Ist Bereitschaftsdienst immer Mehrarbeit?

BAG Erfurt Az. 9 AZR 448/20 vom 27. Juli 2021

Leitsatz

Schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen können eine Befreiung von Mehrarbeit verlangen. Allerdings zählt nicht jeder Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juli 2020 - 8 Sa 438/19 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 8. Oktober 2019 - 4 Ca 226/19 - im Hinblick auf den ersten Hilfsantrag, soweit er die Teilnahme an der Rufbereitschaft von samstags 00:00 Uhr bis montags 07:15 Uhr betrifft, zurückgewiesen und den zweiten Hilfsantrag abgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des den schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Klägers zur Teilnahme an von der Beklagten als (Wochenend-)Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einer Verbandsgemeinde, als Wassermeister in Vollzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 7. Februar 2006 idF vom 30. August 2019 (im Folgenden TVöD-V) Anwendung. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

"§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit

...

(5) Die Beschäftigten sind im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Schichtarbeit sowie - bei Teilzeitbeschäftigung aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung - zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet.

...

§ 7 Sonderformen der Arbeit

...

(3) Bereitschaftsdienst leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.

(4) Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Rufbereitschaft wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Beschäftigte vom Arbeitgeber mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausgestattet sind.

...

(6) Mehrarbeit sind die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1) leisten.

(7) Überstunden sind die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.

..."

Der Beklagten obliegt ua. die Trinkwasserversorgung in ihrem Zuständigkeitsbereich. Für die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter führte sie Bereitschaftszeiten ein, die sie als Rufbereitschaft anordnete. Hieran nahm auch der Kläger aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen "Vereinbarung über die Pauschalierung der Rufbereitschaftsvergütung und die Pauschalisierung von Erschwerniszuschlägen/Schmutzzuschlägen" vom 18. Februar 2003 teil, in der es ua. heißt:

"Die Bediensteten der Verbandsgemeindewerke P teilen sich den erforderlichen Bereitschaftsdienst so, dass in der Regel der jeweilige Bedienstete jede 4. Woche Bereitschaft leistet. Die Rufbereitschaft beginnt ab 01.02.2003.

Bei Urlaub, Erkrankung und sonstigen Ausfällen vertreten sich die Bediensteten gegenseitig.

...

Die Überstunden, die aus der Heranziehung zur Arbeitsleistung aus der Rufbereitschaft heraus geleistet werden, werden durch Freizeitgewährung ausgeglichen."

Der Kläger weist einen Grad der Behinderung von 40 auf und wurde einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Aufgrund einer Erkrankung an Wirbelsäule und Bandscheiben wurde ihm von ärztlicher Seite sowie von einem Diplom-Psychologen empfohlen, sich von den Bereitschaftszeiten befreien zu lassen. Einen entsprechenden Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 25. November 2016 ab und begründete dies auszugsweise wie folgt:

"Ihr Antrag auf Herausnahme aus dem Bereitschaftsdienst

...

Um die Wasserversorgung im Bereich der Verbandsgemeinde sicherzustellen, ist es zwingend notwendig, dass das Personal in der Woche und an den Wochenenden zum Bereitschaftsdienst herangezogen wird. Aufgrund der geringen Personaldecke ist es auch erforderlich, dass alle fünf Personen zum Bereitschaftsdienst eingeteilt werden. ...

Selbstverständlich besteht eine Fürsorgepflicht, nach der wir auch auf die jeweiligen Belange unserer Mitarbeiter einzugehen haben. Der Werkleiter Herr R hat daher bereits in der Vergangenheit geregelt, dass Sie lediglich nach eigenem Ermessen körperliche Tätigkeiten während der normalen Arbeitszeit und während des Bereitschaftsdienstes ausüben sollen. In Situationen, in denen körperliche Arbeiten anfallen, ist während der normalen Arbeitszeit ein Kollege aus dem Wasserbereich anzufordern. Im Falle eines Notfalls während der Bereitschaft ist der Bereitschaftsdienst aus dem Abwasserbereich herbeizurufen. Diese Personen haben unseres Erachtens so viel Sachverstand, dass sie unter Ihrer fachmännischen Anleitung den Schaden beheben und/oder eingrenzen können.

Mit dieser Regelung nehmen wir auf die Verschlechterung Ihrer gesundheitlichen Situation ausdrücklich Rücksicht.

Durch die Delegation etwaiger körperlicher Arbeiten auf andere Personen, sollten Sie wieder in der Lage sein, uneingeschränkt ihren Dienst zu verrichten. Hierdurch sollte auch der psychische Druck entfallen, den sie bisher wahrgenommen haben.

Unter Abwägung aller Gesichtspunkte kann daher dem Antrag auf Herausnahme aus dem Bereitschaftsdienst leider nicht zugestimmt werden."

Auf einen erneuten Antrag des Klägers auf Befreiung von den Bereitschaftszeiten hin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 31. März 2017 Folgendes mit:

"Herausnahme aus dem Bereitschaftsdienst: Ihr Antrag vom 02.02.2017

Gleichstellung gem. § 2 Abs. 3 SGB IX: Neufestsetzung Ihrer Arbeitszeiten

Sehr geehrter Herr H,

mit Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 28.12.2016 wurden Sie auf Ihren Antrag hin gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Nach § 124 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen auf ihr Verlangen hin von Mehrarbeit freizustellen. Mehrarbeit ist hierbei jede über acht Stunden pro Werktag hinausgehende Arbeitszeit. Dies bedeutet nach Rücksprache mit unserem Arbeitgeberverband, dass innerhalb der angeordneten Rufbereitschaft bis zu acht Stunden gearbeitet werden kann.

Ihrem Antrag vom 02.02.2017 wegen Befreiung vom Bereitschaftsdienst kann aus diesem Grund teilweise entsprochen werden.

Im Anschluss an die tägliche Arbeitszeit brauchen Sie keine Mehrarbeit in Form von Rufbereitschaft zu leisten.

An Tagen ohne tägliche Arbeitszeit, z.B. an Wochenenden und Feiertagen bleibt die Möglichkeit zur Anordnung für Rufbereitschaftszeiten bestehen.

In diesen Fällen wird für die Rufbereitschaft folgende Regelung getroffen:

Rufbereitschaft von Freitag 00:00 Uhr bis Montag 07:15 Uhr.

Wenn Montag zwischen 00:00 Uhr und 7:15 Uhr Dienst wegen einem Bereitschaftsfall verrichtet wird, beträgt die Arbeitszeit an diesem Montag die Differenz zu 8 Stunden.

Ab 7:15 Uhr kann im Bereitschaftsfall das restliche Personal übernehmen.

Wenn 8 Stunden Dienst in der Rufbereitschaft an Samstagen, Sonn- und Feiertagen überschritten werden, ist rechtzeitig vorher die Rufbereitschaft des Abwassers hinzuzurufen, damit die 10 Stundengrenze (im Ausnahmefall) nicht überschritten wird.

Da die derzeit festgesetzte tägliche Arbeitszeit teilweise acht Stunden überschreitet, ist diese auf acht Stunden täglich zu begrenzen. Hierzu werden folgende Dienstzeiten festgelegt:

Montag bis Donnerstag (höchstens 8 Stunden)

7:15 bis 12:00 Uhr

vorgeschriebene Dienstzeit

12:00 bis 13:30 Uhr

Mittagspause mind. 30 Minuten aber bis 90 min. möglich

13:30 bis 15:45 Uhr

vorgeschriebene Dienstzeit

Freitag (7 Stunden)

7:15 bis 12:00 Uhr

vorgeschriebene Dienstzeit

12:00 bis 13:30 Uhr

Mittagspause mind. 30 Minuten aber bis 90 min. möglich

13:30 bis 14:45 Uhr

vorgeschriebene Dienstzeit

Diese Regelung gilt ab dem 01.04.2017. Der Personalrat erhält einen Abdruck dieses Schreibens."

Nach weiteren erfolglosen außergerichtlichen Freistellungsanträgen hat der Kläger mit seiner Klage geltend gemacht, er sei gemäß § 207 SGB IX von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zu befreien, weil es sich hierbei um Mehrarbeit iSd. § 207 SGB IX handele. Die Bereitschaftszeiten seien durchgehend als Arbeitszeit iSv. § 3 ArbZG zu qualifizieren. Zudem ergebe sich sein Anspruch, nicht zu den Bereitschaftszeiten herangezogen zu werden, aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Jedenfalls dürfe ihn die Beklagte nicht an Wochenenden bzw. an Sonntagen zu Bereitschaftszeiten einteilen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass er von dem Bereitschaftsdienst befreit ist;

hilfsweise

festzustellen, dass er von dem Bereitschaftsdienst im Anschluss an die tägliche Arbeitszeit von montags 07:15 Uhr bis freitags 14:45 Uhr freigestellt wird;

höchsthilfsweise

festzustellen, dass er von dem Bereitschaftsdienst sonntags freigestellt wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Befreiung von der Rufbereitschaft nicht zu. Der Kläger sei zu deren Ableistung nach dem TVöD-V iVm. der Vereinbarung vom 18. Februar 2003 verpflichtet. Lediglich im Anschluss an seine tägliche Vollarbeit habe er keine Rufbereitschaft zu leisten. Bei der angeordneten Rufbereitschaft handele es sich nicht um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes. An Rufbereitschaftstagen sei die tatsächliche Inanspruchnahme auf täglich acht Stunden begrenzt. Die körperlichen Einschränkungen des Klägers seien berücksichtigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen unterliegt sie der Zurückweisung.

A. Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit sie sich auf den Hauptantrag bezieht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts insoweit zurecht zurückgewiesen. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

I. Der Hauptantrag ist zulässig.

1. Er ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Antrag die Maßnahme, für die ein Recht bejaht oder verneint wird, so genau bezeichnen, dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Beteiligten mit Rechtskraftwirkung entschieden werden kann (st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2021 - 7 AZR 193/20 - Rn. 46 mwN; 1. Dezember 2020 - 9 AZR 192/20 - Rn. 16 mwN).

b) Diesem Erfordernis wird der Hauptantrag unter Berücksichtigung der Klagebegründung gerecht. Das Klagebegehren richtet sich danach nicht gegen eine konkrete Weisung der Beklagten. Der Kläger möchte vielmehr festgestellt wissen, dass er insgesamt - in jeder denkbaren Fallkonstellation - von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten befreit ist. Er geht insoweit generell vom Vorliegen einer unzulässigen Mehrarbeit iSd. § 207 SGB IX aus und hält zudem die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der "Fürsorgepflicht des Arbeitgebers" für verpflichtet, ihn von den Bereitschaftszeiten freizustellen. Der Kläger begehrt damit die Feststellung der Grenzen des Direktionsrechts der Beklagten in dem von ihm begehrten Sinne. Dass der Antrag eine Fülle von Konstellationen erfasst, steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen (vgl. BAG 29. September 2020 - 1 ABR 21/19 - Rn. 19 mwN; 22. September 2020 - 3 AZR 303/18 - Rn. 33 mwN).

2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist gegeben.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen, sondern kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr. vgl. BAG 15. Juli 2020 - 10 AZR 507/18 - Rn. 37 mwN).

b) Vorliegend beruft sich die Beklagte darauf, dem Kläger grundsätzlich als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zuweisen zu dürfen, während der Kläger die Einteilung zu Bereitschaftszeiten generell für unzulässig hält. Die begehrte Feststellung ist geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über diese Streitfrage auszuschließen (vgl. BAG 18. Februar 2021 - 6 AZR 702/19 - Rn. 14 mwN; 23. Juli 2019 - 9 AZR 372/18 - Rn. 10).

II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine generelle Freistellung von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zusteht. Sein Hauptantrag erfasst Fallgestaltungen, in denen der Kläger verpflichtet sein kann, diese Dienste zu leisten.

1. Bei dem Hauptantrag handelt es sich um einen Globalantrag, da er die Teilnahme an jedweden Bereitschaftszeiten unabhängig von ihrer zeitlichen Lage, Dauer und inhaltlichen Ausgestaltung erfasst. Damit hat er eine Vielzahl von Fallgestaltungen zum Gegenstand und ist als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn - wie vorliegend - unter ihn auch Sachverhalte fallen, in denen das Feststellungsbegehren erfolglos ist (vgl. BAG 23. März 2021 - 1 ABR 31/19 - Rn. 55; 12. März 2019 - 1 ABR 42/17 - Rn. 74 mwN, BAGE 166, 79).

2. Die Anordnung von Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft ist grundsätzlich vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dient der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts (BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 24). Nach der Vereinbarung der Parteien vom 18. Februar 2003 iVm. § 611a Abs. 1 BGB und § 6 Abs. 5 TVöD-V ist der Kläger grundsätzlich verpflichtet, jede vierte Woche Rufbereitschaft zu leisten.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 207 SGB IX iVm. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX, insgesamt - in jeder denkbaren Fallkonstellation - von Bereitschaftszeiten befreit zu werden. Die Vorschrift verbietet lediglich die Anordnung von Mehrarbeit; dies führt nicht automatisch zu einer Herausnahme aus jeder Form von Bereitschaftszeiten.

a) Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht wird durch die Vorschrift des § 207 SGB IX begrenzt. Schwerbehinderte Menschen und gemäß § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX ihnen Gleichgestellte werden danach auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt. Dies hat zur Folge, dass der schwerbehinderte bzw. einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmer, der - wie der Kläger - ein entsprechendes Verlangen geäußert hat, die Leistung von Mehrarbeit nicht schuldet und vom Arbeitgeber ihn zu Mehrarbeit herangezogen werden darf (vgl. BAG 3. Dezember 2002 - 9 AZR 462/01 - zu A II 1 c der Gründe, BAGE 104, 73).

b) Mehrarbeit ist jede über gesetzliche regelmäßige Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit (BAG 21. November 2006 - 9 AZR 176/06 - Rn. 20; grundlegend 3. Dezember 2002 - 9 AZR 462/01 - zu A II 1 b aa der Gründe, BAGE 104, 73). Diese beläuft sich auf werktäglich acht Stunden (vgl. BAG 3. Dezember 2002 - 9 AZR 462/01 - zu A II 2 b der Gründe, aaO). Der gesetzgeberischen Konzeption des Arbeitszeitgesetzes liegt grundsätzlich eine Sechstagewoche zugrunde. Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung in § 3 Satz 1 ArbZG ist die werktägliche Arbeitszeit. Werktag ist jeder Kalendertag, der kein Sonntag oder gesetzlich festgelegter Feiertag ist (vgl. § 9 Abs. 1 ArbZG; Baeck/Deutsch/Winzer ArbZG 4. Aufl. § 3 Rn. 14; ErfK/Wank 21. Aufl. ArbZG § 3 Rn. 2). Wird die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden oder die Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Tage in der Woche überschritten, liegt Mehrarbeit iSv. § 207 SGB IX vor.

c) Die individuell vereinbarte oder tarifliche regelmäßige Wochen- oder Monatsarbeitszeit bleibt bei der Bestimmung der Mehrarbeit iSv. § 207 SGB IX ebenso außer Betracht wie die Möglichkeit, die Arbeitszeit nach § 3 Satz 2 ArbZG auf bis zu zehn Stunden täglich zu verlängern (vgl. zu § 124 SGB IX aF BAG 21. November 2006 - 9 AZR 176/06 - Rn. 21; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 462/01 - zu A II 1 b aa (2) und (3) der Gründe, BAGE 104, 73). Die Vorschrift des § 207 SGB IX soll sicherstellen, dass die Leistungsfähigkeit schwerbehinderter Menschen nicht durch zu lange Arbeitszeiten überbeansprucht (vgl. BT-Drs. 7/1515, S. 15, 16) und die gleichberechtigte Teilhabe des schwerbehinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft gefördert wird (§ 1 SGB IX). Dieser Schutzzweck der Norm erfordert es, die tägliche Arbeitszeit zu begrenzen. Nur so wird gewährleistet, dass dem schwerbehinderten Menschen ausreichend Zeit für die Teilhabe an der Gesellschaft bleibt, insbesondere für die notwendigen täglich zu verrichtenden Angelegenheiten wie Einkaufen, Behördengänge etc. Ein Bezug auf vom Werktag unabhängige tarifliche oder sonst im Arbeitsverhältnis geltende Arbeitszeitregelungen würde dem nicht gerecht (vgl. zu § 124 SGB IX aF BAG 21. November 2006 - 9 AZR 176/06 - Rn. 21 mwN; 3. Dezember 2002 - 9 AZR 462/01 - zu A II 1 b aa der Gründe, BAGE 104, 73; zu § 46 SchwbG aF und § 3 AZO aF BAG 8. November 1989 - 5 AZR 642/88 - zu II der Gründe, BAGE 63, 221).

d) Entgegen der Ansicht des Klägers verlangt es der Schutzzweck der Regelung aber nicht, als Rufbereitschaft angeordnete Bereitschaftszeiten per se als Mehrarbeit iSd. § 207 SGB IX anzusehen. Vielmehr ist auch ein schwerbehinderter Mensch grundsätzlich zur Leistung von Bereitschaftszeiten in der Sechstagewoche verpflichtet, soweit damit keine Mehrarbeit verbunden ist.

e) Danach hat der Kläger jedenfalls keinen Anspruch darauf, generell von Bereitschaftszeiten ausgenommen zu werden. Angesichts seiner regulären Fünftagewoche könnte er zumindest an einem sechsten Tag in der Woche zu einer achtstündigen Bereitschaft herangezogen werden. Für die Abweisung des global gefassten Hauptantrags kommt es damit nicht darauf an, ob es sich bei den konkret angeordneten Bereitschaftszeiten um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes handelt (vgl. BAG 3. Dezember 2002 - 9 AZR 462/01 - zu A II 2 b der Gründe, BAGE 104, 73).

4. Im Ergebnis zutreffend verneint das Landesarbeitsgericht auch einen Anspruch des Klägers auf generelle Freistellung von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten aus § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX iVm. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX.

a) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen und diesen Gleichgestellte (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX) ua. Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit. Dies schließt die Gestaltung von Sonderformen der Arbeit wie zB Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft ein. Die Vorschrift begründet einen einklagbaren Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers oder eines diesem Gleichgestellten, nicht (mehr) zu Rufbereitschaftsdiensten eingeteilt zu werden, wenn er diese wegen seiner Behinderung nicht ausüben kann (vgl. zur Nachtarbeit BAG 3. Dezember 2002 - 9 AZR 462/01 - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 104, 73).

b) Macht der schwerbehinderte Arbeitnehmer Ansprüche nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX auf behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsorganisation und Arbeitszeit geltend, trägt er nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Beansprucht er, nicht mehr zu Rufbereitschaftsdiensten herangezogen zu werden, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, die damit verbundenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen zu können. Dazu obliegt es ihm vorzutragen, inwieweit sein Leistungsvermögen durch die Auswirkungen der Art und Schwere seiner Behinderung so eingeschränkt ist, dass er die ihm übertragene Sonderform der Arbeit (hier Bereitschaftszeiten) nicht mehr leisten kann (vgl. Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 164 Rn. 188; NPGWJ/Greiner 14. Aufl. SGB IX § 164 Rn. 54).

c) Nach den getroffenen Feststellungen hat der Kläger keine Tatsachen dargelegt, die darauf schließen lassen, dass er aufgrund seiner behinderungsbedingten Einschränkungen vollständig von der Teilnahme an den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zu befreien ist.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Vortrag des Klägers nicht darauf schließen lässt, er sei aufgrund seiner Behinderung selbst mit den gewährten Unterstützungen und Erleichterungen nicht dazu in der Lage, Bereitschaftszeiten zu leisten. Soweit der Kläger Rücken- und Bandscheibenleiden als Beeinträchtigungen anführt, hat die Beklagte diesen durch die Anweisung Rechnung getragen, er solle bei Einsätzen während der Bereitschaftszeiten Mitarbeiter aus der Abteilung Abwasser zur Unterstützung heranziehen, wenn er bestimmte Tätigkeiten aufgrund der seiner Beeinträchtigungen nicht ausführen könne. Soweit der Kläger das Vorliegen eines psychischen Leidens einwendet, fehlt Vortrag zu den damit verbundenen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die Fähigkeit, Bereitschaftszeiten zu leisten. Ärztliche Atteste sind nicht eingereicht, den vorgelegten Stellungnahmen des Diplom-Psychologen lassen sich Feststellungen zu konkreten Beeinträchtigungen nicht entnehmen.

bb) Mit seiner Rüge, das Landesarbeitsgericht habe eine ihm obliegende Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verletzt, dringt der Kläger bereits deshalb nicht durch, weil er nicht vorgetragen hat, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht ihm hätte erteilen müssen und was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte (vgl. zu den Anforderungen an eine Rüge der Verletzung von Hinweispflichten BAG 29. August 2018 - 7 AZR 206/17 - Rn. 46 mwN; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 32, BAGE 130, 119).

5. Ein Anspruch des Klägers auf generelle Befreiung von den Bereitschaftszeiten folgt auch nicht aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 611a Abs. 1, § 613 iVm. § 241 Abs. 2 BGB). Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass - insbesondere nicht im Zusammenhang mit seiner Gleichstellung stehende - gesundheitliche Gründe die Herausnahme aus der Rufbereitschaft erfordern.

B. Die Revision des Klägers ist begründet, soweit er die Feststellung begehrt, von samstags 00:00 Uhr bis montags 07:15 Uhr von den Bereitschaftszeiten freigestellt zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts insoweit zu Unrecht zurückgewiesen. Der Senat kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Einteilung des Klägers zu Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft für diesen Zeitraum tatsächlich Arbeitszeit darstellt und damit eine gemäß § 207 SGB IX unzulässige Anordnung von Mehrarbeit zum Gegenstand hat. Dies führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Soweit der Kläger im Übrigen die Feststellung begehrt, freitags von 14:45 Uhr bis 24:00 Uhr von den Bereitschaftszeiten freigestellt zu werden, ist die gegen die Abweisung des ersten Hilfsantrags gerichtete Revision unbegründet.

I. Der erste Hilfsantrag ist teilweise zulässig.

1. Mit ihm begehrt der Kläger die Feststellung, im Anschluss an die tägliche Arbeitszeit von montags 07:15 Uhr bis freitags 14:45 Uhr nicht an von der Beklagten angeordneten Wochenendrufbereitschaften teilnehmen zu müssen. Bei den Bereitschaftszeiten - so der Kläger - handele es sich durchgehend um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes. In der Einteilung zur Wochenendrufbereitschaft liege deshalb, zumindest soweit sie acht Stunden am Tag übersteige, die Anordnung von Mehrarbeit, die er nach § 207 SGB IX nicht zu leisten verpflichtet sei.

2. Der Antrag ist zulässig, soweit er sich auf die Teilnahme an Bereitschaftszeiten von samstags 00:00 Uhr bis montags 07:15 Uhr bezieht.

a) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung liegt vor. Die Feststellung, dass die Ausübung des Direktionsrechts wirksam oder unwirksam ist, kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BAG 15. Juli 2020 - 10 AZR 507/18 - Rn. 38).

b) Die Beklagte beruft sich darauf, den Kläger zur Wochenendrufbereitschaft einteilen zu dürfen. Sie hat ihn mit Schreiben vom 31. März 2017 darauf hingewiesen, dass er Rufbereitschaft "von Freitag 00:00 Uhr bis Montag, 07:15 Uhr" nach näheren Maßgaben zu leisten habe, wobei sein regulärer Dienst freitags um 14:45 Uhr ende. Der Kläger nimmt den Standpunkt ein, dass eine Weisung der Beklagten, nach dieser Maßgabe Rufbereitschaft zu leisten, unwirksam sei und er eine solche nicht befolgen müsse. Die begehrte Feststellung ist geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über die zwischen ihnen streitige Frage auszuschließen.

3. Im Übrigen ist der Antrag unzulässig. Der Kläger verfügt nicht über das erforderliche Interesse, gerichtlich feststellen zu lassen, freitags von 14:45 Uhr bis 24:00 Uhr nicht zu Bereitschaftszeiten eingeteilt werden zu dürfen. Eine Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an Bereitschaftszeiten im Anschluss an seine regelmäßige Arbeitszeit an Freitagen steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Beklagte berühmt sich nicht eines Rechts, den Kläger für diesen Zeitraum dazu einzuteilen. Sie hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 21. Juli 2020 ausdrücklich klargestellt, ihre Weisung im Schreiben vom 31. März 2017 sei dahingehend zu verstehen, dass der Kläger zur Rufbereitschaft nur von Samstag 00:00 Uhr bis Montag 07:15 Uhr herangezogen werden könne. Eine Einteilung des Klägers zu Bereitschaftszeiten an Freitagen sei nicht beabsichtigt.

II. Soweit der erste Hilfsantrag zulässig ist, durfte das Landesarbeitsgericht ihn nicht mit der gegebenen Begründung abweisen. Aufgrund der festgestellten Tatsachen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob es sich bei der von der Beklagten angeordneten Bereitschaftszeit tatsächlich um Rufbereitschaft oder um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes handelt mit der Folge, dass in der Einteilung zur Bereitschaftszeit zugleich eine dem Kläger gegenüber gemäß § 207 SGB IX iVm. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX unzulässige Anordnung von Mehrarbeit liegt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der erste Hilfsantrag sei unbegründet, weil die von der Beklagten angeordnete Rufbereitschaft als solche keine Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne darstelle. Die Beklagte habe dem Anspruch des Klägers aus § 207 SGB IX, von Mehrarbeit freigestellt zu werden, dadurch Rechnung getragen, dass sie ihn von der Rufbereitschaft montags bis freitags generell ausgenommen und ihn im Übrigen angewiesen habe, im Falle eines Arbeitseinsatzes am Samstag und Sonntag jeweils rechtzeitig vor Ablauf von acht Stunden effektiver Arbeitszeit den Bereitschaftsdienst des Bereichs Abwasser - zu seiner Ablösung - hinzuzuziehen. Eine Überschreitung der Normalarbeitszeit zu Wochenbeginn an dem jeweiligen Montag werde dadurch vermieden, dass die montags in der Rufbereitschaft ab 00:00 Uhr bis 07:15 Uhr anfallende effektive Arbeitszeit auf die regulär zu leistende achtstündige Arbeitszeit an diesem Werktag angerechnet werde.

2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Sie erlauben nicht die Annahme einer Verpflichtung des Klägers, auf Anweisung der Beklagten Bereitschaftszeiten an Wochenenden zu leisten. Die - grundsätzlich vom Direktionsrecht der Beklagten umfasste - Einteilung des Klägers zu den Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft am Wochenende (Samstag 00:00 Uhr bis Montag 07:15 Uhr) verstieße gegen seinen Anspruch aus § 207 SGB IX auf Freistellung von Mehrarbeit, wenn es sich bei den Bereitschaftszeiten insgesamt um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes handele. Die Anweisung, eine 55 Stunden und 15 Minuten umfassende Wochenendrufbereitschaft zu leisten, hätte dann zugleich die Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden und die Verteilung der Arbeitszeit auf sieben Tage in der Woche zum Gegenstand. Entsprechendes gölte, wenn der zur Wochenendrufbereitschaft eingeteilte Kläger typischerweise sowohl samstags als auch sonntags tatsächlich zur Arbeitsleistung abgerufen würde. In diesem Fall fiele Mehrarbeit jedenfalls dadurch an, dass er angesichts seiner regulären Fünftagewoche tatsächlich an sieben Tagen in der Woche zur Arbeitsleistung herangezogen würde.

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind arbeitsrechtlich Arbeitszeit. Sie müssen bei der Berechnung des zulässigen Umfangs der Arbeitszeit in vollem Umfang und nicht nur im Umfang des tatsächlichen Arbeitseinsatzes berücksichtigt werden (BAG 20. November 2018 - 9 AZR 327/18 - Rn. 15 mwN). Demgegenüber stellen Zeiten der Rufbereitschaft als solche (anders die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft) keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes dar (BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 519/05 - Rn. 42, BAGE 119, 41).

b) Unter Rufbereitschaft wird eine besondere Form des Bereithaltens zur Arbeit verstanden. Der Arbeitnehmer hat, ohne am Arbeitsplatz anwesend sein zu müssen, ständig für den Arbeitgeber erreichbar zu sein, um auf Abruf die Arbeit aufnehmen zu können (BAG 31. Januar 2002 - 6 AZR 214/00 - zu B I 2 der Gründe). Im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst, der im Bedarfsfall die sofortige Arbeitsaufnahme ermöglichen soll und bei der sich deshalb der Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 3 TVöD-V an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten hat, erlaubt Rufbereitschaft dem Arbeitnehmer grundsätzlich die Gestaltung seiner an sich arbeitsfreien Zeit. Er kann sich während der Rufbereitschaft um persönliche und familiäre Angelegenheiten, an sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, sich mit Freunden zu treffen etc. (BAG 25. März 2021 - 6 AZR 264/20 - Rn. 13; 31. Januar 2002 - 6 AZR 214/00 - aaO). Während der Rufbereitschaft darf der Arbeitnehmer deshalb seinen Aufenthaltsort grundsätzlich selbst bestimmen. Völlig frei ist er dabei aber nicht. Der Zweck der Rufbereitschaft besteht gerade darin, dass der Arbeitnehmer in der Lage sein muss, die Arbeit innerhalb einer angemessenen Zeitspanne auf Abruf aufnehmen zu können. Kennzeichnend für Rufbereitschaft ist daher, dass zwischen dem Abruf und der Arbeitsaufnahme nur eine solche Zeitspanne liegen darf, deren Dauer den Einsatz nicht gefährdet und die Arbeitsaufnahme im Bedarfsfall gewährleistet. Der Arbeitnehmer darf sich nicht in einer Entfernung vom Arbeitsort aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zuwiderläuft. Mithin stehen mittelbare Einschränkungen des Aufenthaltsorts dem Vorliegen von Rufbereitschaft nicht zwangsläufig entgegen. Die Eingrenzung der freien Wahl des Aufenthaltsorts und damit einhergehend der Möglichkeiten zur Gestaltung der Zeit der Rufbereitschaft ist vielmehr ein Wesensmerkmal dieses Dienstes (BAG 25. März 2021 - 6 AZR 264/20 - Rn. 14).

c) Erhebliche Einschränkungen durch die konkrete Ausgestaltung der Rufbereitschaft und besondere Vorgaben (zB kurze Reaktionszeiten) sind mit dem Wesen der Rufbereitschaft jedoch nicht vereinbar. Dies ergibt die unionsrechtskornforme Auslegung des Arbeitszeitgesetzes, das der Umsetzung der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben der RL 2003/88/EG dient. Nach deren Art. 2 Abs. 1 ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Demgegenüber ist Ruhezeit nach Art. 2 Abs. 2 RL 2003/88/EG jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Die Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" schließen einander aus. Die Bereitschaftszeit eines Arbeitnehmers ist deshalb arbeitszeitrechtlich entweder als Arbeitszeit oder als Ruhezeit einzustufen, da die RL 2003/88/EG keine Zwischenkategorie vorsieht (EuGH 9. März 2021 - C-344/19 - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 29 mwN). Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben muss, ist insgesamt als Arbeitszeit einzustufen, wenn dem Arbeitnehmer Einschränkungen auferlegt werden, die ihn bei objektiver Betrachtung ganz erheblich darin beeinträchtigen, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen in Anspruch genommen werden können, frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen zu können. Erreichen dagegen die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen nicht diesen Intensitätsgrad und erlauben sie es ihm, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, stellen nur die Zeiten tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung Arbeitszeit dar (vgl. EuGH 9. März 2021 - C-344/19 - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 36 ff. mwN).

aa) Bei der im Einzelfall zu treffenden Feststellung, ob Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft als Arbeitszeit anzusehen ist, sind nur Einschränkungen der Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, die diesem durch gesetzliche bzw. (tarif-)vertragliche Bestimmungen oder Vorgaben des Arbeitgebers auferlegt werden. Organisatorische Schwierigkeiten, die die Bereitschaftszeit für den Arbeitnehmer mit sich bringen und die sich nicht aus solchen Einschränkungen ergeben, sondern zB Folge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers sind, bleiben unberücksichtigt. Dementsprechend stellt eine große Entfernung zwischen dem vom Arbeitnehmer frei gewählten Ort und dem Ort, der für ihn während seiner Bereitschaftszeit innerhalb einer bestimmten Frist erreichbar sein muss, für sich genommen kein relevantes Kriterium für die Einstufung dieser gesamten Zeitspanne als Arbeitszeit dar (vgl. EuGH 9. März 2021 - C-344/19 - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 39 ff.).

bb) Die ständige Erreichbarkeit während der Bereitschaftszeit ist aber dann als Arbeitszeit im arbeitsrechtlichen Sinne zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer in Anbetracht der ihm eingeräumten sachgerechten Frist für die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten seine persönlichen sozialen Aktivitäten nicht planen kann. Demgegenüber ist Bereitschaftszeit, in der die Arbeit in nur wenigen Minuten aufzunehmen ist, grundsätzlich in vollem Umfang als Arbeitszeit anzusehen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall in der Praxis weitgehend davon abgehalten wird, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen (vgl. EuGH 9. März 2021 - C-344/19 - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 45 ff.). Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während der er verpflichtet ist, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, schränkt beispielsweise in erheblichem Maße seine Möglichkeit ein, anderen Tätigkeiten nachzugehen, und ist als Arbeitszeit anzusehen (EuGH 21. Februar 2018 - C-518/15 - [Matzak] Rn. 66). Das Bundesarbeitsgericht hat auch Reaktionszeiten von zehn Minuten (BAG 19. Dezember 1991 - 6 AZR 592/89 - zu II 2 der Gründe) und 20 Minuten (BAG 31. Januar 2002 - 6 AZR 214/00 - zu B I 2 der Gründe) zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme für zu kurz befunden. Ein Zeitraum von ca. 25 bis 30 Minuten stehe einer Rufbereitschaft hingegen nicht entgegen (BAG 31. Januar 2002 - 6 AZR 214/00 - zu B I 2 der Gründe).

cc) Bei der Beurteilung, ob die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichem Sinne zu qualifizieren ist, fällt außerdem die durchschnittliche Häufigkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeiten ins Gewicht. Ein Arbeitnehmer, der während einer Bereitschaftszeit im Durchschnitt zahlreiche Einsätze zu leisten hat, verfügt über einen nur geringen Spielraum, um seine Zeit während der Perioden der Inaktivität frei zu gestalten, weil diese häufig unterbrochen werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Einsätze von nicht unerheblicher Dauer sind (vgl. EuGH 9. März 2021 - C-344/19 - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 51 f.). Wird der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt nur selten in Anspruch genommen, liegt gleichwohl Arbeitszeit in arbeitszeitrechtlichem Sinne vor, wenn die dem Arbeitnehmer für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegte Frist hinreichende Auswirkungen hat, um seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Zeit, in der während der Bereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, objektiv gesehen ganz erheblich einschränken (vgl. EuGH 9. März 2021 - C-344/19 - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 54).

d) Das Landesarbeitsgericht hat die nach den vorstehenden Grundsätzen gebotene Gesamtwürdigung nicht vorgenommen. Erst diese ermöglicht die Beurteilung, ob die Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit zu qualifizieren sind. Die angefochtene Entscheidung würdigt nur den Zeitraum, der dem Kläger vom Abruf bis zur Arbeitsaufnahme zur Verfügung steht, ohne die von ihm erwartete Reaktionszeit oder die Eilbedürftigkeit der Einsätze näher aufzuklären. Mit den weiteren Beurteilungskriterien der Häufigkeit und Dauer der Einsätze hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Entsprechendes gilt für die Prognose, ob der Kläger häufig zu Einsätzen am Samstag und Sonntag gerufen und damit regelmäßig die Sechstagewoche überschritten wird.

III. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat die erforderliche Gesamtabwägung nicht selbst vornehmen und darüber entscheiden, ob die von der Beklagten angeordnete Rufbereitschaft als Arbeitszeit iSv. § 3 ArbZG zu qualifizieren ist. Dies führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird die notwendigen Feststellungen, insbesondere zur Reaktionszeit, durchschnittlichen Häufigkeit und Dauer der tatsächlichen Inanspruchnahme des Klägers während der Bereitschaftszeiten, zu treffen haben, um unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls abschließend zu beurteilen, ob der Kläger während seiner Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft objektiv gesehen so erheblichen Einschränkungen unterworfen ist, dass er seine Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, nicht hinreichend frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen kann.

C. In der fortgesetzten Berufungsverhandlung wird das Landesarbeitsgericht hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags Folgendes zu beachten haben:

I. Der zweite Hilfsantrag fällt nur dann zur Entscheidung an, wenn der Kläger mit seinem ersten Hilfsantrag unterliegt. Dies ist nur dann der Fall, wenn sich weder die inaktiven Zeiten der Rufbereitschaft als Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes erweisen sollten noch ein häufiges Überschreiten der Sechstagewoche prognostizierbar ist und den Kläger damit grundsätzlich die Verpflichtung trifft, die Rufbereitschaftsdienste am Wochenende zu leisten.

II. Bei dem Antrag handelt es sich um einen Globalantrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, an (allen) Sonntagen (stets) von der Teilnahme an Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft befreit zu sein. Die Pflicht zur Teilnahme an der Rufbereitschaft an Wochenenden schließt in den unter C I genannten Fallkonstellationen jedoch die Sonntage grundsätzlich ein. Die erstrebte generelle Entbindung von der sonntäglichen Rufbereitschaft kann der Kläger deshalb nicht beanspruchen. Eine Freistellung von der Rufbereitschaft an Sonntagen kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn der Kläger seine reguläre Fünftagewoche geleistet und im Rahmen der Wochenendrufbereitschaft am Samstag tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen worden ist. Dann wäre die als Normalarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz vorgesehene Sechstagewoche erreicht und eine weitere Inanspruchnahme des Klägers gemäß § 207 SGB IX ausgeschlossen. Der Sinn und Zweck der Rufbereitschaft könnte dann nicht mehr realisiert werden. Nach der Ableistung einer Sechstagewoche ist der Kläger nicht verpflichtet, an einem siebten Tag in der Woche eine Leistung für die Beklagte zu erbringen, bei der Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes anfällt. Eine Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer die Arbeit bei einem Abruf nicht aufnehmen müsste, wäre sinnlos.