Diese Diskussion hatten wir doch schon einige Male.
@rkoch
So ganz gehe ich hiermit nicht konform
So wie es sich hier darstellt, erweckt es den Eindruck dass es abschließend ist. Dem ist aber nicht so.
Im hier geschilderten Fall mag es vielleicht zutreffen, Tarifbindung einmal vorausgesetzt.
Nicht aber wenn keine Tarifbindung besteht. Besteht diese nicht, geht das Mitbestimmungsrecht des BR nach § 87 BetrVG der Speerwirkung des § 77 BetrVG vor. Näheres hierzu im nachstehenden Kommentar.
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>Alle AN können deshalb ihren vollen Lohn einklagen. Voraussetzung ist i.d.R. allerdings, dass sie ihre "Arbeitsleistung anbieten", also erklären nicht kürzer arbeiten zu wollen. Ansonsten könnte das als konkludentes Handeln, also ein Einverständnis zum Lohnverzicht, gedeutet werden.<
Dies ist so nicht korrekt.
Niemand braucht hier mit einer Fahne rumlaufen, mit der er permanent bestätigt das er nichts geändert haben möchte. Aus der Tatsache, dass er zur Arbeit erschienen ist und ganz normal seiner Tätigkeit nachgeht ohne sich in irgendeiner Form zu Äußern, kann nicht als konkludentes Handeln im Sinne einer Zustimmung angesehen werden. Dieses würde in diesem Fall die Rechtsgrundsätze ins Gegenteil verkehren.
Einmal davon abgesehen dass hier eine generelle Kollektive Regelung beabsichtigt ist, würde es bei einer Individuellen eine Änderungskündigung voraussetzen. Auf dieser könnte/müsste der einzelne dann Aktiv Reagieren, nicht aber auf die Kollektive. Hier reagiert in erster Linie der BR. Sollte diese Fehlerhaft sein, kann immer noch durch einen Teil der Belegschaft, hier im Kollektiv, das AG angerufen werden. Nur wenn einige wenige von einer Änderung betroffen sind hat es einen Individuellen Status.
D. H., ein konkludentes Handeln kann nur durch vorhergehende Rechtsgültige Handlungen entstehen.
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„ In meiner Abteilung wurde schon Überstunden für diese Zeit angekündigt, die wir dann wieder abfeiern dürfen.... „
> Das wiederum schließt allerdings Kurzarbeit aus. Kurzarbeit ist nur zulässig für Zeiten in denen tatsächlich ein Arbeitsausfall eintritt. <
Auch dieses ist so nicht ganz korrekt.
Einmal davon abgesehen dass Kurzarbeit immer beantragt werden kann, kommt sie erst zum tragen, wenn sie wirklich anfällt/durchgeführt werden soll.
Hier wird nicht nur von Betrieben und Betriebsteilen ausgegangen sondern auch von einzelnen Abteilungen. Es kann also durchaus sein, dass bis auf eine Abteilung, für den restlichen Betrieb Kurzarbeit durchgeführt wird. Es kann auch sein, das von 10 Abteilungen nur eine Kurzarbeitet. Dies schließt Überstunden in anderen Abteilungen nicht aus.
Hier war ich auch einmal anderer Meinung, musste mich aber von der ARGE belehren lassen.
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Nachfolgend der eingangs angekündigte Kommentar:
Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung
Zu Abs. 3: § 77 Abs. 3 BetrVG soll - so die herrschende Meinung - dazu dienen, dass die Tarifautonomie gewahrt wird und dass keine Konkurrenz zwischen Betriebsrats- und Gewerkschaftstätigkeit auf betrieblicher Ebene entsteht. Betriebsvereinbarungen sollen nicht Tarifverträge aushebeln können. Der Betriebsrat soll grundsätzlich nicht Regelungen treffen können, die Sache der Tarifvertragsparteien sind, es sei denn, der Tarifvertrag enthält eine Öffnungsklausel (§ 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). "Betriebliche Bündnisse", mit denen tarifliche Rechte unterlaufen werden sollen, scheitern an § 77 Abs. 3 BetrVG. Deshalb schließt diese Vorschrift Betriebsvereinbarungen nicht nur dann aus, wenn die Arbeitsentgelte und die sonstigen Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag geregelt sind, sondern auch dann, wenn diese Arbeitsentgelte und Arbeitsbedingungen "üblicherweise" durch Tarifvertrag geregelt werden.
Daraus folgt: Zum einen sind Betriebsvereinbarungen unzulässig, wenn sie Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen (z.B. Urlaubsregelungen, Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, bzw. die mit der Vergütung korrespondierende Arbeitszeit) regeln sollen und wenn in dem fraglichen Betrieb ein Tarifvertrag gilt, der dazu ebenfalls Regelungen enthält. Zum anderen gilt diese Sperre für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen aber auch, wenn Derartiges in einem Tarifvertrag geregelt ist, wenn der Arbeitgeber aber im konkreten Falle mangels Mitgliedschaft nicht der Tarifbindung unterliegt. Denn hier gilt zwar kein Tarifvertrag; in dem Bereich, dem der fragliche Betrieb angehört, sind diese Dinge aber "üblicherweise" durch Tarifvertrag geregelt. Dasselbe muss schließlich gelten, unabhängig davon, ob der konkrete Arbeitgeber der Tarifbindung unterliegt oder nicht, wenn im Geltungsbereich des betreffenden Tarifvertrages "üblicherweise" die jeweiligen Gegenstände tariflich geregelt werden, dies nur gerade jetzt nicht der Fall ist, weil etwa der Urlaubstarifvertrag ausgelaufen ist und man sich über einen neuen noch nicht hat einigen können usw. Es gibt in § 77 Abs. 3 BetrVG zwei Sperren für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung: wenn Arbeitsbedingungen aktuell von einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt sind, sowie, wenn sie in Bezug auf den fraglichen Betrieb "üblicherweise" durch Tarifvertrag geregelt werden.
Abgesehen davon, dass diese Vorschrift nicht sonderlich glücklich formuliert ist, erweckt sie auch den Anschein, dass sie zu einer "Schutzlücke" im Hinblick auf die Arbeitnehmer führt. Denn wenn der Betriebsrat schon dann keine Betriebsvereinbarungen abschließen darf, wenn ein Regelungsgegenstand nur "üblicherweise" von einem Tarifvertrag gestaltet wird, es im konkreten Falle aber nicht ist, scheint es niemanden auf Arbeitnehmerseite zu geben, der sich des Problems annehmen könnte. Dies ist aber nur zum Teil richtig. Denn die zweite Sperre für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen, wenn tarifliche Regelungen nur "üblicherweise", nicht aber im konkreten Falle getroffen werden, wird zugunsten der Mitbestimmung des Betriebsrats durchbrochen für alle Gegenstände, die gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG der Mitbestimmung unterliegen. Denn nach dessen Eingangssatz ist die Mitbestimmung in diesen Fällen nur dann unzulässig, wenn ein Gegenstand in dem betreffenden Betrieb tatsächlich tariflich geregelt ist, nicht schon dann, wenn dies üblicherweise der Fall ist.
Beispiel:
In einem bundesweit agierenden Forschungsunternehmen, das von öffentlichen Mitteln lebt und dem öffentlichen Dienst zuzurechnen ist, das keinem Arbeitgeberverband angehört, und das auch keinem "Haustarifvertrag" unterliegt, das aber den einschlägigen Tarifvertrag freiwillig befolgt, soll durch Betriebsvereinbarung die wöchentliche Arbeitszeit verlängert werden. Da die Arbeitszeit in dem fraglichen Bereich "üblicherweise" durch Tarifvertrag geregelt wird, scheitert die Absicht, insoweit eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, hier an § 77 Abs. 3 BetrVG; Die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hilft dabei nichts, weil sie diesen Fall nicht erfasst.
Soll dagegen in diesem Unternehmen durch (Gesamt-)Betriebsvereinbarung eine Vergütungsordnung eingeführt werden, so ist die Situation anders. Zwar ist auch dies eine Angelegenheit, die hier "üblicherweise" durch Tarifvertrag geregelt ist. Doch wird diese Angelegenheit auch von der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst. Da insoweit hier ein wirksamer Tarifvertrag nicht besteht, geht das Mitbestimmungsrecht des § 87 BetrVG der Regelungssperre aus § 77 Abs. 3 BetrVG vor.
Im Ergebnis gelten daher folgende Ausnahmen vom "Tarifvorbehalt" des § 77 Abs. 3 BetrVG:
1. Soweit die jeweiligen Tarifverträge Öffnungsklauseln enthalten, ist es dem Betriebsrat freigestellt, insoweit vom Tarifvertrag abweichende Regelungen mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren.
2. Von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG, zweite Alternative ("üblicherweise geregelt werden"), werden Betriebsvereinbarungen nicht erfasst, die im Rahmen der zwingenden Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG zustande kommen.
3. Nach § 112 Abs. 1 BetrVG können Sozialpläne gänzlich ohne die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG abgeschlossen werden, dürfen auch Dinge anders regeln, die im geltenden Tarifvertrag bereits geregelt sind.
4. Hat ein Betriebsrat eine danach "ungültige" Betriebsvereinbarung abgeschlossen, ist diese in eine Gesamtzusage des Arbeitgebers an die Belegschaft umzudeuten. Der kollektivrechtlich ungültig geregelte Tatbestand wird Teil des Einzelarbeitsvertrags. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber mit seiner Zusage irrtümlich gegen die gesetzlichen Bestimmungen des § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen hätte. Wusste er dagegen, dass er mit der getroffenen Regelung über den maßgebenden Tarifvertrag hinausgehen würde, ist davon auszugehen, dass er diese Leistung unter allen Umständen hatte erbringen wollen. Die Folge davon ist eine Gesamtzusage ( BAG, 24.01.1996 - 1 AZR 597/95 ; siehe hierzu Fitting, § 77 BetrVG Rn. 106).
Die Sperrwirkung der "üblicherweise" tarifvertraglichen Regelung muss grundsätzlich eng und fallbezogen aufgefasst werden. Zwar sind Arbeitsentgelte in den verschiedensten Formen (Lohn, Gehalt, Prämien, Deputat usw.) üblicherweise in Tarifverträgen geregelt, das heißt aber nicht, dass auch andere betriebsspezifische - oder generell alle - Entlohnungsformen (Erfolgsbeteiligung, Funktions-, Schmutzzulagen usw.) von der Sperrwirkung erfasst werden. Wenn materielle Arbeitsbedingungen üblicherweise in Tarifverträgen geregelt sind, aber speziell die eine Angelegenheit nicht, so steht dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich nichts entgegen. Sinnvoll ist es, den konkreten Fall jeweils mit der zuständigen Gewerkschaft abzuklären.
Ein gewerkschaftspolitischer Ansatz könnte sein, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen enger zu verzahnen und in den Tarifverträgen konkret umschriebene Öffnungsklauseln zu vereinbaren (§ 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Darin bestünde der beste Schutz dagegen, dass tarifliche und betriebliche Lohnpolitik auseinanderklaffen. Mit den Öffnungsklauseln könnte eine enge Kooperation zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft durchgesetzt werden (z.B. Zustimmung zu Betriebsvereinbarungen über Lohnbestandteile durch die Gewerkschaft).