Der BR sollte bei all seinem Handeln, seinen Erwartungen und Forderungen auch an die Verhältnismäßigkeit denken. Wenn es ca. 2 - 3 mal im Jahr vorkommt, dass man "beruflich verhindert" ist, ist es durchaus verhältnismäßig, ein Ersatzmitglied zu laden.
https://www.poko.de/Betriebsrat/Betriebsrat-Know-How/Betriebsrat-Lexikon/Verhinderung
Beispiel 3:
B erhält die Weisung seines Vorgesetzten, einen wichtigen Kunden am Sitzungstag zu betreuen. Hier muss B die Dringlichkeit der beruflichen Tätigkeit mit der Wichtigkeit der Sitzungsthemen abwägen. Kommt B zu dem Ergebnis, dass es wegen der besonderen betrieblichen Situation unverzichtbar ist, den Kunden zu betreuen, ist er zwar nicht objektiv verhindert. Subjektiv ist dem B aber die Ausübung seines Betriebsratsamts unzumutbar, so dass er sich für verhindert erklären darf. Im Zweifel wird zwar die Teilnahme an der Betriebsratssitzung den Vorrang haben. Wenn aber in der Sitzung keine wichtigen oder keine sonstigen Fragen zu behandeln sind, die die Teilnahme gerade dieses Betriebsratsmitglieds erfordern, kann es in Fällen einer betrieblichen Unabkömmlichkeit des Betriebsratsmitglieds durchaus sachgerecht sein, dass sich das Betriebsratsmitglied als an der Teilnahme verhindert erklärt, so dass an seiner Stelle ein Ersatzmitglied an der Betriebsratssitzung teilnimmt.
https://www.betriebsrat.de/ersatzmitglieder/wann-kommen-ersatzmitglieder-zum-einsatz-/wann-kommen-ersatzmitglieder-im-betriebsrat-zum-einsatz.html
Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 08.12.2017, 13 TaBV 72/17
Ein Betriebsratsvorsitzende nahm im Mai 2017 an einer Schulung teil. Der Entsendebeschluss zu diesem Seminar wurde in einer Betriebsratssitzung gefasst, bei der sieben von insgesamt neun Mitgliedern anwesend waren. Ein Betriebsratsmitglied war krank. Das geladene Ersatzmitglied und ein weiteres Betriebsratsmitglied hatten sich wegen erhöhten Arbeitsaufkommens telefonisch von der Sitzung abgemeldet.
Der Betriebsratsvorsitzende war der Ansicht, dass die Nichtteilnahme an der Sitzung wegen des hohen Arbeitsaufkommens keine Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG darstelle und hatte keine Ersatzmitglieder geladen. Der Arbeitgeber hielt den Beschluss zur Seminarteilnahme deshalb für unwirksam und verweigerte die Kostenübernahme für die Schulung. Dagegen ging der Betriebsrat gerichtlich vor.
Ohne Erfolg. Das Gericht entschied: Eine zeitweilige Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds liegt vor, wenn es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, die anstehenden Amtsgeschäfte wahrzunehmen. Dies kann im Einzelfall auch dann der Fall sein, wenn das Betriebsratsmitglied in seiner Stellung als Arbeitnehmer unabkömmlich ist, weil die geschuldete Arbeitsleistung unbedingt sofort erbracht werden muss. Das Betriebsratsmitglied muss unter Beachtung seiner Verpflichtung zur gewissenhaften Amtsführung darüber entscheiden, welcher Pflicht es den Vorrang einräumt.
Somit hätte der Betriebsratsvorsitzende ein Ersatzmitglied laden müssen. Da er dies nicht getan hat, ist der Entsendebeschluss zu seiner Schulung unwirksam.
Wenn sich das Betriebsratsmitglied bei einem Interessenkonflikt zwischen Amts- und Arbeitspflicht für die Arbeit entscheidet, muss der Betriebsratsvorsitzende regelmäßig davon ausgehen, dass ein Verhinderungsfall vorliegt. Nur wenn Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Entscheidung des Betriebsratsmitglieds vorliegen, muss er den genannten Hinderungsgrund prüfen und ggf. auf die Ladung eines Ersatzmitglieds verzichten.