Gut zu wissen: Wer BEM will, muss Krankenrückkehrgesprächen ein Ende setzen!
Der Arbeitgeber lädt einen häufiger oder länger erkrankten Mitarbeiter zu einem BEM-Gespräch. Auf den ersten Blick ein absolut übliches Vorgehen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Bei näherer Betrachtung kann sich solch ein Gespräch aber als das genaue Gegenteil von dem entpuppen, was man üblicherweise erwarten würde. Denn nicht in jedem Gespräch, auf dem „BEM“ draufsteht, steckt auch BEM drin!
Leider kommt es vor, dass Vorgesetzte unter dem Deckmantel des BEM in Wahrheit Krankenrückkehrgespräche führen. BEM-Gespräche und Krankenrückkehrgespräche sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Einzige Gemeinsamkeit: Beide drehen sich um die Ursachen für krankheitsbedingte Fehlzeiten. Dagegen sind die Unterschiede immens:
Krankenrückkehrgespräche:
• Funktion: Kontroll- und Disziplinierungsmaßnahme
• Zielsetzung: krankheitsbedingte Kündigungen vorbereiten, Frühverrentungen einleiten, Fehlzeiten senken
• Freiwilligkeit: Teilnahme verpflichtend
• Beteiligte: meist vier-Augen-Gespräch zwischen einem Vorgesetzten und dem Betroffenen
• Inhalt: Ausübung von Druck auf den Beschäftigten bis hin zur Androhung einer Kündigung
• Charakter: zeichnet sich aus durch Abschreckung und Einschüchterung, wodurch Misstrauen und Ängste entstehen
BEM-Gespräche:
• Funktion: Instrument des betrieblichen Gesundheitsmanagements
• Zielsetzung: bestehende Arbeitsunfähigkeit überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorbeugen und den Arbeitsplatz erhalten
• Freiwilligkeit: Teilnahme freiwillig. BEM geht nur mit Zustimmung des Betroffenen!
• Beteiligte: Beschäftigter mit dem zur Verschwiegenheit verpflichteten BEM-Team oder einem BEM-Manager
• Inhalt: Klärung von Hilfebedarf und -möglichkeiten
• Charakter: zeichnet sich aus durch Dialog und Konsens, um Vertrauen für weitere Maßnahmen zu schaffen
Natürlich existieren beide Gesprächsvarianten nicht immer in der hier beschriebenen Reinform. Fakt ist aber, dass Krankenrückkehrgespräche dem Sinn und Zweck des Betrieblichen Eingliederungsmanagements zu wider laufen. Das Ziel eines jeden betrieblichen Interessenvertreters sollte es deshalb sein, Krankenrückkehrgespräche komplett abzuschaffen.
Damit Krankenrückkehrgespräche nicht unter dem Deckmantel eines angeblichen BEM-Gesprächs geführt werden, sollte die SBV oder ein BR-Mitglied unbedingt dabei sein. Sie können vor allem verhindern, dass Betroffene unter Druck unüberlegt folgenschwere Angaben zu ihrem Gesundheitszustand oder ärztlichen Diagnosen machen.
Darüber hinaus gibt es immer noch viele Firmen, in denen ganz offiziell – oft auf der Grundlage alter Betriebsvereinbarungen – Krankenrückkehrgespräche stattfinden: Entweder mit allen erkrankten Mitarbeitern, weil bislang kein BEM eingeführt wurde. Oder mit Mitarbeitern, deren Arbeitsunfähigkeitszeiten noch unter der 6-Wochen-Grenze liegen, ab der das BEM beginnt. Ist aber erst einmal ein Krankenrückkehrgespräch geführt, so geht damit regelmäßig jegliche Vertrauensbasis für künftige BEM-Gespräche verloren.
Um Krankenrückkehrgespräche für die Zukunft wirksam zu unterbinden, sind die Betriebsräte gefragt. Alte Betriebsvereinbarungen zu Krankenrückkehrgesprächen müssen durch neue zum BEM abgelöst werden!
Zum Nachlesen im Gesetz:
§ 84 Abs. 2 SGB IX: Betriebliches Eingliederungsmanagement (Link)
Der Arbeitgeber ist laut § 84 Abs. 2 SGB IX zu einem BEM verpflichtet, wenn ein Beschäftigter im Laufe des letzten Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Um den betreffenden Personenkreis zu ermitteln, werden monatlich Auswertungen über die Krankenstände der Mitarbeiter von der zuständigen Personalstelle erhoben.
Die betroffenen Mitarbeiter werden schriftlich eingeladen. Diese Einladung bedeutet, dass das Verfahren ein freiwilliges Angebot darstellt. Dem Anschreiben wird in der Regel ein Rückmeldebogen beigefügt, indem angekreuzt werden kann, ob dieses Angebot angenommen wird oder nicht. Auch kann der Beschäftigte angeben, welche Beteiligte er beim Erstgespräch dabei haben möchte.
Sollte das Angebot abgelehnt werden, wäre das Verfahren an dieser Stelle abgeschlossen. Der Arbeitgeber hätte dann die Möglichkeit zu prüfen, ob weitergehende Maßnahmen außerhalb des BEM (z.B. arbeitsrechtlicher Natur) zu ergreifen sind