Unser Arbeitgeber beutet uns aus, wo er nur kann. Und auch da, wo er eigentlich nicht kann. Es wird verlangt und gefordert ohne jede Gegenleistung. Da muss vor der Arbeitzeit bereits Zeug erledigt sein, in Pausen muss man abrufbar sein, freie Samstage (einer im Monat) und ein freier Wochentag gibt es nur, wenn es dem Chef in den Kram passt, obwohl das eigentlich ein tariflicher Anspruch ist. Überstunden summieren sich ins Unendliche, es gibt keine Freizeit und auch keine Bezahlung. Es wird zwar geschimpft solange der Chef nicht in der Nähe ist, aber letztendlich machen fast alle einen tiefen Diener und kommen sogar noch krank auf Arbeit (mit Attest) - und tragen sich das dann als Frei (d.h. an diesem Tag 0 Stunden gearbeitet) ein, "um keinen Ärger zu bekommen". Hinweise auf die Gesetzeslage werden mit Augenrollen und chefseitig mit "die Gesetze interessieren mich nicht" quittiert. Man könne stattdessen froh sein, dass man überhaupt noch Arbeit hätte.

Es gibt eine handvoll Leute, die würden gern was ändern. Die sehen sich aber einer Belegschaft gegenüber, die bei nahezu jeder kritischen Äußerung ins Chefbüro rennen und petzen. Dann wird der Verpetzte ins Büro befohlen und so lange eingeschüchtert bis er kleinlaut an seinen Arbeitsplatz zurückgeht und tatenlos zusieht, wie der Chef eine Lüge nach der anderen über den kritisierten Sachverhalt verbreitet - was von den meisten nichtmal hinterfragt wird, kommt ja vom Chef, muss ja stimmen. Die Leute werden gegenseitig aufgestachelt und wer besonders brav beim Chef petzt, der bekommt vielleicht mal neue Arbeitsschutzschuhe oder einen neuen Besen, aber nur wenn er ganz lieb ist. Das ist unglaublich absurd, aber unsere Kassendame war wochenlang stolz wie ein Lottogewinner, als sie endlich einen eigenen Stuhl bekam. Und das wird immer schlimmer.

Ich fing an zu reden, wollte die Leute zusammenbringen, wurde verpetzt, musste mir Standpauken anhören, ließ mich aber nicht einschüchtern, war dann mehrere Tage im (geplanten) Frei. Als ich wiederkam haben mich alle behandelt, als würde ich eine hochansteckende Krankheit haben. Es kam dann raus, dass jeder, der mit mir redet, Ärger bekommen sollte - von oben verordnetes Mobbing also. Fast alle zogen daraufhin den Kopf noch tiefer ein und wenn ich im Pausenraum ein kritisches Thema ansprach, gucken alle besonders tief in ihre Teller bzw haben plötzlich was ganz wichtiges zu tun (Petzen gehen). Reden hat nix geholfen, man hört überhaupt nicht zu.

Ich fing an mich zu wehren. Ich bestand darauf, dass meine Arbeitszeiten korrekt berechnet werden, was in kürzester Zeit zu einem massiven Anstieg meines Überstundenkontos führte, obwohl ich auch nicht länger als die anderen da war. Die anderen rechnen ihren Kram einfach nicht nach, wird schon stimmen. Irgendwann musste der Chef mir daraufhin einige der Überstunden auszahlen, denn bei übergelaufen Arbeitskonten bekommen die Chef Abzüge von ihrer Provision, freiwillig war das also nicht. Die Kollegen waren stinksauer wegen der Ungerechtigkeit - und zwar auf mich, denn ich bekam Geld, die anderen nicht. Dann sollten Stunden (Lohnkosten) in einem definierten Zeitraum eingespart werden, mit dem (mündlichen) Versprechen, dass es keine weitere Kürzungen oder Entlassungen in diesem Zeitraum geben sollte. Ich wollte das schriftlich, ich fand, dass das einen Änderungsvertrag erfordert. Dem Chef passte das natürlich nicht, fragte demonstrativ in die Runde, ob das noch jemand schriftlich möchte, keiner traute sich. Ich erhielt einen Änderungsvertrag mit (betriebsbedingtem) Kündigungsausschluss. Und die Kollegen sind wieder sauer auf mich. Ich hab vorgeführt, dass wehren sich lohnt, aber man kapiert es nicht.

Der Chef und seine Lakaien mobben mich im Moment derart, dass sich schon Kunden im Laden über "diesen Irren" (den Chef) beschwert haben und dann aus Protest nichts gekauft haben. Es gingen auch schon Beschwerden an die Zentrale (sagten mir die Kunden), aber davon weiss natürlich keiner was. Die Papierkörbe in der Zentrale sind sicher ziemlich groß. An meiner Arbeit ist zum Glück nichts auszusetzen. Die Kunden kommen häufig ausschliesslich zu mir und loben meine Sachkenntnis überschwenglich beim zähneknirschenden Chef ... eine personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung kommt also auch nicht Betracht, na so ein Mist aber auch! Manchmal denk ich, er hat sich bei Wikipedia unter Mobbing herausgesucht, welche Maßnahmen rechtlich nicht relevant sind und wendet sie täglich bei mir an: Vorenthaltung von Information, soziale Isolation, ständige Kontrollen und kleinliche Kritik. Zum Glück bin ich mir der "Spielregeln" bewusst, deshalb juckt mich das kaum, es nervt aber trotzdem.

Doch wie gesagt, ein paar Kollegen gibt es, die auch schon gemerkt haben, dass sie von vorn bis hinten verscheissert werden. Doch sie sehen, was der Chef mit mir für ein Kasperletheater veranstaltet, und das bremst dann ihren Tatendrang. Noch sind sie ja nicht selbst betroffen. Man hat größtenteils kleine Kinder zu Hause und ist ein bisschen auf entgegenkommende Arbeitszeitplanung angewiesen - dieses Druckmittel wirkt bei den meisten so gut, dass sie ganz schnell klein beigeben ("Sie wollen doch ihre Kinder sicher auch mal wieder sehen?"). Aber ich sehe, wie sie mich beobachten, mir zunicken, wenn keiner guckt auf die Schulter klopfen usw ...

Handtuchwerfen und neue Arbeit suchen kommt nicht in Frage. Ich mag meine Arbeit, ich mag meine Kunden und ich mag ein paar von meinen Kollegen, die ins Fadenkreuz kämen sobald ich nicht mehr der Prügelknabe des Chefs bin.

Vielleicht ließe sich eine BR-Wahl über unseren GBR einleiten, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass dann die ganzen Abteilungsleiter auf Anweisung des Chefs kandidieren, sich gegenseitig wählen und dann jegliches Bemühen der Leute ganz unten (also so wie ich) im Keim ersticken.

Hat jemand eine Idee, wie man diese Situation lösen kann?