Erstellt am 15.11.2012 um 07:16 Uhr von Watschenbaum
bisher existiert erst eine Pressemeldung, der Volltext des Urteils bliebe abzuwarten
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&nr=16297
Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitgeber berechtigt, von dem Arbeitnehmer DIE VORLAGE EINER ÄRZTLICHEN BESCHEINIGUNG über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer SCHON VON DEM ERSTEN TAG DER ERKRANKUNG AN zu verlangen.
leider geistert das Urteil schon durch alle Medien, reduziert auf mehr oder weniger kurze und missverständliche Schlagworte
soll das Attest bereits am ersten Tag der Erkrankung dem AG vorzulegen sein, wenn er es wünscht
(wie das in manchen Fällen funktionieren soll, sei mal dahingestellt)
reicht eine E-Mail oder Fax, oder muß es das Original sein
oder ist lediglich gemeint, der erste Tag der Erkrankung muß durch das Attest abgedeckt sein......,
die Vorlage aber dann schnellstmöglich..........
zu Fällen der Mitbestimmung bei kollektivem Bezug ist nichts zu lesen und stand vermutlich auch nicht zu einer Entscheidung an, so daß ich erst einmal davon ausgehen würde, es bleibt, wie es ist
im Einzelfall keine Mitbestimmung, sind mehrere oder alle AN betroffen, Mitbestimmung
Erstellt am 15.11.2012 um 07:42 Uhr von Achilles
Lt. Arbeitsrechtler muß dies dann aber im Vertrag vereinbart worden sein. Gruß
Erstellt am 15.11.2012 um 08:00 Uhr von Lurchi
Was? Im AV geregelt? Wie soll das denn gehen? Seit wann ist ein MBR im AV geregelt? Bei uns steht zu Krankheit beispielsweise: "gem. den gesetzlichen Bestimmungen". Dieses Urteil stiftet mehr Verwirrung als Klarheit. Das was dabei heraus kam ist doch ein völlig alter Hut und wird in den Medien verkauft als hätte man das Rad neu erfunden. Ich bin nur etwas verwirrt bezügl. des MBR. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Urteil daran etwas geändert haben soll.
Erstellt am 15.11.2012 um 08:09 Uhr von Watschenbaum
besonders erschreckend finde ich zwei Aussagen :
"Die Ausübung dieses Rechts steht im nicht an besondere Voraussetzungen gebundenen Ermessen des Arbeitgebers."
es wird noch nicht einmal eine "Billigkeit" verlangt, wie im 106 GewO und 315 BGB verlangt
" Eine tarifliche Regelung steht dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt"
welcher TV schließt dieses Recht AUSDRÜCKLICH aus ?
genügt es nicht, die Art der Vorlage des Attestes zu regeln, sondern muß ausdrücklich ausgeschlossen werden, daß es der AG "nach Lust und Laune" trotzdem anders regeln könnte ?
was ist mit § 4 TVG Absatz 3 :
"Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten."
Erstellt am 15.11.2012 um 08:49 Uhr von Kölner
@all
Wenn ich in der BVers dazu etwas sagen wollte, dann sollte es (IMHO) so aussehen:
Das BAG hat in einem Fall entschieden. Tenor lautete, dass der AG einseitig eine AU-B ab dem ersten Tage verlangen kann.
Die MBR hinsichtlich § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und § 80 Abs. 1 Nr.1 BetrVG sehen wir dadurch nicht berührt. Der BR wird in jedem Einzelfall aktiv werden.
Erstellt am 15.11.2012 um 09:12 Uhr von blackjack
....aber ist doch nichts Neues.
Wurde 1997 schon vom BAG endschieden.
Erstellt am 15.11.2012 um 09:18 Uhr von Watschenbaum
so wie das Ganze aber durch die Medien gejagt wird, muß man ja von einer epochalen Entscheidung , die Rechtsgeschichte schreibt, ausgehen....;-)
Erstellt am 15.11.2012 um 09:19 Uhr von gironimo
Ich kann bisher niht erkennen, dass das gestern bekannt gewordene Urteil neue Aspekte enthält. Das Gericht hat lediglich über den individualrechtlichen Aspekt bei AU-Bescheinigungen entschieden.
Aus meiner Sicht hat es dabei die Rechtsauffassung bestätigt, die eigentlich ohnehin mehrheitlich vertreten wird und hat die Mitbestimmung des Betriebsrats in dieser Frage in keiner Weise eingeschränkt oder verändert.
Erstellt am 15.11.2012 um 09:23 Uhr von Kölner
@all
...ich wünschte mir da auch mal eine aktivere Position der Gewerkschaften: Z.B. in der Form, dass man diesen Entscheid des BAG ins richtige Licht rückt und nicht so plump/dumm als Agitationsmasse den Medien überlässt. Da sind die AG-Verbände echt pfiffiger...
Erstellt am 15.11.2012 um 09:48 Uhr von Erdenbürger
Ich komme jetzt ein wenig durcheinander mit dem Kollektiven- und einzellentscheidungen, daher habe ich jetzt mal eine Frage dazu: Ist ein Gruppenleiter oder ein Abteilungsleiter auch als AG anzusehen? Diese Frage stellt sich mir, weil in vielen Betrieben verlangen die ja erstmal die Krankmeldung.
Erstellt am 15.11.2012 um 10:04 Uhr von gironimo
Das kommt darauf an, mit welchen Kompetenzen der Arbeitgeber sie ausgestattet hat. Für den BR bleibt der AG selbst der Ansprechpartner. Einigt der BR sich mit dem AG darauf, wann und wie der Punkt AU-Meldung im Betrieb gehandhabt wird, dann ist es so und nicht anders (aber bitte eine klare BV darüber abschließen).
Erstellt am 15.11.2012 um 10:48 Uhr von rkoch
> welcher TV schließt dieses Recht AUSDRÜCKLICH aus ?
z.B. der MTV IGM Bay. Zitat:
Ab dem 3. Jahr der Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit kann eine frühere Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur im Einzelfall aus begründetem Anlass und nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat verlangt werden.
D.h. für AN welche min. 3 Jahre dem Unternehmen angehören wird das Recht des AG auf vorzeitige Vorlage der Bescheinigung AUSDRÜCKLICH unter einen Vorbehalt und die MB des BR gestellt. Einen TV der dieses Recht des AG komplett ausschließt kenne ich nicht, aber IMHO wäre es denkbar dass ein solcher existiert. IMHO wäre es aber auch nicht im Sinne der GEW dieses Recht komplett auszuschließen, denn sonst wären Blaumacher damit unanfechtbar im Vorteil. Insofern finde ich obige Regelung als zielführend. Warum das dann erst nach zwei Jahren gilt erschließt sich mir nicht, aber das ist halt "Verhandlungsergebnis".
Erstellt am 15.11.2012 um 11:03 Uhr von rechtbekommen
Das BAG hat doch eigentlich nichts wirklich neues entschieden. Dazu muss man sich nur einfach einmal das zu Grunde liegende Gesetz genau ansehen. Nur die Medien haben es nicht begriffen und daher die Unverstaendnise nun hereingebracht. Wenn der AG es nun.in Eibzelfaelken fordert besteht auch keine MB, da keine Kollektivregelung also keine MB kein §87. Wenn ein AG es nun von Beginn an via ArbV fordert ist der BR auch aussen vor. Es wird zukuenftig nun ggf verstaerkt ein Thema der TV.
Erstellt am 15.11.2012 um 11:30 Uhr von Lurchi
@rechtbekommen:
"Wenn ein AG es nun von Beginn an via ArbV fordert ist der BR auch aussen vor. "
- hier ließe sich sicherlich schon ein kollektivrechtlicher Ansatz finden. Wenn der AG es in allen AV (künftig) so fordert, sollte der BR schon beteiligt sein. Wann sollte er sein MBR nach BetrVG denn sonst ausüben?
Wir haben beispielsweise die gesetzl. Regelung im AV verankert, aber auch wenn nicht, wäre das Gesetz immer Grundlage eines Vertrages. Er kann die Krankmeldung zwar anders verlangen, muß allerdings, meiner Meinung nach, bei kollektivrechtlicher Komponente das MBR des BR beachten.
Erstellt am 15.11.2012 um 13:07 Uhr von rkoch
> Wenn ein AG es nun von Beginn an via ArbV fordert ist der BR auch aussen vor.
Wenn dem so wäre, wäre der BR bei Mehrarbeit auch außen vor, schließlich haben viele AN eine Mehrarbeitsklausel in ihrem AV verankert.
Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend und gehen dann dem Arbeitsvertrag vor. Wenn der AG also eine derartige Klausel für alle AN verankert, dann IST der BR definitiv in der MB. Die Frage ist nur, was will BR erreichen und was bekommt er ggf. vor der Einigungsstelle durch!
Erstellt am 15.11.2012 um 16:37 Uhr von Nubbel
bin gespannt was das urteil aussagt, wenn es denn vorliegt. sollte der journalist aufgepasst haben und es genau wiedergegeben haben, wird es spannend. dann ist über etwas ganz neues geurteilt worden. schade das hier nicht um die feinheiten geht, sondern nur sehr oberflächlich spekuliert wird
Erstellt am 16.11.2012 um 05:46 Uhr von Uller
Hier habe ich mal eine eindeutige Stellungnahme der Gwerkschaft NGG aus dem gestrigen Newsletter:
Zitat:
"Gestern hat das Bundesarbeitsgericht
entschieden,
dass Arbeitgeber berechtigt
sind, die Vorlage einer ärztlichen
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
bereits vom ersten
Tag einer Erkrankung an
zu verlangen. Das entspricht
der geltenden Gesetzeslage
(Entgeltfortzahlungsgesetz).
Aber: Eine solche Anweisung
betrifft eine Frage der betrieblichen
Ordnung und unterliegt
damit der Mitbestimmung
des Betriebsrats. In
Betrieben mit Betriebsrat darf
der Arbeitgeber dies daher
nur anweisen, wenn er das
vorher mit dem Betriebsrat
geregelt hat."
Erstellt am 16.11.2012 um 08:21 Uhr von rkoch
> sollte der journalist aufgepasst haben und es genau wiedergegeben haben
... von welchem journalistischen Erguss sprichst Du hier? Die offizielle Version des BAG gibt nix wirklich neues her.... Wenn ich wüsste von was Du redest, könnte ich mir über die "Feinheiten" Gedanken machen.
Erstellt am 16.11.2012 um 17:29 Uhr von BloodyBeginner
Also ich frage mich was an dem BAG Urteil neu ist. Ich habe davon schon vor ein paar Monaten gehört.
Aber allgemein würde ich das Urteil nur auf Firmen ohne BR übertragen, mit BR denke ich würde das BetrVG §87 gelten, Ordnung und Verhalten im Betrieb, also 100% mitbestimmungspflichtig.