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Auswahlrichtlinien

Autor:
Dr. Achim Lacher
8 Minuten Lesezeit

Auswahlrichtlinien im Sinne von § 95 Abs. 1 BetrVG sind Regeln, die der Arbeitgeber seinen Personalentscheidungen zugrunde legt. Dabei geht es um den Grundsatz, welche fachlichen, persönlichen und sozialen Gesichtspunkte bei Personalentscheidungen berücksichtigt werden sollen.

In diesem Artikel erfahren Sie, welche Arten von Richtlinien es gibt.

Auswahlrichtlinien

Begriff der Auswahlrichtlinien

Unter Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG versteht man allgemeine Regelungen, durch die bestimmt wird, welche Kriterien bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG anzuwenden sind.

Hierbei kann es sich um fachliche, persönliche oder sonstige Kriterien handeln. Normalerweise werden diese Auswahlrichtlinien für eine Vielzahl von möglichen personellen Einzelmaßnahmen aufgestellt, jedoch ist es auch möglich, dass sie nur für einen einzigen konkreten betrieblichen Anlass aufgestellt werden, beispielsweise für eine bestimmte Betriebsänderung.

Durch die Aufstellung von Auswahlrichtlinien soll der Entscheidungsprozess hinsichtlich der Auswahl der von einer personellen Einzelmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer objektiviert werden umso hinsichtlich dieser Auswahl eine größere Rechtssicherheit und einen weitergehenden Schutz vor willkürlichen Maßnahmen des Arbeitgebers sicherzustellen.

Die Auswahlrichtlinien greifen daher erheblich in die Entscheidungskompetenz des Arbeitgebers ein, da er für den Fall, dass in seinem Betrieb Auswahlrichtlinien aufgestellt wurden die Entscheidung über personelle Einzelmaßnahmen nur noch im Rahmen der geltenden Auswahlrichtlinien treffen kann und der Betriebsrat für den Fall, dass die personelle Einzelmaßnahme gegen eine Auswahlrichtlinie verstößt die Zustimmung zu dieser personellen Einzelmaßnahme verweigern kann, oder im Falle der Kündigung der Kündigung wegen des Verstoßes gegen die Auswahlrichtlinien widersprechen kann.

Diesem, nicht unerheblichen Eingriff, in die Auswahlbefugnis des Arbeitgebers trägt der Gesetzgeber dadurch Rechnung, dass er § 95 BetrVG so ausgestaltet hat, dass der Betriebsrat erst in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern ein erzwingbares Recht zur Aufstellung von Auswahlrichtlinien hat, arbeiten in dem Betrieb weniger als 500 Arbeitnehmern, so kann der Betriebsrat die Aufstellung von Auswahlrichtlinien nicht erzwingen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber also, wenn er sich mit dem Betriebsrat nicht auf den Inhalt der Auswahlrichtlinien einigen kann schlicht davon absehen solche Richtlinien aufzustellen. Weiterhin ist es in Betrieben unter 500 Arbeitnehmern alleine dem Arbeitgeber möglich im Falle einer nicht erfolgten Einigung mit dem Betriebsrat die Einigungsstelle anzurufen.

Die Auswahlrichtlinien stellen also Grundsätze dar, mit deren Hilfe bei personellen Einzelmaßnahmen, für die mehrere Bewerber oder Arbeitnehmer in Frage kommen, eine an vorher vorgegebene, nachvollziehbare Maßstäbe gebundene Entscheidung herbeigeführt werden soll. Die einzelnen Kriterien können durch verschiedene Bewertungssysteme insgesamt oder voneinander getrennt gewichtet werden, d.h., dass entweder für jede Art von Personalauswahl dieselben Richtlinien gelten sollen, oder dass für die verschiedenen Arten der Personalauswahl, wie sie nachfolgend dargestellt werden, jeweils eigene Auswahlrichtlinien festgelegt werden.

Für die Festlegung von Auswahlrichtlinien ist es ausreichend, wenn einige wesentliche Kriterien für eine Bewerberauswahl herangezogen werden.

Auswahlrichtlinien bedürfen als solches nicht der Schriftform. Die Vereinbarung über Auswahlrichtlinien kann auch mündlich erfolgen. Allerdings kann das bei § 95 bestehende mit Bestimmungsrecht nicht durch die Nichteinhaltung der Form umgangen werden.

Arten der Richtlinien

In der Praxis werden meist folgende Richtlinien vereinbart:

  • Einstellungsrichtlinien
  • Versetzungs- und Umgruppierungsrichtlinien
  • Kündigungsrichtlinien

Anforderungsprofile und Stellenbeschreibungen

Von den Auswahlrichtlinien zu unterscheiden sind Anforderungsprofile und Stellenbeschreibungen. Anforderungsprofile für einen bestimmten Arbeitsplatz bzgl. der fachlichen, persönlichen und sonstigen Anforderungen und Stellenbeschreibungen stellen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Auswahlrichtlinien dar, da sie lediglich festlegen, welchen Anforderungen fachlicher persönlicher oder sonstiger Art ein potentieller Stelleninhaber genügen muss (BAG 31. Dezember 1984,1 ABR 63/81).

Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in der Literatur vielfach kritisiert worden, stellt jedoch eine gefestigte Rechtsprechung dar. Dem BAG ist insofern recht zu geben, dass Anforderungsprofile und Stellenbeschreibungen den äußeren Rahmen darstellen der beschreibt, ob Bewerber (und damit sind sämtliche Bewerber gemeint) potentiell überhaupt für die Stelle infrage kommen. Damit ist noch nicht geregelt, welcher der verschiedenen, in den äußeren Rahmen fallenden Bewerber die Stelle schließlich bekommt. Anforderungsprofile beschreiben beispielsweise die grundlegende berufliche Qualifikation, die ein Bewerber mindestens mitbringen muss um für die in Aussicht genommene Stelle überhaupt infrage zu kommen.

Richtlinien für Einstellung, Versetzung und Umgruppierung

Bei der Festlegung von Richtlinien für die Einstellung, Versetzung und Umgruppierung umfasst die Regelungsbefugnis drei mögliche Bereiche, nämlich den fachlichen, den persönlichen und den sozialen Bereich.

Der fachliche Bereich

Hinsichtlich des fachlichen Bereichs ist zunächst zu beachten, was oben zum Thema Anforderungsprofile und Stellenbeschreibungen ausgeführt ist. In die eigentliche Bewerberauswahl ist also nur derjenige einzubeziehen, der dem grundsätzlichen Anforderungsprofil entspricht.

Dies wiederum bedeutet, dass der Arbeitgeber zunächst alleine, ohne Mitwirkung des Betriebsrates festlegen kann, wie er den äußeren Rahmen für die Stelle absteckt.

Die Frage, inwieweit innerhalb dieses Rahmens einzelne Faktoren, wie Schulbildung, Ausbildung, u. Ä .untereinander abzuwägen sind, ist dann Gegenstand der Auswahlrichtlinien.

Im fachlichen Bereich können also beispielsweise berücksichtigt werden:

• Schulbildung

• abgelegte Prüfungen

• beruflicher Werdegang

• Grund-und Spezialkenntnisse

Der persönliche Bereich

Beim Persönlichen Bereich sind die persönlichen Umstände der Bewerber abzuwägen. Hierzu gehören beispielsweise:

• der Gesundheitszustand

• das Lebensalter

• das Geschlecht

• gegebenenfalls eine Schwerbehinderung

Bereits anhand dieser Aufzählung wird klar, dass der persönliche Bereich deutlich problematischer zu handhaben ist als der fachliche Bereich. Während im fachlichen Bereich verhältnismäßig objektive Kriterien zu Grunde gelegt werden können, ist dies beim persönlichen Bereich deutlich schwieriger.

Es muss zwischen den Betriebsparteien zunächst einmal ein entsprechendes Ziel definiert werden. Gibt es beispielsweise im Unternehmen einen deutlichen Überhang eines bestimmten Geschlechts, ist es zulässig, in den Auswahlrichtlinien festzulegen, dass bei gleicher Qualifikation die Angehörigen des Minderheitengeschlechts bevorzugt eingestellt werden.

Darüber hinaus ist es auch möglich, bei der Einstellung bestimmte Altersklassen zu bevorzugen, beispielsweise zur Erhaltung oder Schaffung einer tragfähigen Altersstruktur im Betrieb, allerdings muss hier sehr darauf geachtet werden, dass die Grenze zur Altersdiskriminierung nicht überschritten wird. Altersdiskriminierung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur die Diskriminierung von Mitarbeitern wegen ihres fortgeschrittenen Alters, sondern auch die Diskriminierung jüngerer Mitarbeiter wegen fehlenden fortgeschrittenen Alters.

Was die Bevorzugung (schwer-)behinderter Mitarbeiter angeht, so ist die Förderung der Beschäftigung (schwer-)behinderter Menschen ein allgemein anerkanntes arbeitsmarktpolitisches Ziel und insofern im Hinblick auf eine mögliche Diskriminierung nicht behinderter Mitarbeiter unproblematisch.

Der soziale Bereich

Der soziale Bereich ist vom persönlichen Bereich nicht immer klar zu unterscheiden.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass zum sozialen Bereich gehören:

• Unterhaltspflichten

• Dauer der Betriebszugehörigkeit

• Familienstand

• Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen

• Dauer der Betriebszugehörigkeit

• Dauer einer der Einstellung vorausgegangenen Arbeitslosigkeit

Auch in diesem Zusammenhang ist auf eine diskriminierungsfreie Auswahl zu achten.

Kündigungsrichtlinien

Auswahlrichtlinien über Kündigungen können nur für betriebsbedingte Kündigungen erstellt werden in diesem Sinne beschränken sich die Auswahlrichtlinien und ihre Grundsätze auf die soziale Auswahl unter den möglicherweise betroffenen Arbeitnehmern.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nur noch berücksichtigt werden dürfen:

• die Dauer der Betriebszugehörigkeit

• die Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen

• das Lebensalter

• eine möglicherweise bestehende Schwerbehinderung

Bei der Festlegung der Sozialkriterien im Rahmen einer sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG und deren Gewichtung haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Beurteilungsspielraum. Wie die Sozialkriterien untereinander gewichtet werden sollen, unterfällt also der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien.

Genügen diese Richtlinien den Anforderungen des § 1 Abs. 4 KSchG, so wird eine soziale Auswahl im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nur auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft.

Verfahrensgrundsätze

Zum Bereich der Auswahlrichtlinien zählen auch Verfahrensgrundsätze, die bei der Auswahl der betreffenden Arbeitnehmer zu beachten sind. Hierzu zählen zum Beispiel die Festlegung, welche Unterlagen der Arbeitgeber bei der Einstellung zu berücksichtigen hat, sowie Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat, also beispielsweise auch die Frage, ob der Betriebsrat ein Teilnahmerecht bei Vorstellungsgesprächen hat (gesetzlich existiert ein solches Teilnahmerecht nicht) und ähnliche Verfahrensrichtlinien

Verstoß gegen die Auswahlrichtlinien

Der Verstoß gegen die Auswahlrichtlinien als Zustimmungsverweigerungsgrund bei personellen Einzelmaßnahmen und als Widerspruchsgrund bei ordentlichen Kündigungen:

Gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG stellt ein Verstoß gegen bestehende Auswahlrichtlinien einen Grund zur Zustimmungsverweigerung und gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG bei der ordentlichen Kündigung einen Widerspruchsgrund dar.

Diese Widerspruchsgründe entfallen selbstverständlich ersatzlos, wenn in dem betreffenden Unternehmen keine Auswahlrichtlinien existieren.

Der Betriebsrat nimmt sich also einen erheblichen Teil der Mitwirkungsrechte, wenn er mit dem Arbeitgeber nicht die Aufstellung von Auswahlrichtlinien vereinbart.

Praxis-Tipp

In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern hat der Betriebsrat ein erzwingbares Recht auf Aufstellung von Auswahlrichtlinien und ihren Inhalt, § 95 Abs. 2 BetrVG.

In Betrieben mit weniger als 500 Arbeitnehmern sind Auswahlrichtlinien vom Betriebsrat nicht erzwingbar. Will der Arbeitgeber aber Auswahlrichtlinien einführen, bedarf dies der Zustimmung des Betriebsrats, § 95 Abs. 1 BetrVG.

Kommt in den Fällen des § 95 Abs. 1 und 2 BetrVG keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande entscheidet die Einigungsstelle.

Im Falle des § 95 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber das alleinige Anrufungsrecht; in Fällen des § 95 Abs. 2 BetrVG beide Betriebspartner.

Die Einigungsstelle kann bei der Aufstellung von Versetzungsauswahlrichtlinien eine Bewertung im Rahmen eines Punktesystems beschließen. Dem Arbeitgeber muss aber ein Entscheidungsspielraum bleiben, BAG 27.10.1992, 1 ABR 4/92.

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Autor: Dr. Achim Lacher

Rechtsanwalt Dr. Achim Lacher ist nach Studium und Promotion in Würzburg seit 1997 als Rechtsanwalt zugelassen. Er berät und vertritt bundesweit Betriebsräte, Arbeitnehmer und Unternehmen in betriebsverfassungsrechtlichen und individualarbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Seit 2010 ist er als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Stuttgart tätig. Im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts berät er als juristischer Sachverständiger vor allem im Zusammenhang mit dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen, aber auch bei Interessenausgleich und Sozialplan. Seit 2010 ist er als Referent für die WAF tätig.
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