger Kurzerkrankungen aufgezeigt wurden, und ein angebotenes BEM nicht zu einer Änderung der Abläufe, so kann bei gleichzeitiger Untätigkeit eines AG, durchaus die Notwendigkeit des Ziehens der Möglichkeiten des 104er notwendig und auch angemessen sein.
Die Bestimmung des 104er bezieht sich auf alle in den Betriebsablauf eingegliederten Beschäftigten und schließt den hier geschilderten Fall nicht aus.
Allerdings gehen dann die einem AG hier auferlegten Prüfungspflichten, wie:
1. Feststellung erheblicher wiederholter Fehlzeiten von kurzer Dauer
2. Prognose weiterer Kurzerkrankungen mit dem Ergebnis, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes des zu kündigenden AN insoweit nicht zu erwarten ist und es auch in Zukunft wieder zu erheblichen und wiederholten krankheitsbedingten Fehlzeiten von kurzer Dauer kommen wird.
3. Feststellung erheblicher Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen infolge der wiederholten krankheitsbedingten Fehlzeiten von kurzer Dauer
4. Feststellung, dass eine Vermeidung der Kündigung durch Einsatz milderer Mittel nicht in Betracht kommt.
5. Umfassende Interessenabwägung,
auf einen BR über.
Da eine personenbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG auch sozial gerechtfertigt sein muss, ist im Rahmen des Ultima-Ratio-Prinzips nach Punkt 4. zu prüfen, ob eine Kündigung nicht auch durch andere Mittel - Versetzung, Änderung der Arbeitsbedingungen etc. - vermieden werden kann.
Kommt ein BR auf der Grundlage der hier dann vorliegenden Erkenntnisse zu der Ansicht, dass hier keine andere Regelung eine Änderung bewirkt, so wäre er zur Abwendung von Nachteilen gegenüber den von ihm auch zu vertretenden Betriebsangehörigen, sogar zur Ziehung des 104ers gegenüber dem AG als verpflichtet anzusehen.
So ganz pauschal als nicht zutreffend zu bewerten, ist es also nicht. Auch muss einem BR nicht gleich eine negative Grundhaltung unterstellt werden, wenn er eine solche Möglichkeit ins Auge fasst. Denn letztlich gehört auch dieses zu seinen Aufgaben, auch wenn es nun wirklich das letzte aller Möglichkeiten sein sollte.
Sorry, dass es wieder so lang wurde. Um hier aber wirklich alle Aspekte und Sichtweisen zu berücksichtigen, ist es immer noch zu kurz.