Du hast das System der MBR nach §102 nicht richtig verstanden:
Der AG muss den BR nach §102 vor jeder Kündigung hören. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
Die Anhörung ist ERST NACH Stellungnahme des BR abgeschlossen. Eine VORHER ausgesprochene Kündigung ist UNWIRKSAM. Das hast Du richtig erkannt.
Aber:
Mit der unwirksamen Aussprache der Kündigung hat der AG das Verfahren faktisch rechtswidrig beendet! Eine Stellungnahme des BR hat keinen Einfluss mehr - diese Kündigung ist und bleibt unwirksam! Die GF KANN da nichts mehr aussitzen, das Kind ist zu Lasten der GF in den Brunnen gefallen.
Beachte: Das der AN u.U. keinen Kündigungsschutz (Begründungspflicht) gemäß KSchG hat (wegen der weniger 10 AN) hat damit gar nichts zu tun! Die Kündigung ist wegen §102 BetrVG unwirksam, nicht wegen KSchG. Die §§4 ff. KSchG (Anrufung des ArbG), sprich Recht auf Kündigungsschutzklage gelten IMMER!
Der WIDERSPRUCH an sich ändert nichts an der Wirksamkeit der Kündigung. Dieser hat nur eine Wirkung: Der AN kann VERLANGEN über das Ende der Kündigungsfrist hinaus beschäftigt zu bleiben, also Einkommen vom AG zu beziehen! Ohne Widerspruch ENDET der Einkommensanspruch mit Ablauf der Kündigungsfrist. Wenn der Kollege also dann nicht ohne Einkommen da sitzen will bleibt ihm nichts anderes übrig als sich arbeitslos zu melden und einen neuen Job zu suchen! Wenn er dann einen neuen Job hat, ist der Prozess gegenstandslos. Deswegen ist ein fundierter (d.h. nach §102 begründeter Widerspruch) essentiell wichtig!
Noch ein paar Details:
> habe ich per Schreiben auf den Formfehler hingewiesen
DAS macht ein BR NIEMALS! Soll der AG doch sich selbst ins Abseits stellen. Wenn der BR ihn auf seine Fehler hinweist sagt der AG i.d.R. "Danke", korrigiert den Fehler und die ehemals unwirksame Kündigung wird WIRKSAM! (Böser AG, Du hast den AN MÜNDLICH gekündigt, das geht nur SCHRIFTLICH - Oh, danke lieber BR, dann SCHREIB ich doch gleich die Kündigung...... - ist zwar ein anderer Fall aber mithin der schlimmste anzunehmende Fauxpas des BR)
> Aus meiner Sicht habe ich mit diesem Schreiben meine Stellungnahme zur
> Kündigung abgegeben
Kommt auf die Form an. Der BR kann nach §102
- Bedenken anmelden
- Widersprechen
- Zustimmen
- Nichts tun.
Wenn dem Inhalt des Schreibens einer der ersten drei Punkte entsprechend der Formulierung nicht zu entnehmen ist, bleibt Punkt 4. Ist die Wochenfrist dann rum, kann der BR einen der ersten drei Punkte nicht mehr nachschieben. Da aber immer die Gefahr besteht das ein derartiges Schreiben den Anforderungen genügt, läßt man die Finger davon. Da dieses Schreiben aber auf jeden Fall NACH ausspruch der Kündigung erfolgte, who cares.
> muß ich der Kündigung noch einmal explizit widersprechen?
Müssen musst Du gar nichts, aber wenn Du nicht im Sinne von §102 (2) widersprochen hast UND die Wochenfrist noch nicht um ist, würde ich das auf jeden Fall tun (s.o. !)
> Wer muß mein Schreiben dem gekündigkten Kollegen übergeben?
Den Widerspruch (so es einen gibt): Der AG. Tut er das nicht, kannst bzw. solltest Du das tun. Die Info, das die Kündigung unwirksam ist solltest Du dem Kollegen zukommen lassen, damit dieser seinen Anwalt darauf hinweisen kann. Der freut sich sicher.....
> Welche nächsten Schritte können oder müssen wir (der Kollege oder der Betriebsrat)
> unternehmen?
BR:
Bedenken, Widerspruch, anschließend zurücklehnen
AN:
Rechtzeitig (innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung) Klage auf Feststellung, das das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, erheben.
Mit Widerspruch des BR: Vom AG verlangen, nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden.