Erstellt am 19.08.2008 um 10:33 Uhr von carrie
@Uwe
Das hört sich ja so an, als würden bei euch gar keine Überstunden beantragt werden!? Was steht den im TV zu Überstunden?
§ 87 Abs. 1 Nr. 3 "Vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit", es besteht schon eine Mitbestimmung, wenn der Arbeitgeber nur für einen Mitarbeiter Überstunden anordnen will. Es wird auch nicht ausgeschlossen, dass AN auf Wunsch des AG bereit sind, freiwillig Überstunden zu leisten. Gleiches gilt, wenn der AG die Überstunden nicht anordnet, sondern lediglich duldet.
Verstößt der AG gegen eure MBR, kann der BR auch außerhalb von § 23 Abs. 3 einen allgemeinen Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme geltend machen.
Und was heißt hier "der steht zum Unternehmen", man arbeitet um zu Leben und lebt nicht um zu arbeiten!
Erstellt am 19.08.2008 um 12:02 Uhr von Uwe
Hallo Carrie,
Anträge auf Überstunden gibt es bei uns nicht (generell keine Bezahlung von Überstunden), offiziell nur Flexizeit und Gleitzeit.
Der Aufbau von Gleitzeit (Betriebsvereinbarung: von -15 Std. bis +25 Std., darüber wird am Monatsende gekappt) ist Normalität, eine Inanspruchnahme wird überhaupt nicht gern gesehen ("wer das kann, hat zu wenig zu tun").
Das Problem sind die +25 Std. hinausgehenden Stunden, die am Monatsende gekappt werden (je mehr gekappt werden, desto höher das Ansehen; bei wem wenig gekappt wird, der "ist nichts wert").
Zusätzlich hätten wir bei uns in der Mikroelektronik noch zu bieten: Arbeitsverdichtung (Stellen von Abgängen werden nicht neu besetzt, die Arbeit wird umverteilt), 8,5% Tariföffnung, Forderung der GF nach weiterer Tariföffnung usw.
Wenn jemand eine gute BV (ohne Überstundenkappung, ohne die Möglichkeit der Profilierung durch unbezahlte Überstunden) hat, würden wir uns dafür brennend interessieren.
Viele Grüße
Uwe
Erstellt am 19.08.2008 um 15:57 Uhr von Matze24
@Uwe,
was passiert mit jemanden bei Euch, der "unten durch" ist? Personelle Maßnahmen bedürfen immer noch der Zustimmung des Betriebsrats. Was sagt dieser dazu? Spannend wird es doch, wenn jemand die vorgegebenen Arbeitszeiten einhält. Sollten über 10 Std. am Tag bezahlt erfolgen, würde das Arbeitszeitgesetz verletzt. Was sagt hierzu der Betriebsrat?
Eigene Erfahrung: arbeitswütige Arbeitnehmer sind nur schwer auszubremsen. Sollten aber Mitarbeiter bei nur deshalb gegängelt werden, weil sie ihre Arbeitszeit einhalten, gäbe es bei uns einen 'Aufstand'!
Mit kämpferischen Grüßen
Erstellt am 20.08.2008 um 07:45 Uhr von Uwe
@Matze,
unbezahlte Mehrarbeit ist ein erwartetes Muß. Am Monatsende werden Saldenlisten ausgedruckt, auf denen zu sehen ist, welcher Mitarbeiter wieviele Stunden gratis gearbeitet hat und gekappt bekommt. Selbst der alte GF, hat seine Leiter der mittleren Ebene anhand dieser gekappten Überstunden bewertet ("... hat viel mehr Stunden als Sie ..."). Hintergrund von unbezahlter Mehrarbeit bei Leitern: Wer dem Unternehmen viele Stunden schenkt, ist loyal und wichtig.
Offizielle, nachweisbare personelle Maßnahmen gegen Mitarbeiter gibt es natürlich nicht. Aber "wertvolle" Mitarbeiter werden gefördert, in alles involviert und haben Entwicklungschancen, wer keine unbezahlte Mehrarbeit leistet, hingegen nicht (Unmut des Chefs). Politischer Hintergrund für unbezahlte Mehrarbeit bei Mitarbeitern: Wenn viele Überstunden geschoben werden, hat der Chef das Argument, dass die Arbeit nicht zu schaffen ist und weitere Mitarbeiter notwendig sind (mehr Mitarbeiter = größere Abt. = mehr Macht). Die bekommt er aber nicht, weil der Personaler ja sieht, dass es auch mit unbezahlter Mehrarbeit funktioniert.
Wir als BR, wollen jetzt die alte Gleitzeit-BV kippen, in der festgeschrieben ist, dass am Monatsende die über +25 Std. hinausgehende Mehrarbeit einfach gekappt wird.
Wir sind noch auf der Suche nach neuen Ideen, aber vielleicht funktioniert eine "Ampelregelung".
Viele Grueße
Uwe
Erstellt am 20.08.2008 um 08:24 Uhr von andi66
@Uwe
warum muss überhaupt etwas gekappt werden? Soll der Mitarbeiter seine Freizeit für die Firma hergeben?
Warum nennt ihr das Gleitzeitkonto? In einem Gleitzeitkonto werden Stunden auf- UND abgebaut.
Wer steckt sich das Geld aus diesem Wettbewerbsvorteil ein? Die GF oder bekommen eure Mitarbeiter dann großzügige Prämien?
Was macht euer GF wenn eure Konkurrenz auch solche (Mafia-)Methoden einführt und dadurch eure Erlöspreise sinken? Wird dann in Zukunft bei +5 gekappt?
BV sind ja immer ein Geben und Nehmen.
Was bekommen eure Mitarbeiter dafür, dass ihr so einer Regelung zugestimmt habt?
Tja, Fragen über Fragen.
IMHO Eine solche BV hätte ich wahrscheinlich bereits gekündigt.
Gruß Andi
Erstellt am 20.08.2008 um 10:54 Uhr von Uwe
@Andi,
Dein Standpunkt ist volkommen richtig.
Die BV ist aus einer Zeit, als der damalige BR die Sachverhalte "zum Vorteil des Unternehmens" und "zum Vorteil der GF" noch nicht richtig trennen konnte.
Die BV's sind damals faktisch im Büro der GF entstanden. Ohne Quatsch: Wir haben von damaligen BR-Mitgliefern erfahren, dass man sich direkt vor BR-Abstimmungen, mit dem GF abgestimmt hätte, so dass das BR-Abstimmungsergebnis nur noch Makulatur war.
Unser BR in der jetzigen Zusammensetzung (ohne Abhängigkeit durch persöniche Freundschaft zum GF), hat ein anderes Verständnis von Arbeitnehmervertretung (auch Dank unserer kämpferischen BRV!). Wir sind gerade dabei, die alten unseligen BV's über Bord zu werfen.
Wenn Du eine Idee hast, wo man eine richtig gute Gleitzeit-BV findet, ohne das Fahrrad neu erfinden zu müssen (und dabei Fehler machen würde) ...
Viele Grüße
Uwe
Erstellt am 20.08.2008 um 11:21 Uhr von andi66
Hallo Uwe,
wenn du mir deine Mail-Adresse schickst, habe ich für dich eine Muster BV.
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Muss natürlich angepasst werden, aber als Anregung ist sie ganz brauchbar.
Gruß Andi