Ich bin Betriebsratsmitglied in einem Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern in Deutschland. Vor einem Jahr hat unser Betriebsrat entdeckt, dass wir ein nach OHSAS 18001:2007 zertifiziertes Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) haben. (Der Betriebsrat war entgegen §89 BetrVG nicht in die Zertifizierung mit eingebunden.) Wir sind nun zwar spät dran, scheinen aber trotzdem erst einer der wenigen Betriebsräte in Deutschland zu sein, die das Thema AMS ernst nehmen und auch hier die Mitbestimmung durchsetzen.

Wir haben auch herausgefunden, dass die Zertifizierung fehlerhaft war, obwohl sie von einer akkreditierten Zertifizierungsgesellschaft durchgeführt wurde. Auch gab es keinen Abweichungsbericht, der das Fehlen des mitbestimmten Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz moniert. Die Zertifizierungsgesellschaft war auch nie daran interessiert, die unzureichende Umsetzung des Kapitels zur Mitbestimmung in OHSAS 18001:2007 mit dem Betriebsrat zu besprechen. Lässt die Zertifizierungsgesellschaft auch in anderen Unternehmen offensichtliche Abweichungen durchgehen? Problematisch sind auch interne Audits, wenn sich die zu auditierende Abteilung selbst auditiert, also die in ISO 19011 geforderte Unabhängigkeit nicht gegeben ist.

Wir nahmen bisher nur an unternehmerinitiierten Begehungen durch die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft sowie an den üblichen Sicherheitsbegehungen teil, aber interne Audits, Kundenaudits und Zertifizierungsaudits wurden ohne Betriebsratsbeteiligung durchgeführt. Dabei gehört das zur Systemkontrolle, derentwegen die behördliche Aufsicht meint, sie sei "entlastet" (LV 54). Teile der Aufsicht wurden also gewissermaßen "privatisiert". Hier scheint von den Arbeitgebern eine Methode gefunden worden zu sein, entgegen §89 BetrVG die Mitbestimmung im Arbeitsschutz zu beeinträchtigen und nach Regeln zu arbeiten, die nicht aushangpflichtig sind und von der Arbeitnehmervertretung käuflich erworben werden müssen. (ILO-OSH und OSHAS sind kostenlos, aber persönlich halte ich OHSAS 18001 für den fortgeschrittensten AMS-Standard.)

Die Schwächung der Mitbestimmung durch Systemkontrolle funktioniert aber nur, wenn die Betriebsräte sich von vermeintlich komplizierten Systemen abschrecken lassen. Vielleicht haben die Initiatoren der Entlastung der behördlichen Aufsicht (durch eine nur formal funktionierende aber nicht wirklich "gelebte" Systemkontrolle) ja auch auf die Überforderung der Arbeitnehmervertretungen gewettet. Wir machen da nicht mehr mit und setzen nun unsere Teilnahme an AMS-Audits und die Herausgabe der verschiedenen Auditberichte durch.

Anmerkung: Ein Beschluss der 74. Konferenz der Arbeits- und Sozialminister (1997, TOP 5.5 “Systemkontrolle im Arbeitsschutz auf der Grundlage von Management- und Auditsystemen für Arbeitsschutz und Anlagensicherheit”) und auch Punkt 5. im Anhang der LV 54 (2011, Veröffentlichung des Länderausschuss für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit) zeigen, welche Auswirkungen die Systemkontrolle auf die behördlichen Aufsicht hat. Was bedeutet es, wenn die Systemkontrolle nicht mitbestimmt gestaltet und durchgeführt wird?

Frage: Wir möchten im Betriebsrat die Qualifikation erwerben, interne Audits für OHSAS 18001 durchzuführen. Es gibt schon Anbieter dafür, aber keine, die wirklich arbeitnehmerorientiert sind. Hat W.A.F. da etwas auf der Pfanne?