Erstellt am 13.08.2012 um 09:16 Uhr von rkoch
> Muss die GL nicht das Punktesystem mit uns beraten und BV abschließen?
Nein! Und lasst bloß die Finger davon.
Als BR KÖNNTET ihr Euch zwar einmischen, aber ihr tut den Kollegen nichts gutes! Es ist letztlich der AG der das Problem hat eine "richtige" Sozialauswahl zu machen. Ob diese Sozialauswahl dann "richtig" war, entscheidet ein Arbeitsgericht im Rahmen der Kündigungsschutzklagen der gekündigten AN. Es kann äußerst hilfreich sein, wenn die AN sich dann auf einen Widerspruch des BR nach §102 (3) 1. BetrVG stützen können. Wenn ihr aber das Punktesystem nach dem der AG seine Sozialauswahl gemacht hat MITBESTIMMT habt, dann habt ihr ja im Grunde schon damit gesagt, das seine Auswahl RICHTIG ist. Damit ist
1. Eure Chance zum Widerspruch gleich NULL
2. Die Chance eines AN (auf eine anständige Abfindung bzw. Aufhebung der Kündigung) im KSchP gleich NULL.
Erstellt am 13.08.2012 um 15:51 Uhr von gironimo
.... also Widerspruch formulieren.
Aber zur Ergänzung:
Grundsätzlich müssen nicht alle AN verglichen werden sondern nur alle vergleichbaren AN. Ob das nun nur 3 sind oder vielleicht doch mehr liegt an Eurem Betrieb und muss von Euch durchleuchtet (aber nicht bewiesen) werden (wichtig für den Widerspruch, wenn Ihr keine anderen Widerspruchsgründe habt)
Vom Punktesystem rate ich auch ab.
Erstellt am 14.08.2012 um 06:03 Uhr von Hoppel
@ rkoch
Es ist doch vollkommener Unsinn, dass die Chancen eines AN in einem Kü´schutzprozess sinken, weil sich ein BR mit dem AG auf ein Punkteschema geeinigt hat.
Ein Punkteschema ist noch immer NICHT gleichzusetzen mit einer Namensliste!
Außerdem wird ein Punkteschema vollkommen personenunabhängig festgelegt und da sollte ein BR auf alle Fälle mitreden.
Und wenn der AG auf Basis dieses Punkteschemas seine Sozialauswahl nicht korrekt getroffen hat, kann der BR natürlich einen wirksamen Widerspruch gegen diese Kündigung einlegen.
@ rumpen
Es ist schon möglich, in eine Sozialauswahl nur 3 von 54 KollegInnen einzubeziehen. Kommt drauf an, welche Position diese drei Kollegen bekleiden bzw. wie es um die Vergleichbarkeit mit den restlichen 51 bestellt ist.
Wenn z.B. nur die Buchhaltung von 3 auf einen MA reduziert werden soll, macht es keinen Sinn, in die Sozialauswahl auch noch 35 Schreiner, 10 dachdecker und 6 Klempner einzubeziehen.
Erstellt am 14.08.2012 um 08:43 Uhr von rkoch
> Ein Punkteschema ist noch immer NICHT gleichzusetzen mit einer Namensliste!
Das hab ich auch nicht gesagt.... Aber wenn der AG die mit dem BR abgestimmt Punktebewertung dem ArbG vorlegt und dann vorrechnet, dass nach dieser die Auswahl stimmt sinken die Chancen, dass das ArbG die mitbestimmte Punkteliste noch genau überprüft doch erheblich!
Ich zitiere mal das KSchG:
Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Alles klar?
In der Rechtsmeinung gilt ohnehin der Grundsatz: Wenn ein BR eine Sache mitbestimmt hat, so muss davon ausgegangen werden, dass die Belange der AN ausreichend berücksichtigt wurden. Dann kann nur noch die Sache an sich auf rechtliche Zulässigkeit überprüft werden. Auslegungsfragen, also z.B. ist Betriebszugehörigkeit mehr wert als Lebensalter, werden i.d.R. nicht mehr geprüft so lange das ganze nicht offensichtlich gegen Gesetz, z.B. gegen das AGG verstößt, z.B. indem ältere AN nach diesem System massiv benachteiligt werden.
Ich erinnere mal auch an §102 BetrVG:
Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
Hier stehen doch deutlich drei Sachen:
1. Der ARBEITGEBER wählt aus
2. Der ARBEITGEBER muss "soziale Gesichtspunkte berücksichtigen"
3. Und genau die Fehlerhaftigkeit dieser vom Arbeitgeber ausgewählten sozialen Gesichtspunkte kann der BR bemängeln und als Widerspruchsgrund hernehmen. Aber das geht natürlich eben nur, wenn nicht seine eigene Unterschrift darunter steht. Gesichtspunkte die der BR selbst mit festgelegt hat dann zu bemängeln wäre absurd! Dann bleibt als Widerspruchsgrund eben nur noch die in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer. Aber das als Grund ist viel schwerer zu behaupten als die "Fehlerhaftigkeit der sozialen Gesichtspunkte" an sich. Die liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Wie Du selbst gesagt hast, kann eine Auswahl zwischen drei AN durchaus richtig sein. Beweise das Gegenteil! Insbesondere, da der AG ja auch noch gezielt einzelne AN aus der Auswahl herausnehmen kann. (§1 (3) KSchG)
Und wenn der BR diese "sozialen Gesichtspunkte" in Form der Punktebewertung des AG bemängelt, ist das Gericht gezwungen die gesamte Bewertung im Detail zu prüfen. Quasi selbst die Gewichtung auf soziale Verträglichkeit zu beurteilen. Andernfalls könnte das Gericht nicht feststellen ob der Widerspruch des BR auch richtig ist.
Eine Namensliste ist noch einen Tick schlimmer, da dann nicht einmal mehr die in die Auswahl einbezogenen AN als Widerspruchsgrund herhalten können. Widerspruch ist zwecklos!!! (Douglas Adams läßt grüßen)
Erstellt am 14.08.2012 um 21:11 Uhr von DrUmnadrochit
"... so lange das ganze nicht offensichtlich gegen Gesetz, z.B. gegen das AGG verstößt, z.B. indem ältere AN nach diesem System massiv benachteiligt werden."
§ 2 (4) AGG?
Erstellt am 15.08.2012 um 11:03 Uhr von rkoch
> § 2 (4) AGG?
Guter Einwand, ... der § schließt die Anwendung ja grundsätzlich aus... Aber das BAG sieht das anders.....
Wedde Rn. 3 zu §2 (4) AGG:
Mit § 2 Abs. 4 sollten sämtliche arbeitsrechtliche Kündigungen vom Anwendungsbereich des AGG ausgenommen werden. Dieses Ziel widerspricht den Antidiskriminierungsrichtlinien, welche die Entlassungsbedingungen ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Verbots der Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen aufnehmen. Das BAG (6. 11. 2008 – 2 AZR 701/07) vertritt deshalb die Meinung, die Diskriminierungsverbote des AGG seien im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit von Kündigungen zu beachten. Eine Kündigung kann also sozialwidrig sein, wenn sie gegen Diskriminierungsverbote verstößt. Damit werden gewissermaßen die Vorgaben des AGG in das KSchG »hineininterpretiert«. Dies widerspricht der notwendigen Transparenz in der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien. So bleibt z. B. nach dem BAG unklar, inwieweit § 2 IV Rechte wie die aus §§ 13–16 AGG bei Kündigungen ausschließt. Überzeugender wäre es, § 2 Abs. 4 wegen Europarechtswidrigkeit nicht anzuwenden; das AGG gilt im vollen Umfang auch für Kündigungen (ArbG Osnabrück 5. 2. 2007, DB 07, 1200; so auch Schreiben der Europäischen Kommission an die BReg v. 31. 1. 2008, AuR 08, 145 f.).