WolfgangP nimm doch die BAG Entscheidung
http://www.betriebsraete.de/bag-1997/7%20ABR%2040-96.txt
Gericht: BAG
Aktenzeichen: 7 ABR 40/96
Datum: Beschluß vom 12.02.97
Vorinstanz:
Vorinstanz: I. Arbeitsgericht Hamm - Urteil vom 2. März 1995 - 4 BV 40/94 -;
II. Landesarbeitsgericht Hamm - Urteil vom 27. März 1996 - 3 TaBV 70/95
Normen
- BetrVG § 38 Abs. 1, § 37 Abs. 2, § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1
Leitsätze
Leitsätze:
»1. Die zeitweilige Verhinderung einer freigestellten Betriebsratsmitglieds
infolge seiner Zugehörigkeit zum Gesamtbetriebsrat berechtigt den Betriebsrat
nur unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 BetrVG, eine anteilige
Freistellung eines weiteren Betriebsratmitglieds zu verlangen.
2. Die weitere Freistellung kann dann erforderlich sein, wenn die Aufgaben des
Betriebsrats auch nach einer zumutbaren betriebsratsinternen Umverteilung
durch die anderen Betriebsratsmitglieder nicht erledigt werden können und
feststeht, daß eine Arbeitsbefreiung einzelner Betriebsratsmitglieder aus
konkretem Anlaß nicht ausreicht.«
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über eine staffelübersteigende teilweise
Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen der chemischen Industrie. Sie
beschäftigt in ihren Werken U. ca. 1.400 Arbeitnehmer. Der dort im April 1994
gewählte Betriebsrat besteht aus 15 Mitgliedern, von denen drei kraft Gesetzes
freigestellt sind. Gewählt wurde auch eine Arbeitnehmerin, die dem Betriebsrat
von der Arbeitgeberin für die Erledigung von Schreibarbeiten zur Verfügung
gestellt worden war.
Nach der Wahl des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden zum Vorsitzenden des
Gesamtbetriebsrats wendet dieser ca. 20 % seiner Arbeitszeit zur Führung der
Geschäfte des Gesamtbetriebsrats auf. Daraufhin beschloß der Betriebsrat die
pauschale Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds. Eine Einigung mit
der Arbeitgeberin kam nicht zustande.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Mindeststaffel des § 38
BetrVG berücksichtige nicht den zeitlichen Aufwand eines freigestellten
Betriebsratsmitglieds mit überbetrieblichen Angelegenheiten des
Gesamtbetriebsrats. Daher erfordere die ordnungsgemäße Erledigung von
Betriebsratsaufgaben zwingend eine anteilige ständige Freistellung eines
weiteren Betriebsratsmitglieds.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Arbeitgeberin verpflichtet ist, neben den drei
Freistellungen einschließlich der Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden
ein weiteres Betriebsratsmitglied zu 20 % von der beruflichen Tätigkeit
freizustellen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat gemeint, eine zusätzliche generelle Freistellung könne nach § 37 Abs.
2 BetrVG ohne konkrete Darlegung der Erforderlichkeit nicht verlangt werden.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die
Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde
verfolgt der Betriebsrat sein Antragsziel weiter, während die Arbeitgeberin
die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Betriebsrat hat nicht dargelegt,
daß eine die Mindeststaffel des § 38 Abs. 1 BetrVG übersteigende teilweise
Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 2 BetrVG
erforderlich ist.
1. Ein Anspruch auf teilweise Freistellung eines weiteren
Betriebsratsmitglieds folgt nicht aus § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Danach ist
eine von der Betriebsgröße abhängige Mindestzahl von Betriebsratsmitgliedern
für die jeweils laufende Amtsperiode von der Arbeit freizustellen. Bei einer
regelmäßigen Beschäftigtenzahl von ca. 1.400 Arbeitnehmern kann der
Betriebsrat die Freistellung von drei Betriebsratsmitgliedern verlangen.
Diesen Anspruch hat die Arbeitgeberin erfüllt. Neben dem
Betriebsratsvorsitzenden hat sie zwei weitere Betriebsratsmitglieder von ihrer
Arbeitspflicht befreit.
Die zeitweilige Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden durch die
Geschäftsführung für den Gesamtbetriebsrat führt nicht zu einem Unterschreiten
der Mindeststaffel. Denn auch eine zeitweilige Verhinderung läßt dessen
Rechtsstellung als freigestelltes Betriebsratsmitglied unberührt (BAG,
Beschluß vom 22. Mai 1973 - 1 ABR 26/72 - AP Nr. 1 zu § 38 BetrVG 1972, zu III
1 der Gründe, ständige Rechtsprechung). Zusätzliche Freistellungen stehen dem
Betriebsrat nur unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 BetrVG zu (BAG,
Beschluß vom 26. Juli 1989 - 7 ABR 64/88 - BAGE 63, 1 = AP Nr. 10 zu § 38
BetrVG 1972; BAG, Beschluß vom 26. Juni 1996 - 7 ABR 48/95 - AP Nr. 17 zu § 38
BetrVG 1972).
2. Die teilweise ständige Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds
kann nach § 37 Abs. 2 BetrVG geboten sein. Der Betriebsrat hat allerdings die
Voraussetzungen dafür nicht dargelegt.
a) Die Arbeitsbelastung des freigestellten Betriebsratsvorsitzenden durch
seine Funktion als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats kann die Notwendigkeit
der Arbeitsbefreiung eines weiteren Betriebsratsmitglieds begründen. Der
Betriebsrat ist nicht gehalten, eine ihm zustehende Freistellung ganz oder
teilweise für die Erledigung von Aufgaben des Gesamtbetriebsrats zu verwenden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG beruht die Freistellungsregelung des
§ 38 Abs. 1 BetrVG auf der Vermutung des Gesetzgebers, nach der in den
Betrieben der darin genannten Größenordnung regelmäßige Betriebsratsarbeit in
einem solchen Umfang anfällt, daß sie die Arbeitszeit eines oder mehrerer
Betriebsratsmitglieder in vollem Umfang in Anspruch nimmt (BAG, Urteil vom 31.
Mai 1989 - 7 AZR 277/88 - AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972, zu 3 der Gründe). Es
handelt sich um eine pauschalierende Regelung zur Arbeitsbefreiung, die
ausschließlich der Erledigung von Betriebsratsaufgaben dient. Dazu zählt nicht
die Tätigkeit für den Gesamtbetriebsrat. Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat
sind unterschiedliche betriebsverfassungsrechtliche Organe mit eigenständigen
und voneinander unabhängigen Aufgabenstellungen. Während der Betriebsrat die
gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer eines Betriebes ist,
erstreckt sich die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auf die Behandlung von
Anliegen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und gerade
nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb der Betriebe geregelt werden
können (§ 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Dafür billigt § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
dem Gesamtbetriebsrat und seinen Mitgliedern einen eigenständigen Anspruch auf
Arbeitsbefreiung zu, der unabhängig von den Verhältnissen in den jeweiligen
Einzelbetriebsräten zu beurteilen ist.
b) Bei einer Abweichung von dem in § 38 Abs. 1 BetrVG geregelten Normalfall
muß der Betriebsrat eine Arbeitsbelastung des gesamten Betriebsrats
beschreiben, die eine zusätzliche ständige Freistellung erforderlich macht.
Aus seinem Vorbringen muß ersichtlich werden, daß die Möglichkeit einer
Arbeitsbefreiung weiterer Betriebsratsmitglieder aus konkretem Anlaß und die
Vertretung durch ein Ersatzmitglied nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht
ausreichen, die anfallenden Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß bewältigen zu
können (BAG, Beschluß vom 26. Juli 1989, aaO., zu B II 2 b der Gründe). Ist
ein freigestelltes Betriebsratsmitglied durch die Wahrnehmung einer Funktion
in einem anderen betriebsverfassungsrechtlichen Organ an einem zeitlich
feststehenden Umfang an der Erledigung von Betriebsratsaufgaben verhindert,
folgt daraus nicht zwingend die Notwendigkeit einer entsprechenden weiteren
Freistellung eines anderen Betriebsratsmitglieds. Vielmehr muß erkennbar sein,
daß die Aufgaben auch nach einer zumutbaren betriebsratsinternen Umverteilung
durch die anderen Mitglieder des Betriebsrats nicht erledigt werden können und
deswegen eine weitere Freistellung unumgänglich ist.
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Betriebsrats nicht. Nach den
mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts hat er sich darauf beschränkt, die derzeitige und
künftige zeitliche Belastung des Betriebsratsvorsitzenden in seiner Funktion
als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats zu beschreiben. Angaben über das
Ausschöpfen von Optimierungsmöglichkeiten in der Betriebsratsarbeit fehlen.
Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine Arbeitsbefreiung
einzelner Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG aus konkreten Anlaß
nicht ausreichen soll, den zeitlich begrenzten Ausfall des freigestellten
Betriebsratsvorsitzenden auszugleichen. Der Betriebsrat ist zwar in der
Organisation seiner Betriebsratsarbeit frei und keinen Weisungen unterworfen.
Doch kann er nicht durch das Unterlassen zumutbarer organisatorischer
Maßnahmen die Notwendigkeit einer zusätzlichen ständigen Freistellung
begründen.
3. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die dem Betriebsrat von
der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Bürokraft, die selbst dem
Betriebsrat angehört, nicht auf die durch § 38 Abs. 1 BetrVG vorgegebene
Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder anzurechnen. Insoweit erfüllt
der Arbeitgeber einen Anspruch des Betriebsrats aus § 40 Abs. 2 BetrVG, der in
keinem Zusammenhang mit einer Arbeitsbefreiung einzelner
Betriebsratsmitglieder zur Durchführung von Betriebsratsarbeiten steht.
Themengebiete
- Arbeitsrecht
- Betriebsverfassungsrecht
- Betriebsrat
- Geschäftsführung des Betriebsrats
- Freistellung von Betriebsratsmitgliedern
Die Teilnahme an zeitgleichen Vorstellungsgesprächen, sehe ich NICHT als Verhinderung, da kein BR Gremium und es ggf nur ein Teilnahmerecht gibt.
Es gibt nur ein Infos/Auskunfsrecht über den Inhalt. Dieses kann man nutzen um mit dem AG ein Teilnahmerecht zu verhandeln um den Prozess der Info auch für den Ag einfacher zu machen.
BR-Info über Bewerbungsgespräche
Der Betriebsrat hat Anspruch, über die wesentlichen Inhalte von Bewerbungsgesprächen informiert zu werden. Das hat das BAG jetzt entschieden und ausgeführt: „Wenn der Arbeitgeber eine Auswahlentscheidung auf zuvor geführte Vorstellungsgespräche stützt, so gehört zur Auskunft nach § 99 BetrVG, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat über den für seine Entscheidung bedeutsamen Inhalt dieser Gespräche unterrichtet“. (BAG Beschluss vom 28.06.2005 - 1 ABR 26/04).
Da in den Betrieben immer wieder Streit entsteht, ob der BR an Vorstellungsgesprächen teilnehmen kann, hilft diese Entscheidung, die notwendige Auskunft gleich „an der Wurzel“ zu bekommen.