Erstellt am 04.02.2007 um 13:01 Uhr von Lutz
Verhindern kann der Betriebsrat eine Kündigung prinzipiell nicht. Der Arbeitgeber kann auch bei einem ordentlichen Widerspruch des Betriebsrats immer noch die Kündigung aussprechen. Allerdings kann der Arbeitnehmer dann innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen und so die Rechtmäßigkeit der Kündigung überprüfen lassen.
Der Betriebsrat sollte immer einen ordentlichen Widerspruch gegen eine vom Arbeitgeber geplante Kündigung einlegen, und zwar aus mehreren Gründen.
1. Der Betriebsrat ist kein Richter. Er hat nicht zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer "schuldig" ist. Das macht das Arbeitsgericht. Das sollte man sich immer vor Augen halten. Dann diskutiert man im Plenum nicht unnötigerweise, ob der Arbeitnehmer nicht doch schuld ist.
2. Nur mit einem ordentlichen Widerspruchs des Betriebsrats hat der Arbeitnehmer die Chance, auf Weiterbeschäftigung nach Ablauf seiner Kündigungsfrist (bei ordentlichen Kündigungen) nach § 102 BetrVG. Schon deshalb sollte man als Betriebsrat einen Widerspruch schreiben. Diese Weiterbeschäftigung sichert dem Arbeitnehmer sein Gehalt bis zum rechtskräftigen Urteil. Das ist nicht zu unterschätzen. Denn eine Kündigungsschutzklage dauert in der Regel zwei Jahre, ehe sie (bei Berufung) durch das Landesarbeitsgericht entschieden wird. Wer kann ohne Gehalt schon so lange durchhalten?! Wenn eine Berufung oder Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wird, kann es noch Jahre länger dauern.
In den Widerspruch gehören alle Widerspruchsgründe, die euch einfallen. Das Arbeitsgericht entscheidet später über die Stichhaltigkeit der Gründe. GAnz wichtig ist es, mit dem Arbeitnehmer zu sprechen. Denn daraus ergeben sich häufig Widerspruchsgründe, an die ihr noch gar nicht gedacht habt.
Bei Verlust des Führerscheins kann man sich sicherlich nicht auf soziale Gesichtspunkte berufen, sofern dieser wirklich zwingend für die Arbeitserbringung notwendig wäre. Sozialauswahl geht eher bei betriebsbedingter Kündigung, nicht bei leistungs- oder verhaltensbedingter. Einen Bezug auf den Arbeitsvertrag und Arbeitsplatzbeschreibung, wenn dort die Fahrertätigkeit nicht ausdrücklich erwähnt ist, halte ich hingegen für sinnvoll.
Erstellt am 04.02.2007 um 13:10 Uhr von Bergmann
@ elacma ,
schaut doch mal bei euch im Betrieb nach , inwieweit sich ein Arbeitsplatzwechsel anbietet--vielleicht bietet sich ein Kollege an , die Fahrertätigkeit zu übernehmen !!
Erstellt am 04.02.2007 um 14:38 Uhr von mille
Wir als BR konnten aktuell gerade eine fristlose,hilfsweise ordentliche Kündigung in einem vergleichbaren Fall (AN= LKW Fahrer) verhindern. Der Kollege wird nun bis zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis im Lager weiterbeschäftigt. Allerdings unter Reduzierung der Bezüge.
Da sehe ich bei euch doch die besseren Chancen, da in dem Arbeitsvertrag des Kollegen eine Fahrtätigkeit nicht ausdrücklich erwähnt ist.
Erstellt am 04.02.2007 um 17:11 Uhr von elacma
Lutz, Bergmann,Mile
Vielen Dank für Eure Beiträge welche sehr hilfreich sind! Würde mir noch mehr Feedback von anderen Mitgliedern wünschen!!!
Erstellt am 04.02.2007 um 19:26 Uhr von Fayence
Lutz,
hier würde weder eine leistungs- noch verhaltensbedingte sondern eine personenbedingte Kündigung ausgesprochen!
Auch Deine Aussage, dass ein BR IMMER einen ordentlichen Widerspruch gegen eine vom AG geplante Kündigung einlegen sollte, unterstreiche ich definitiv NICHT!
Ebenfalls bin ich mehr als verwundert, dass Du so vehement den ordentlichen Widerspruch gegen eine Kündigung befürwortest, dann aber "soziale Gesichtspunkte" bei Verlust des Führerscheins nicht einzubeziehen gedenkst!
"In den Widerspruch gehören alle Widerspruchsgründe, die euch einfallen. Das Arbeitsgericht entscheidet später über die Stichhaltigkeit der Gründe."
Ein Arbeitsrichter wird sich schneller mit diesem Widerspruch beschäftigen, als man denkt! Wird der AG nämlich schnellstens vor Gericht auflaufen und darum bitten, ihn von seiner Weiterbeschäftigungspflicht zu entheben. Und in den meisten Fällen wird er glücklich von dannen ziehen! Sind Widersprüche eines BRs überwiegend völlig unbegründet formuliert; die Menge der formulierten Widerspruchsgründe bringt`s jedenfalls nicht.
Erstellt am 04.02.2007 um 20:18 Uhr von Lutz
Hallo Fayence,
da liegen wohl mehrere Missverständnisse vor.
1. Natürlich sollte ein Betriebsrat immer versuchen, einen ordentlichen Widerspruch zu schreiben. In der Regel finden sich auch stichhaltige Gründe dafür. Die Gründe, dass ein Betriebsrat das tun sollte, liegen auf der Hand und wurden von mir schon erwähnt.
a) Er ist kein Richter.
b) Ohne ordentlichen Widerspruch hat der Arbeitnehmer keine Chance, eine Kündigungsschutzklage anzustreben bzw. zu gewinnen. Denn meistens ist der Arbeitnehmer pleite, bevor ein endgültiges Urteil gesprochen wird. Denn ohne ordentlichen Widerspruch des Betriebsrates gibt es keine Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 102 BetrVG, in der Umgangssprache gerne Lohn-/Gehaltfortzahlung genannt.
c) Der Arbeitnehmer hat nichts zu verlieren. Der Arbeitgeber will kündigen. D.h. nach Ablauf der Kündigungsfrist hat der Arbeitnehmer definitiv seinen Job verloren. Schreibt der Betriebsrat einen ordentlichen Widerspruch, so hat der Arbeitnehmer zumindest eine Chance, eine Kündigungsschutzklage einzureichen, um vom Arbeitsgericht überprüfen zu lassen, ob die Kündigung gerechtfertigt ist.
2. Kein Arbeitgeber entkommt so schnell seiner Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 BetrVG. Dazu müsste
a) der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet sein und
b) die Firma durch die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kurz vor dem Bankrott stehen bzw. schwere Nachteile erleiden.
Der Knackpunkt bei a) ist das Wort "offensichtlich". D.h. bereits beim ersten Lesen und ohne weitere Recherche müsste dem Gericht klar sein, dass der Widerspruch unbegründet ist. Das fällt meistens schwer. Daher wird Punkt a) in den seltensten Fällen greifen.
Auch Punkt b) greift nur bei sehr kleinen Firmen. Je größer die Firma ist, umso weniger greift dieser Punkt.
3. Bei einer personenbedingten Kündigung in diesem Fall sehe ich tatsächlich wenig Anhaltspunkte für soziale Komponenten gemäß BetrVG. Aber du kannst ja gerne erklären, welche Möglichkeiten du in diesem Fall siehst. Ich lerne gerne dazu.
4. Ich habe nie behauptet, dass ein Betriebsrat massenhaft Widersprüche schreiben soll. Das passiert nur, wenn der Arbeitgeber massenhaft Kündigungen aussprechen will.
Erstellt am 04.02.2007 um 20:53 Uhr von peters
@Lutz,
ebenso wie du bin ich der Ansicht, dass der BR einem Mitarbeiter - soweit es irgendwie geht und vertretbar ist - im Falle einer Kündigung helfen soll. Du darfst aber nicht vergessen, dass ein Widerspruch nur bei einer ordentlichen Kündigung und nur unter bestimmten Voraussetzungen (BetrVG §102 (3)) möglich ist.
In diesem Fall wäre es möglicheweise der Punkt 3 (Der Arbeitnehmer kann an einem anderen Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden).
Nur wenn einer dieser Punkte zutrifft und vom BR angeführt wurde, ist ein Weiterbeschäftigungsanspruch möglich.
Dein Zitat: "Ohne ordentlichen Widerspruch hat der Arbeitnehmer keine Chance, eine Kündigungsschutzklage anzustreben bzw. zu gewinnen..."
halte ich ebenso für falsch. Unabhängig von der Reaktion des BR kann eine Klage eingereicht und auch durchaus gewonnen werden. Der Richter hat nämlich - Gottseidank - die Freiheit, sich auch ohne eine qualifizierte Stellungnahme des BR ein Bild von der Rechtslage zu machen.
Die von Fayence angesprochene soziale Kompüonente sehe ich hier sehr wohl auch möglich. Bei einem langjährigen, bisher unbescholtenen Mitarbeiter mit Familie sehe ich es für den Arbeitgeber sehr wohl zumutbar, dass er ihn während der Zeit ohne Führerschein auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt, zumal dies offenbar seinem ursprünglichen Arbeitsvertrag entspricht.
Erstellt am 04.02.2007 um 22:59 Uhr von Fayence
Hallo Lutz,
peters hat es mit seiner Antwort bereits sehr gut auf den Punkt gebracht!
Mir fällt nur auf, dass Du darüber, dass ein BR auch "nur" Bedenken gegen eine Kündigung erheben oder sogar schweigen kann, eine mögliche Zustimmung will ich erst gar nicht in´s Spiel bringen, bislang wohl noch nicht nachgedacht hast!
Solche pauschale Aussagen wie "ein BR sollte möglichst immer einen Widerspruch gegen eine Kündigung schreiben" lassen sich ziemlich leicht tätigen.
Wie viele Widersprüche hat Euer BR denn schon im Fall von personen-, leistungs- oder verhaltensbedingten Kündigungen formuliert? Wie viel AN haben daraufhin ihren Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht und wie oft musste Euer AG diesem Anspruch stattgeben?