Erstellt am 06.08.2006 um 17:17 Uhr von Heini
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes darf die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen einer Langzeiterkrankung unter drei Voraussetzungen erfolgen:
Es muß eine negative Prognose wegen der Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Die betrieblichen Interessen müssen dadurch in erheblichem Maße beeinträchtigt werden.
Aus einer Interessenabwägung muß sich schließlich ergeben, daß die betrieblichen Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber nicht hinnehmbar sind.
Bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit liegen diese Voraussetzungen gewöhnlich vor, so daß eine Kündigung zulässig ist.
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes v. 29.04.1999 - AZ 431/98
Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gem. § 138 II ZPO darzutun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Da der Arbeitnehmer im Falle der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen nicht den Beweis führen muss, dass die Negativprognose nicht gerechtfertigt ist, muss die Indizwirkung der Krankheitszeiten in der Vergangenheit dann als ausreichend erschüttert angesehen werden, wenn sich aus den Auskünften der behandelnden Ärzte jedenfalls Zweifel an der Negativprognose ergeben (BAG, Urteil vom 07.11.2002 - 2 AZR 599/01, NZA 2003, 816 Os).
Bei der im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung durchzuführenden Interessenabwägung zwischen den betrieblichen Belangen und der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers sind auch dessen Unterhaltspflichten und eine eventuelle Schwerbehinderung des Arbeitnehmer zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99, Klette, DStR 2000, 699 L).
Erstellt am 06.08.2006 um 17:27 Uhr von wanst
Langzeiterkrankung eines Arbeitnehmers
Über einen längeren Zeitraum andauernde Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers.
Die Kündigung eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers ist nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
* Hinsichtlich der Wiedereinsetzbarkeit des Arbeitnehmers muss eine ärztlich attestierte negative Zukunftsprognose vorliegen.
* Es muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Belange des Arbeitgebers gegeben sein (dies kann in Störungen des Betriebsablaufes oder in wirtschaftlichen Belastungen mit Lohnfortzahlungskosten liegen) und
* eine Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers muss ergeben, dass dem Arbeitgeber die Beeinträchtigung nicht mehr zuzumuten ist.
Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis wegen langandauernder Krankheit des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht kündigen, wenn Überbrückungsmaßnahmen möglich sind. Mögliche Überbrückungsmaßnahmen sind beispielsweise:
* Neueinstellung einer Aushilfskraft,
* Durchführung von Über- oder Mehrarbeit,
* personelle Umorganisation.
Erstellt am 06.08.2006 um 17:29 Uhr von Ramses II
wanst,
wenn man Deinen Worten folgt dann ist eine Kündigung langzeitkranker Arbeitnehmer in aller Regel völlig unmöglich!
Erstellt am 06.08.2006 um 18:09 Uhr von Gevatter
Völlig unmöglich nicht, aber ziemlich schwierig. Dazu kommt noch §84 SGB 9. Die Kündigung kann erst nach ultima ratio ausgesprochen werden. Die Langzeiterkrankung kostet den Arbeitgeber wesentlich weniger Geld als häufige Kurzerkrankungen, diese nehmen übrigens im Kündigungsranking Platz 1 ein. Da geht die Sache erheblich schneller als man es aus den Gesetzestexten herausinterpretiert. Die Kombination häufig verspätetes Erscheinen am Arbeitsplatz / häufige Kurzerkrankungen ist die am besten geeignete um den Job schnellstmöglich zu verlieren.
Erstellt am 06.08.2006 um 20:10 Uhr von Ramses II
Gevatter,
dann erklär mir bitte mal, wie der Arbeitgeber da ran kommen soll:
"Hinsichtlich der Wiedereinsetzbarkeit des Arbeitnehmers muss eine ärztlich attestierte negative Zukunftsprognose vorliegen."
Wenn dem tatsächlich so wäre, dann müsste der AN doch mit dem Klammerbeutel gepudert sein wenn er solch ein Attest seinem Arbeitgeber vorlegt.
Erstellt am 06.08.2006 um 20:15 Uhr von Gevatter
.. indem der AG einen RA beauftragt.
Erstellt am 06.08.2006 um 22:13 Uhr von Ramses II
Und was macht der RA ? (Außer Rechnung schreiben?)
Erstellt am 06.08.2006 um 22:41 Uhr von Lotte
Ramses,
"Hinsichtlich der Wiedereinsetzbarkeit des Arbeitnehmers muss eine ärztlich attestierte negative Zukunftsprognose vorliegen."
Im Zuge des Antrags auf Erwerbsunfähigkeit, habe ich durchaus die Erfahrung gemacht, dass AN einer solchen Bescheinigung gegenüber nicht abgeneigt sind.
Was der RA machen soll, weiß ich allerdings auch nicht.
Erstellt am 06.08.2006 um 22:49 Uhr von Ramses II
Naja Lotte,
was kann denn dem Arbeitgeber besseres passieren als solch eine Bestätigung?
Aber normalerweise läuft das ja doch genau anders herum. Der Arbeitgeber wird eine ärztlich bestätigte POSITIVE Zukunftsprognose verlangen. Wenn der AN diese nicht beibringt (oder beibringen kann), dann erfolgt die Kündigung. Dafür braucht der AG nämlich garantiert nie nicht die ärztlich bestätigte negative Zukunftsprögnose. Dem AN obliegt es dann im Kündigungsschutzprozess die positive Zukunftsprognose beizubringen. Im Arbeitsrecht gilt halt doch sehr häufig die Beweisumkehr.
Erstellt am 06.08.2006 um 23:44 Uhr von Fayence
Kurze Zwischenfrage!
Seit wann wird denn ein Antrag auf Arbeitsunfähigkeit gestellt? Ich kenne es nur so, dass diese von einem Arzt bescheinigt wird, so es denn so ist!
Erstellt am 07.08.2006 um 08:32 Uhr von Lotte
Fayence,
hast vollkommen Recht,
ich meinte auch nicht die AU Bescheinigung, sondern den Antrag bei der BfA auf Frührente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Habe es geändert.
Ramses,
habe den Fall gerade bei einer Kollegin erlebt, die der BfA einige Gutachten vorlegte, die bescheinigten, dass sie nicht mehr arbeiten könne. Die BfA fand aber immer noch Lücken und schickte sie von einem Arzt zu dem anderen und von fünf Ärzten fand dann einer doch, dass sie noch arbeiten könne. Sie wäre wohl froh gewesen, wenn alle der Meinung gewesen wären, dass sie nicht mehr arbeiten könne. Jetzt ist sie arbeitslos und war einverstanden mit der Feststellung auf Berufunfähigkeit statt Erwerbsunfähigkeit.
Aber in der Sache hast Du Recht.
Erstellt am 07.08.2006 um 09:16 Uhr von Ramses II
Lotte,
Du darfst aber Verrentung und krankheitsbedingte Kündigung nicht zusammen werfen. Alleine schon weil unterschiedliche Gerichte zuständig sind.
Erstellt am 07.08.2006 um 09:49 Uhr von Lotte
Ramses,
manchmal raucht mir hier im Forum echt der Kopf.
Und eigentlich will ich gar nicht immer denken müssen: "Stimmt, da hat er schon wieder recht."
Aber warte ab, im September fange ich mit einer einjährigen Fortbildung für BR an, dann ändert sich das hoffentlich ;-))
Erstellt am 07.08.2006 um 09:53 Uhr von Ramses II
"einjährige Fortbildung für BR "
Ich gehe mal kurz PopCorn holen und bin gespannt auf paulas Beitrag.
Erstellt am 07.08.2006 um 10:00 Uhr von Lotte
Ramses,
wußte ich doch, dass Du darauf anspringst ;-)
aber für Paula zum Anspringen ist es nichts, ist hier von der Akademie für Arbeit und Politik organisiert, die an der Uni angeschlossen ist und es handelt sich um Mittwochabend und alle 6-8 Wochen Freitag/Samstag. Außerdem sind die Kosten nicht höher als zwei andere 3 Tagesseminare kosten würden.
Die BR aus anderen Betrieben, mit denen ich mich unterhalten habe und die dies gemacht haben sind ganz begeistert. So, genug abgeschweift.
Erstellt am 07.08.2006 um 10:03 Uhr von paula
wer genehmigt denn einjährige schulungen für BRM? da reicht doch ein wochenseminar!!! *lach*
was das thema attest angeht:
es gibt ja arbeitgeber die fordern schweigepflichtsentbindungserklärungen beim AN an. nur der AN muss das ja nicht machen. der AG stellt dann seine zukunftsprognose anhand der fehlzeiten in der vergangenheit. das wird dem AG aber im kündigungsschutzprozess nicht helfen, da die zukunftsprognose nach objektiven kriterien zu bestimmen ist.
Erstellt am 07.08.2006 um 10:44 Uhr von Ramses II
paula,
der AN wird jedoch im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht im Kündigungsschutzprozess Tatsachen vortragen müssen, die den Ansciensbeweis des Arbeitgebers erschüttern. Dies wird im Allgemeinen durch die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht geschehen.
Kann der AN das nicht, oder tut er es nicht, dann wird er den Kündigungsschutzprozess in aller Regel verlieren.
Erstellt am 07.08.2006 um 10:50 Uhr von Gevatter
@ Ramses und genau das meinte ich mit RA konsultieren. Hier hört es sich so an, als wenn es superschwierig wäre Kurzzeitkranke zu feuern. Das geht viel schneller als man denkt.