Hallo, meine Antwort ist wohl ein bisschen lang, dafür aber umfassend.
o Für Mitglieder der JAV (oder anderer Gremien: z.B. Betriebsrat), die auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrages beschäftigt sind, gilt die Sonderregelung des § 78a BetrVG.
Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung (oder des Betriebsrats) ist, nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit im erlernten Beruf zu übernehmen, so hat er dies – spätestens – drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen (§ 78a Abs. 1 BetrVG). Eine frühere Unterrichtung ist zulässig. Kommt der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nicht oder verspätet nach, so führt das nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Vielmehr muss der Auszubildende, um dieses Ziel zu erreichen, form- und fristgerecht seine Weiterbeschäftigung gemäß § 78a Abs. 2 BetrVG verlangen. Nach § 78a Abs. 5 BetrVG findet nämlich § 78a Abs. 2 bis 4 BetrVG unabhängig davon Anwendung, ob der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nachgekommen ist.
Bietet der Arbeitgeber dem Auszubildenden lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis oder ein Teilzeitarbeitsverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis unterhalb des erlernten Berufs an, so kommt dieses nur zustande, wenn der Auszubildende einwilligt. Ist er damit nicht einverstanden, muss er form- und fristgerecht seine Weiterbeschäftigung gemäß § 78a Abs. 2 BetrVG verlangen.
Verlangt ein Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung, so gilt nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG zwischen Auszubildendem und Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im erlernten Beruf und im Ausbildungsbetrieb als begründet (vgl. BAG v. 13.11.1987, NZA 1989, 439; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 78a Rn. 30). Es kommt also aufgrund des form- und fristgerechten Verlangens kraft Gesetzes »automatisch« ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im erlernten Beruf zustande.
§ 78a BetrVG findet auch dann Anwendung, wenn das Betriebsrats- oder JAV-Mitglied die Abschlussprüfung – endgültig – nicht besteht. Wenn er seine Weiterbeschäftigung form- und fristgerecht verlangt hat, wird ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis begründet. Die Voraussetzung »im erlernten Beruf« gilt allerdings in diesem Falle nicht. Die Weiterbeschäftigung ist nicht unzumutbar i.S.d. § 78a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG, wenn sie auf einem Arbeitsplatz mit geringeren Anforderungen erfolgen kann (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels/ Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 78a Rn. 24, 50).
Nach richtiger Ansicht löst ein Weiterbeschäftigungsverlangen auch dann die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses aus, wenn es früher als drei Monate vor Ausbildungsende beim Arbeitgeber eingeht (z.B. Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 78a Rn. 19; a.A. ErfK-Hanau/Kania, BetrVG, § 78a Rn. 4). Allerdings ist, solange keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt und um ein unnötiges Risiko auszuschließen, dringend anzuraten, das Verlangen innerhalb der Drei-Monats-Frist zu erklären. Das Weiterbeschäftigungsverlangen muss dem Arbeitgeber spätestens am letzten Tag des Berufsausbildungsverhältnisses zugegangen sein.
§ 78a Abs. 2 BetrVG verlangt nicht, dass das Weiterbeschäftigungsverlangen begründet wird.
Unterlässt es ein Auszubildender, seine Weiterbeschäftigung form- und fristgerecht zu verlangen, scheidet er mit Ende des Berufsausbildungsverhältnisses aus dem Betrieb aus (sofern nicht dennoch ein Arbeitsverhältnis vereinbart wird).
Weigert sich der Arbeitgeber trotz form- und fristgerechtem Weiterbeschäftigungsverlangen den Auszubildenden nach Ende des Berufsausbildungsverhältnisses zu beschäftigen, kann der Auszubildende seinen Anspruch mit Antrag auf einstweilige Verfügung geltend machen (LAG Frankfurt v. 14.8.1987, BB 1987, 2160).
Will der Arbeitgeber die »automatische« Begründung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Weiterbeschäftigungsverlangens verhindern oder ein bereits begründetes Arbeitsverhältnis wieder lösen, muss er spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses gemäß § 78a Abs. 4 BetrVG beim àArbeitsgericht beantragen,
festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nach § 78a Abs. 2 oder 3 BetrVG nicht begründet wird, oder
das bereits nach § 78a Abs. 2 oder 3 BetrVG begründetes Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann.
In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der Betriebsrat Beteiligter. Bei Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung sind auch diese Beteiligte.
Der Feststellungsantrag nach § 78a Abs. 4 Nr. 1 BetrVG kann frühestens nach Zugang des Weiterbeschäftigungsverlangens des Auszubildenden und spätestens am letzten Tag des Berufsausbildungsverhältnisses gestellt werden. Nach Ende des Berufsausbildungsverhältnisses kann nur noch Auflösung des bereits begründeten Arbeitsverhältnisses nach § 78a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG beantragt werden. Dieser Antrag muss spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht eingegangen sein.
Ein vor Ende des Berufsausbildungsverhältnisses gestellter Feststellungsantrag nach § 78a Abs. 4 Nr. 1 BetrVG, über den bei Ende des Ausbildungsverhältnisses noch nicht rechtskräftig entschieden ist, wandelt sich automatisch in einen Auflösungsantrag nach § 78a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG um (BAG v. 11.1.1995, ArbuR 1995, 62). Ein Arbeitsverhältnis kommt also – bei form- und fristgerechtem Weiterbeschäftigungsverlangen – zunächst kraft Gesetzes zustande. Es endet erst mit Rechtskraft eines Auflösungsurteils (heute h.M. vgl. BAG v. 29.11.1989, AP Nr. 20 zu § 78a BetrVG 1972; BAG v. 11.1.1995, AP Nr. 24 zu § 78a BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 78a Rn. 41).
Strittig ist, ob der Arbeitgeber von der Pflicht zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung während des laufenden Rechtsstreits per Antrag auf einstweilige Verfügung befreit werden kann. Das ist nach richtiger Ansicht abzulehnen, weil die Vorschrift – im Gegensatz zu § 102 Abs. 5 BetrVG – eine solche Möglichkeit nicht vorsieht.
Der Feststellungsantrag nach § 78a Abs. 4 Nr. 1 BetrVG ist begründet, wenn der Auszubildende seine Weiterbeschäftigung nicht form- und fristgerecht verlangt hat (dann entsteht nach Ende des Ausbildungsverhältnisses kein Arbeitsverhältnis). Der Feststellungsantrag ist auch dann begründet – ebenso wie der Auflösungsantrag nach § 78a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG –, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann z.B. vorliegen, wenn personen- oder verhaltensbedingte Gründe, die eine àAußerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen würden, vorliegen.
Ein im Vergleich zu anderen Auszubildenden schlechteres Prüfungsergebnis bzw. eine geringere Qualifikation begründet keine Unzumutbarkeit.
Auf betriebsbedingte Gründe kann der Arbeitgeber seinen Antrag nur ausnahmsweise stützen. Sie müssen von derartigem Gewicht sein, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung »schlechterdings« nicht zugemutet werden kann (BAG v. 6.11.1996, AiB 1997, 604). Dies soll der Fall sein, wenn es an einem freien Arbeitsplatz fehlt (BAG v. 12.11.1997, AiB 1998, 704). Allerdings ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Weiterbeschäftigung in einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis zu ermöglichen. Hierzu zählen auch der Abbau von Überstunden. Der Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, einen neuen, nicht benötigten Arbeitsplatz einzurichten oder durch Kündigung eines anderen Arbeitnehmers einen vorhandenen Arbeitsplatz frei zu machen (BAG v. 16.8.1995, NZA 1996, 493).
Abzulehnen ist die BAG-Rechtsprechung, soweit sie für die Frage der Unzumutbarkeit auf den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses abstellt (BAG v. 29.11.1989, DB 1990, 234) und damit – später – absehbar frei werdende Arbeitsplätze (z.B. Ausscheiden von befristet Beschäftigten, Altersteilzeitlern oder von Leiharbeitnehmern) unberücksichtigt lässt. Im Übrigen ist entgegen der Ansicht des BAG (vgl. BAG v. 12.11.1997, AiB 1998, 704) richtigerweise – jedenfalls im Falle eines Auflösungsantrages – nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen (DKK-Kittner, BetrVG, § 78a Rn. 39; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 78a Rn. 44). Zu beachten ist die neuere Rechtsprechung der 1. und 2. Instanz, nach der eine Weiterbeschäftigung auch dann zumutbar ist, wenn zwar nicht im bisherigen Betrieb, aber in einem anderen Betrieb des Unternehmens geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen (LAG Rheinland-Pfalz v. 5.7.1996, ArbuR 1997, 84).
Ist ein freier Arbeitsplatz definitiv nicht vorhanden, so gilt nach Ansicht des BAG Folgendes: Ist ein Auszubildender (hilfsweise) bereit, zu anderen als den sich aus § 78a BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen in ein Arbeitsverhältnis übernommen zu werden (z.B. in ein befristetes oder in ein Teilzeitarbeitsverhältnis), so muss er dies dem Arbeitgeber unverzüglich nach dessen Erklärung nach § 78a Abs. 1 BetrVG, spätestens mit seinem Übernahmeverlangen nach § 78a Abs. 2 BetrVG, mitteilen. Eine Einverständniserklärung im gerichtlichen Verfahren soll nicht genügen. Hat der Auszubildende rechtzeitig erklärt, gegebenenfalls auch zu anderen Bedingungen zu arbeiten, muss der Arbeitgeber prüfen, ob die anderweitige Beschäftigung möglich und zumutbar ist. Unterlässt er die Prüfung oder verneint er zu Unrecht die Möglichkeit und die Zumutbarkeit, so kann das nach § 78a Abs. 2 BetrVG entstandene Arbeitsverhältnis nicht nach § 78a Abs. 4 BetrVG aufgelöst werden (BAG v. 6.11.1996, AiB 1997, 604). Nach zutreffender anderer Ansicht entsteht ein Arbeitsverhältnis zu anderen Bedingungen bereits dann, wenn ein solcher anderweitiger Arbeitsplatz vorhanden ist und der Auszubildende sein Einverständnis erklärt (LAG Frankfurt v. 6.1.1987, NZA 1987, 532; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 78a Rn. 57 m.w.N.).
Auf das nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG begründete Arbeitsverhältnis ist § 37 Abs. 4 und 5 BetrVG entsprechend anzuwenden (§ 78a Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Das heißt: Das Arbeitsentgelt des JAV-Mitgliedes darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, darf das JAV-Mitglied einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer gleichwertig sind (siehe àBetriebsrat).
Die Bestimmungen des § 78a Abs. 1 und 2 BetrVG gelten auch, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung oder des Betriebsrats endet (§ 78a Abs. 3 BetrVG).
§ 78a BetrVG gilt auch für àErsatzmitglieder des Betriebsrats oder der JAV, sofern sie dauerhaft oder vorübergehend nachgerückt sind (BAG v. 15.1.1980, AP Nr. 8 zu § 78a BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 78a Rn. 11).
Mit freundlichen Gruß